Wenn die Medien von den GWA-Kreationen berichten, dann überschlagen sich die damit betrauten Berichterstatter förmlich mit Superlativen. Ob es eine Replika des 300 D auf SLS AMG-Basis ist, oder ein mit modernster Technik aufgepäppelter 300 SL: "Super, super, super! GWA denkt das Undenkbare.
GWA? Das steht für "Gullwing America". Und wenn die in Texas ansässige "Firma" den nach Sensationen lechzenden Autojournalisten in die Giftküche schauen lässt, dann ist "Inhaber" Arturo Alonso die ungeteilte Aufmerksamkeit der Autofachwelt sicher. Von auto, motor und sport bis Top Gear wird dann das Loblied auf die kleine umtriebige Tuning-Firma gesungen, die es mit Kreativität und dem Geld einzelner reicher Osteuropäer immer wieder schafft, sensationelle Projekte auf die Räder zu stellen. Es gibt nur ein winziges Problem: Es ist alles nur geträumt!
Motorvision: "Beim Gullwing Ciento Once bestehen die Pedale aus gebürstetem Alu."
Ich wünsche Ihnen ein angenehmes Nachschreiben!, so beendete einst Ferdinand Piëch einmal eine Pressekonferenz in Genf und machte dabei deutlich, was er von der Mehrheit der anwesenden Autojournalisten hielt. Und ganz Unrecht scheint der VW-Patriarch ja auch bei seiner Einschätzung nicht zu haben. Immer wieder tauchen in Print und Netz Artikel auf, bei denen Sie lieber Leser bestimmt auch schon mal das Gefühl hatten, das alles bereits irgendwo gelesen zu haben. Zum einen liegt es daran, dass der freie Journalist seine Geschichten heute mehrfach verkaufen muss, sonst kann er von seiner Arbeit nicht mehr leben, zum andern aber auch, weil ein einmal geschriebener Text so etwas wie eine - äh - Inspiration für andere ist.
Noch spannender wird dieses Thema, wenn man es einmal vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung der klassischen und neuen Medien anschaut. Auf der einen Seite die Fachmedien, die journalistische Qualität versprechen, sauber recherchiert und mit dem Wissen des Fachredakteurs ordentlich bewertet. Und auf der anderen Seite Medien wie z.B. eine auto, motor und sport, wo bisweilen der blühenden Fantasie freien Lauf gelassen wird. Sie, lieber Leser, mögen darüber zwar schmunzeln, aber der uninformierte Leser nimmt manches für bare Münze, was er besser als falschen Fuffzger liegen gelassen hätte. Die Kreationen des Arturo Alonso sind ein prima Beispiel. Da werden Computer-Illus zu echten Autos hoch-geschrieben.
Arturo Alonso: Tuner oder moderner Lügenbaron?
"The lucky donor was a Mercedes 190 2.3 16V with the same wheelbase as the W-121, which made it easy to adapt." so fabuliert die Webseite des US-Tuners. Auch das ist reine Fantasie. Wie ein echter Power-Ponton aussieht, zeigen wir hingegen hier: Mercedes 180 Power Ponton
Ob Arturo Alonso sein wirklicher Name ist? Wir wissen es trotz aller Recherche nicht. Ein moderner von Münchhausen scheint er jedoch auf jeden Fall zu sein. Und das meinen wir durchaus mit Respekt. Denn das, was Arturo Alonso mit seinen Kreationen losgetreten hat, hätte dem Lügenbaron für seinen Nachfolger vermutlich größte Anerkennung abgerungen. Denn hier führt ein Pixelschubser auf hohem Niveau bis auf wenige Ausnahmen die komplette Auto-Fachwelt an der Nase herum. Beispielsweise schreibt Motovision zum Ciento Once, der eine Reinkarnation des C111 sein könnte: "Der Nachbau rollt vorn auf 19-Zöllern und hinten auf 20-Zöllern mit 295er Breitreifen. Die Felgen haben ähnlich wie beim Originalfahrzeug ein sternförmiges Design mit fünf Felgenarmen." Liebe Motovisionäre, da rollt nix, da ist nämlich nix!
