Der 56er Mercedes-Benz 190 von Klaus Kramm ist schön anzusehen und alltagstauglich. Doch seine rüstige Beachtlichkeit allein begründet nicht den Status der speziellen Sehenswürdigkeit dieses W121 BI. Das wirklich Außergewöhnliche an diesem MB Klassiker ist das Besondere an ihm dran - sprich sein Anhänger. Hierbei handelt es sich um einen umgebauten Bestatteranhänger von Westfalia aus dem Baujahr 1965- mit allerlei belebter Materie inside. Sieh mal einer an: In dem Anhänger befindet sich eine funktionierende Eisenbahn Modellanlage. Und das sorgt für einen doppelten Ahh- und Ohh-Effekt!
Mercedes W121 in vollen Zügen genießen
Wenn Klaus Kramm und sein Mercedes-Gespann in Sichtweite kommen, werden die Augen von Jung und Alt ganz groß! Der 190er mit Baujahr 1956 und sein Anhänger zaubern jedem, der Zeuge dieses Schauspiels wird, unweigerlich ein Lächeln ins Gesicht. So unwiderstehlich charmant ist das Erscheinungsbild des Ponton mit dem besonderen Anhang. Die Großen finden den Mercedes ganz toll. Die Kleinen sind von der funktionierenden Modelleisenbahn-Landschaft im Anhänger, dessen bewegtes Innenleben sich sehr gut durch die Fensterscheiben oder bei geöffneten Flügeltüren beobachten lässt, begeistert. Und dann gibt es natürlich noch ganz viele Menschen aller Altersgruppen, die das Gespann als Gesamtwerk ehrlich herrlich finden.
Ja, Klaus Kramm und sein Ponton bieten kein alltägliches Schauspiel. Und das kommt beim Publikum - insbesondere in der Adventszeit - gut an. Jetzt, wo Heilig Abend bald vor der Tür steht, entfaltet sich der ganze Zauber der mit viel Liebe zum Detail hergerichteten Installation mit voller Wirkungsmächtigkeit. Nicht wenige Väter mahnt der Anblick des Mercedes, dass es für den Nachwuchs ja noch Geschenke zu kaufen gilt. Warum eigentlich keine Eisenbahn? Wie die kleinen Loks emsig durch die heile Welt ihrer künstlichen Landschaften im Miniaturformat sausen, sieht einfach nur entzückend aus.
Eine schöne Bescherung: Mercedes 190 und Modellbahn-Anhänger
Für Klaus Kramm ist eigentlich jeden Tag Weihnachten. Denn die Modellbahnen von A wie A.C.M.E bis Z wie Zvezda sind seine kleine Welt, mit er sich von morgens bis abends beschäftigt. Er kennt sie alle: Märklin, Lima, Fleischmann, Roco & Co - um mal ein paar bekanntere Modellbahn-Marken zu nennen - sind sein Fachgebiet. Und er hat sie auch alle - was nicht von ungefähr kommt. Denn seit vielen Jahren führt der 57-Jährige in Hilden ein Fachgeschäft mit Versandhandel für eben diese Waren. "Modellbahn Kramm" genießt unter Spielzeugeisenbahn-Sammlern und den Modellbahn-Freunden weit über die Grenzen Deutschlands einen ausgezeichneten Ruf. Dieser Kramm-Laden gilt im Modellbahn-Lager quasi als Institution.
Werbung in eigener Sache
Dem Modellbahn-Fachmann kam vor sieben Jahren die Idee, mit seinem MB Ponton Veteranen ein bisschen Werbung in eigener Sache zu machen. Schließlich führt man in seinem Geschäft ja auch Modellautos aller Art. Doch den W121 BI einfach nur ein paar entsprechende Schriftzüge aufzukleben, schien Klaus Kramm zu fad und einfallslos Wenn schon Werbung, dann, bitteschön, muss sie von anschaulicher Art sein, erklärt er sein Prinzip des visuellen Marketings zum Angucken und Staunen! Klaus Kramm suchte also nach einem Werbeträger, an dem in Verbindung mit dem Mercedes so schnell kein Blick vorbei kommen sollte. Keine Frage: Mit der Wahl des einachsigen Anhängsels aus der Produktion von Westfalia ist ihm dies gelungen.