"Im Cockpit werden die 70er Jahre wieder lebendig - das schmucklose Dreispeichenlenkrad und das Muster der Sitze erinnern an den C111. Während dessen Cockpit allerdings eng und unkomfortabel war, sind für den Ciento Once zahlreiche Annehmlichkeiten von der Klimaanlage bis zum Navigationssystem geplant. Fünf Rundinstrumente halten den Piloten auf dem Laufenden, die Sechsgangschaltung wird durch eine offene Kulisse geführt. Die Pedale bestehen aus gebürstetem Aluminium
."
Und wir fragen uns, woher wissen die Kollegen Robert Schwarz und Sebastian Viehmann das, die diese Story offensichtlich in gründlicher Co-Arbeit recherchiert haben? Nach unserem Kenntnisstand bestehen die Pedale aus Nullen und Einsen.
Ciento Once: "Zu schön, um wahr zu sein?" Genau!
Wunderschön anzuschauen, aber selbst ein Prototyp wurde nie gefertigt: GWA Ciento Once
Auch die Kollegen der Financial Times Deutschland hatten über diese Kreation berichtet und orakelten: "Ob der Ciento Once ein Einzelstück bleibt, oder in Kleinserie gebaut wird, hat GWA Tuning bislang nicht verraten. Auch über den Preis wurde noch nicht gesprochen. So manchem Sportwagen-Sammler dürfte die Summe freilich egal sein - vielleicht treffen ja bald Blankoschecks in Texas ein." Bestimmt, vermutlich aber hoffentlich auch nur virtuelle. Sonst kann es böse ins Auge gehen.
"Handgefertigte Karosse für einen Kunden aus Osteuropa?"
Arturo Alonsos neueste Kreation soll auf einem 2012er SLS AMG Roadster basieren. Wir können kaum glauben, wer diesen Unfug alles weiterverbreitete.
Noch besser informiert aber ist der Kollege Holger Wittlich, der und das dürfen wir von einer auto, motor und sport ja auch erwarten, noch besser informiert und über den Ciento Once noch mehr weiß: "Statt eines Wankelmotors mit bis zu 370 PS, wie er im C111 Typ I oder II verbaut war, kommt ein V12-Motor aus dem Hause Mercedes zum Einsatz, der 408 PS leistet. Das Mercedes-Triebwerk, das in den 90ern entwickelt wurde, verrichtet unter anderem noch seinen Dienst im Pagani Zonda." Sagenhaft, aber es wird noch detaillierter: "Unter der handgefertigten Alu-Karosserie des 1,4 Tonnen schweren Gefährts ist ein optimiertes und verstellbares Fahrwerk verbaut sowie eine Bremsanlage aus dem Mercedes S 55 AMG."
Wer nun nervöse Zuckungen in seiner Brieftasche verspürte und sich nicht ganz sicher war, ob er einen solchen Boliden nun bestellen sollte oder nicht, der wurde von Wittlich schnell beruhigt: "Bereits 2009 wurde eine spektakuläre Mercedes 300 SL Replika mit Motoren aus dem Mercedes SLK 55 AMG aufgelegt." Na, also geht doch! Wir würden sagen, "aufgelegt" hat Arturo Alonso bislang maximal den Telefonhörer. Das hindert aber die zitierten Kollegen nicht - und es sind einige mehr - unablässig vom texanischen Tuner, vom Autobauer, der Edelschmiede und sonstigem zu fantasieren. Die Grenzen zwischen Dichtung und Wahrheit verwischen. Verantwortlich sind jene "Kollegen", die da einfach ins Blaue drauf losschreiben. Und in den sozialen Netzwerken kreisen Fotos von Autos, die nie gebaut wurden. Und das wohl noch die nächsten Jahre.