Bei dem geschlossenen Anhänger mit Flügeltüren handelt es sich um ein Erzeugnis aus dem Jahre 1965. Es war im Sinne seines damaligen Erfinders, ihn als Leichentransportmittel zu benutzen. Als Klaus Kramm den Anhänger im Jahre 2004 erwarb, war der Sargschlitten sogar noch drin. Sonderfahrzeuge für Bestatter, wie wir sie heute kennen, waren vor 50 Jahren noch nicht an der Tagesordnung, weiß Klaus Kramm zu erzählen. Die Beerdigungsunternehmer kamen seinerzeit mit dem Hänger vorgefahren, um die Verstorbenen zu transportieren. Mittlerweile trägt diese Gondel keine Trauer mehr, denn Klaus Kramm hat sie mit ganz viel Leben gefüllt. Wenn der Anblick des Anhängers heute jemanden zu Tränen rührt, dann nur noch vor Freude.
Second Life: Karrierehelfer Mercedes Ponton!
Der jahrelang ausrangierte Anhänger machte bei Klaus Kramm eine zweite Karriere, schlug dabei aber eine andere Laufbahn ein. Nicht länger in den Hades befördert er seinen Inhalt, sondern mitten hinein in ein bewegendes Dasein voller Glück, Freude und Lachen. In seinem Inneren beherbergt der Westfalia-Hänger nämlich eine funktionierende Eisenbahn-Modellanlage mit Zugverkehr und vier Modell-Lkw, deren wuseliges Treiben über eine Ampelanlage gesteuert wird. Hmh, Ponton Mercedes und Modell-Eisenbahnbau - passt das überhaupt zusammen? Und wie gut das zusammenpasst", sagt Klaus Kramm. Das Interesse an Modelleisenbahn und an automobilen Klassikern wird von ein und derselben Kundenklientel geteilt! In der Tat empfindet das Publikum auf Auto-Veteranentreffen, die Klaus Kramm ansteuert, das ungewöhnliche Ponton-Gespann alles andere denn als Fremdkörper. Die Freude im Fahrerlager ist vielmehr allenthalben groß bis - wie Klaus Kramm meint - geradezu sensationell. Verständlich, schließlich sieht man so etwas Ausgefallenes nicht an jeder Ecke.
Sehnsucht nach Ponton
Was es mit dem Leichenanhänger, den Klaus Kramm sozusagen als neuzeitlicher Django (das war der Italo-Western Pistolero, der im ersten Django-Film einen Sarg hinter sich herzog) mit der Lizenz zum Freudespenden durch die Land chauffiert, auf sich hat, dürfte jetzt geklärt sein, Wie aber kam Klaus Kramm eigentlich an den Mercedes W121 BI? Die Sehnsucht gerade nach diesem MB-Modell trug Herr Kramm schon in sich, als er noch ein Kläuschen war. Sein Vater pilotierte nämlich in den späten fünfziger Jahren einen solchen Mercedes der Oberen Mittelklasse.
Wenn ich mal groß bin....,
Ach, was war dieses Auto schön. Wohin sind wie mit dem Mercedes nicht überall gefahren. Was haben wir nicht alles gesehen und erlebt, erinnert sich Klaus Kramm an glückliche Kindheitstage mit Familie und Ponton. In jener Zeit hatte sich der junge Kramm selbst das Gelübde auferlegt, eines Tages eigenhändig das Steuer in einem Ponton zu übernehmen. "Wenn ich mal groß bin, dann...!" Wer hatte nicht wie Klaus Kramm seinen ganz eigenen Kindheitstraum, dessen Erfüllung auf die Zeit nach dem Erreichen der Volljährigkeit vertagt wurde? Bei Klaus Kramm wurde das große Ereignis, Besitzer eines einen Mercedes W121 BI zu werden, erst im 49. Lebensjahr Wirklichkeit. Und das kam so:
Weiterlesen....
Wie schon gesagt führt Klaus Kramm in Hilden ein Fachgeschäft für Modellbahnbau. Zu seinen treuesten Kunden gehörte der Eigentümer eines Mercedes 190 aus dem Jahr 1956. Da dieser Benz bekanntlich sehr alltagstauglich ist, fuhr besagter Kunde - wann immer er bei Modellbahn Kramm etwas zu erledigen hatte, mit dem Ponton vor. Als Klaus Kramm den W121 BI zum ersten Mal sah, war er sofort in den Mercedes verliebt. Da stand er doch - sein Kindheitstraum. Und er war zum Greifen nah! Aber er war zu diesem Zeitpunkt (noch) nicht zu verkaufen! Und so sagte Klaus Kramm - wann immer der Ponton Pilot - in den Laden kam, nimmermüde ein Sprüchlein auf: Also, wenn Du den Wagen irgendwann mal verkaufen willst, sagst Du mir bitte Bescheid!
Der Kindheitstraum vom Mercedes Ponton wird wahr
Etliche Jahre gingen ins Land, in denen sich zum Thema Mercedes Ponton Besitzerwechsel nichts Entscheidendes tat. Dann kam 2002 und es fiel eines Tages wie aus heiterem Himmel der erlösende Satz aus dem Munde des damaligen W121 Besitzers: Also, Klaus, wenn Du den Mercedes immer noch willst, dann kannst Du ihn jetzt haben. Ob er noch wollte? Da musste Klaus Kramm nicht lange überlegen. Ja! Ja! Dreimal ja! So glücklich wie es nur Kinder sein können, fühlte sich der Modellbahn-Fachmann an diesem Tag - wurde doch sein Jugendtraum unverhofft doch noch Wirklichkeit.
Dass aus dem Traum, einen 54 Jahre alten Mercedes Klassiker zu pilotieren, kein Albtraum wurde, ist zum einen der mechanischen wie substantiellen Qualität (die nicht umsonst legendär ist) des Ponton zu verdanken, und zum anderen der Pflegemaßnahmen des Vorbesitzers. 10 Jahre hatte dieser den Mercedes 190 als Alltagsauto gefahren - und nie Probleme mit dem Wagen gehabt. Ein Grund hierfür dürfte eine kluge Korrosionsvorsorge gewesen sein. Bei dem Geld, welches der Mann in eine Hohlraumversiegelung und in nicht rostende Innenkotflügel investiert hatte, handelte es sich ohne Zweifel um eine lohnenswerte Investition. Sie ersparte ihm so den ärgsten Kummer mit Rost und Gilb.
Kennzeichen 'D' beim Ponton
Apropos sparen: Der Vorbesitzer des Mercedes 190 gehörte zweifellos zu jener Kategorie Mensch, welche den Pfennig ehrt und kostenbewusst die Dinge angeht. Denn er ließ seinen Ponton vom Benziner, der er ab Werk eigentlich war, auf Selbstzünder umrüsten, um fortan mit einem 190D seine Kreise zu ziehen. Warum das? Nun das Dieselaggregat im 190er, das mit 1897 ccm über den gleichen Hubraum wie der Ottomotor verfügt, verbraucht viel weniger Sprit als der Benziner, dessen Kraftstoffverbrauch im Schnitt bei ca.11,5 Litern liegt. Wer als 190er Fahrer den 50 PS Diesel unter der Haube hat, kann gut und gerne vier Liter Kraftstoff auf 100 Kilometer sparen. Für den Vorgänger von Klaus Kramm hinter dem Steuer des 56er Ponton war dieses Einsparpotential offenbar Argument genug, um sich für einen Systemwechsel im Maschinenraum zu entscheiden.
Rein und raus...
Die Wiedervereinigung von Klaus Kramm mit einem W121 aus Kindertagen hatte recht bald einen neuerlichen Systemwechsel zur Folge. Den Dieselmotor mochte ich nicht behalten. Der Ponton sollte sich wieder mit einem 75 PS Benziner in Bewegung setzen. So war's von Anfang an. Und sollte es wieder sein, erklärt Klaus Kramm seine Entscheidung für den zweiten Triebwerkstausch unter dem Motordeckel. Mit der Aufgabe, die Verhältnisse im Motorraum ein weiteres mal grundlegend zu verändern, beauftragte er übrigens die Ponton-Manufaktur. Hier baute man ihm nicht nur ein revidiertes 1,9-Liter-Aggregat mit normalem Supersprit-Durst ein,sondern rüstete auch das Armaturenbrett fachmännisch wieder zurück. Die Instrumententafel des 190 war schließlich in seiner Diesel-Periode um den Glühüberwacher ergänzt worden. Heute erinnert nichts mehr an die nagelnde Übergangsphase im Leben des W121 BI.