Als GWA jetzt kürzlich erneut technisch perfekte Illustrationen in Netz stellte, jubelte ams-Mann Holger Wittlich unter der Rubrik Hersteller: "In Anlehnung an den Mercedes 300 SC der Baureihe W 188 aus den 50er Jahren wurde ein Einzelstück für einen osteuropäischen Kunden aufgelegt. Und Wittlich weiß noch mehr: Unangetastet ließen die Mannen von GWA das Interieur des Mercedes SLS AMG, ebenso wie den Antrieb. Hier arbeitet der 6,2-Liter-V8 mit mindesten 571 PS."
Wir wissen sogar noch mehr: der als Spenderauto identifizierte 2012er SLS AMG blieb gänzlich unangetastet, weil auch diese Neukreation ein reines Phantasieprodukt ist. Was die ams-Leser, die in den Kommentaren übereinander herfallen, freilich nicht bemerkt haben. Aber damit stehen sie nicht allein. Durch googlen erhält der geneigte Interessent sehr schnell einen Überblick, welche Fachmedien sich vor der "Ingenieurskunst" des Arturo Alonso noch verneigen. Der Verweis darauf, dass GWA vermutlich noch nie ein Auto gebaut hat, fehlt bei fast allen.
Wir sind keine Spielverderber, nur gründlich!
Manchmal hat ja die Vorstellung, dass da vielleicht ein pubertierender Autofan die Pixel zusammenschubst und sich dann diebisch über die Aufmerksamkeit der internationalen Presse freut, etwas Erheiterndes. Wir müssen ja nicht alles so bierernst nehmen. Und das, was Arturo Alonso auf dem Bildschirm zusammengeschubst hat, ringt auch uns Respekt ab. Zumal er nicht nur Mercedes-Träume träumt, er lässt auch einen Porsche 904 auf Basis von Porsche Boxster Komponenten wahr werden. Und die Porsche-Welt liegt ihm angesichts der gut gemachten Illustrationen ebenfalls zu Füßen. Das gleiche Spielchen.
Aber warum sich noch niemand gewundert hat, weshalb noch nie echtes GWA-Auto in den "inner circles" der real existen Autoverrückten aufgetaucht ist? Vielleicht, weil sich dort niemand auskennt?
Sponsoren gesucht für eine GWA-Welttournee!
Damit hier kein Missverständnis aufkommt: die Computergrafiken des Arturo Alonso zeugen in der Tat von einem gewissen Talent und seine Ideen haben fraglos Charme. Wer nun weiß, dass Alonso noch nie ein Auto gebaut hat, kann über den unfreiwillig komischen Medienhype nur schmunzeln. Da bedient offensichtlich jemand etwas, wovon viele träumen. Und das sehr erfolgreich.
Eine neue Qualität bekommt das Thema allerdings dadurch, dass Alonso jetzt angekündigt hat, mit seinen Interpretationen vom 300 SL und Ferrari F340 bei der Panamericana anzutreten und anschließend mit dem neuen Actros-Truck bei den Formel 1-Rennen auf Welttournee zu gehen. Sponsoren, die mitspielen wollen, dürfen sich gerne melden. Zu sehen sind schon Vodafone & Co.
Um einmal zu schauen, was sich hinter dieser Sache verbirgt - unschuldige Träumerei oder vielleicht doch Abzocke haben wir über einen Strohmann eine Beteiligung an diesem Projekt angeboten. Bislang keine Reaktion. War unser sechsstelliges Angebot zu gering! GQ stellte anlässlich des Ciento Once kurz und bündig fest: "GWA macht Träume wahr!" Eben nicht, liebe Kollegen, eben nicht!
Text: Thomas Ebeling
2 Kommentare
Mercedes-Fans.de
6. März 2013 19:54 (vor über 11 Jahren)
LukasA250e
1. März 2013 17:08 (vor über 11 Jahren)
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