Auch sehr besonders: Mercedes Ponton mit Webasto Faltdach
Eine weitere Besonderheit dieses Mercedes 190 ist sein Webasto Faltdach. Nicht jeder Ponton hat das. Umso mehr genießt es Klaus Kramm, bei schönem Wetter oben herum im Freien zu sitzen. Das damals optionale Webasto-Dach gehört bei diesem Fahrzeug schon zum Ausstattungsniveau bei Erstauslieferung. Bei dem Stoff des Softtops handelt es sich allerdings um eine Neuanfertigung.
Hingegen sind Lampen, Gläser, Scheiben und Chrom-Teile dieses Mercedes noch ganz die Alten geblieben - wenngleich sie alles andere als matt und blass, sondern frisch und glänzend ausschauen.
Neu an dem Mercedes ist der schöne Schein der dunkelroten Lackierung. Der Leichenanhänger mit der Modellbahn-Anlage erhielt natürlich das gleiche Kolorit. Erst seit jüngerer Zeit ergänzen vier "neue" Türen die Konfiguration des W121 BI. Den Erstausstattungsteilen hatte über die Jahre der Rost doch so stark zugesetzt, dass Auflösungserscheinungen an den Unterseiten Ersatz zwingend erforderlich machten. Um Kosten zu sparen, ließ sich Klaus Kramm geschlachtete 190er Türen aus dem Sonnenstaat Kalifornien, USA, kommen. Als die Ersatzteile in Deutschland eintrafen, waren sie wirklich ganz und gar frei von Rost oder anderen Beanstandungen. Puuuh, da hat Klaus Kramm aber ein Stück Glück mit den US-Importparts gehabt - da hat man nämlich auch schon mal etwas anderes gehört. In diesem Fall aber mussten die Türen lediglich entlackt, grundiert und anschließend koloriert werden. Und schon ging der Mercedes wieder rundherum standfest und stabil auf Reisen.
Tierisch gut: das Interieur des Mercedes 190
Das Fahren im 56er Mercedes 190 gehört zu den Dingen, die Klaus Kramm tierisch genießt. Kunststück: Die Bestuhlung sowie Tür- und Seitenverkleidungen sind schließlich dermaßen frisch vom Sattlermeister geledert worden, dass der markant-herbe Lederduft der sandfarbenen Rinderhäute beim Entern des Fahrgastraums sogleich angenehm in die Nase steigt. Das edle Nappaleder ersetzt die vormaligen Original-Stoffbezüge, dessen Streifenmuster Klaus Kramm auf Dauer nicht gefiel. Besonders schön mutet das Umfeld des Fahrers auch deswegen an, weil Himmel und Teppichboden ebenfalls komplett erneuert worden sind. Ein weiterer Quell ungetrübter Freude des Piloten sind die funktionierenden Instrumente und Bedienhebel.
Wenn Sie Klaus Kramm und seinen Ponton nebst Modellbahn-Anhänger auf Autoveteranen-Meetings oder bei einer anderen Gelegenheit antreffen sollten, dann genießen Sie ruhig mal diesen Moment einer Bekanntschaft von der angenehmen Sorte. Aber: Vorsicht vor den Nebenwirkungen! Womöglich könnten Sie - wie der Autor - auch sofort eine unbändige Lust auf zwei Dinge verspüren: Erstens auf einen Mercedes W121 (aber der von Herrn Kramm ist nicht zu verkaufen) und zweitens die Kartons mit der alten Eisenbahn aus Kindertagen aus dem Keller zu holen, sie nach vielen Jahren, trotz der Proteste der lieben Frau, mehrspurig im Wohnzimmer aufzubauen und mit dem eigenen Nachwuchs nach Herzenslust stundenlang zu spielen.
Text & Fotos Mathias Ebeling
1 Kommentar
Biggibenz
6. Dezember 2010 20:17 (vor über 14 Jahren)
Schreibe einen Kommentar