Es gibt Fotos, die werfen beim Betrachten eine Menge Fragen auf! Im Rahmen des Festival of Speed versteigert das Auktionshaus Bonhams am 12. Juli jenen Mercedes-Benz Silberpfeil, mit dem Manuel Fangio 1954 Weltmeister wurde und flankiert diese Versteigerung mit einem Foto, dass neben Stirling Moss auch den aktuellen Mercedes AMG-Piloten Lewis Hamilton zeigt. Auch ohne dieses Beiwerk ist der zu versteigernde Silberpfeil ein Auto von hohem historischen Kaliber. Fahrzeuge dieser Klasse kommen nur selten zum Verkauf. Ein Leserbrief und das Foto nähren den Gedanken, dass Daimler selbst an diesem geschichtsträchtigen W196 Rennwagen gar nicht interessiert ist.
In der Tat gibt es mehrere Spekulationen, aber erst einmal die Fakten. Es handelt sich um einen W196 von 1954. Mit diesem Monoposto, dessen 2,5 Liter Reihenachtzyliner zwischen 290 und 300 PS leistete, gelang es Mercedes-Benz unmittelbar nach dem Wiedereinstieg in den Formel-Sport mit Manuel Fangio die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Zu Beginn der Siebziger Jahre gingen drei dieser 54er Formel-Renner als Dauerleihgaben an Museen. Daimler schrieb uns auf Nachfrage: Das Fahrzeug wurde 1972 dem National Motor Museum Beaulieu im englischen Hampshire gestiftet in Anerkennung des herausragenden Einsatzes, den die Museumsmacher leisteten, "um gegenwärtigen und zukünftigen Generationen die Möglichkeit zu geben sich mit den Pioniertagen der Geschichte des Automobils zu vertraut zu machen", so das Schreiben der Direktion der Damiler-Benz AG vom Juli '72.
Somit handelt es sich bei diesem Fahrzeug um das einzige Exemplar, das in privates Eigentum außerhalb unseres Unternehmens übergegangen ist.
Genau dieses Auto Chassisnummer 00006/54 - gelangte über verschlungene Pfade dann an einen deutschen Privatmann.. Es wird vermutet, dass dessen eigentliche Intention, das Fahrzeug bei historischen Rennen an den Start zu bringen, an der komplexen Technik und den daraus resultierenden Betriebskosten gescheitert ist. Ein Insider sagte gegenüber Mercedes-Fans.de: 1 Minute Betriebszeit eines solchen Motors kostet zwischen 800 und 1.500 Euro! Abgesehen davon, dass es einer hochqualifizierten Mannschaft bedarf, ein solches Auto auch einzusetzen Als das Fahrzeug dann wieder auf dem freien Markt auftauchte, lag die Vermutung nahe, dass der traditionsbewusste Daimler Konzern, dieses Auto gern in seine Sammlung zurückholen würde: Willkommen zu Hause!
Will Daimler das Auto gar nicht zugunsten eines besseren Images?
Doch diese Vermutung hat einen Haken! Denn im Vorfeld der Versteigerung gibt es viel Getrommel mit Paukenschlägen aus Stuttgart. Die in Daimler-Diensten stehenden Rennfahrer Lewis Hamilton und Stirling Moss posieren für ein Foto mit der zu verkaufenden Rennwagen-Legende und philosophieren über das Fangio-Auto. Was die Aufmerksamkeit erhöht und sicher auch den Preis! Eine Legende geht über die Ladentheke und jeder soll es wissen?! Kein guter Plan, wenn man potenzieller Käufer in Frage kommt, oder? Sollte die Daimler AG am Ende gar nicht interessiert sein?
Reicht dem Unternehmen das halbe Dutzend an W196 in den eigenen Hallen? Marschiert hier Traditionspflege stattdessen mit jenen Überlegungen Hand-in-Hand, das in den Medien zuletzt etwas angekratzte Markenimage wieder aufzupolieren? Dieser Gedankengang ist ja nun nicht ganz unplausibel: Die Botschaft Silberpfeil für 20 Millionen verkauft! wäre aus Marketing-Sicht unschlagbar. Denn welcher Wettbewerber im Premiumsegment könnte dies von einem Modell seiner Marke noch behaupten? Wenn das das Ziel ist, dann wäre die bisherige Vorgehensweise verständlich. Die Daimler AG hält sich zurück und verwendet den eingesparten Kaufpreis für etwas Sinnvolleres!
Sinnvolleres? Das Opfer, das zu bringen wäre, ist hoch. Manche Stimmen sprechen gar von einer fahrlässigen Weggabe eines Teils der Markenidentität. Nummer 6/54 ist der wohl authentischste W196-Bolide, mit jener Patina, die Historikern und Originalfetischisten den Schweiß der Begeisterung auf die Stirn treibt. Auch weil Fangio durch einen Sieg beim Großen Preis von Deutschland vorzeitig Weltmeister auf eben diesem Auto wurde. Wer nun argumentiert, dass dieser Meilenstein in die historische Sammlung der Daimler AG gehört, wird sicherlich seine Unterstützer finden.
Mercedes-Benz Classic: Wir unterstützen den Käufer!
Sieht man das beim Daimler möglicherweise anders? Mercedes-Benz Classic Sprecher Malte Dringenberg schrieb jüngst an den Oldtimer Markt Dieser Wagen hat eine vollständige dokumentierte Historie und wir kennen ihn sehr gut. Auf Bitten von Bonhams untersuchen wir das Fahrzeug derzeit eingehender und erstellen eine Herstellerexpertise, die den originalen Zustand des Fahrzeugs zertifizieren wird. ( ) Selbstverständlich stehen wir dem neuen Eigentümer im Rahmen unserer Möglichkeiten gerne unterstützend und als Ansprechpartner zur Verfügung. Klingt so, als würden die Stuttgarter abschenken. Geschickte Tarnung? Oder tatsächlich kein Interesse?
Oldtimer-Markt Chefredakteur Peter Steinfurth: Silberpfeil 00006/54 ist das Tafelsilber
Nicht wenige schließen daraus, dass die Daimler AG an dem Kauf des Fahrzeugs tatsächlich nicht interessiert ist. Das aber will z.B. Die Welt besser wissen! Sie glaubt, dass Daimler alles versuchen wird, das Fahrzeug in den Konzern zurückzuholen. Autor Robert Dunker fragt sich verständlicherweise aber auch, warum dann Mercedes-Benz mit PR-Maßnahmen und einer Werksexpertise eher preissteigernde Maßnahmen ergreift. Der Markt für Fahrzeuge dieser Art ist klein, aber potenzielle Kunden sind vorhanden. Und angesichts eines vermuteten Preises zwischen 20-30 Millionen Euro (manche schätzen sogar nicht unter 40) liegt die Vermutung nahe, dass das Auto im Falle eines Daimler-Verzichts in einer osteuropäischen, chinesischen oder arabischen Sammlung verschwinden könnte. Vielleicht dann auf Nimmerwiedersehen? Das wäre für den geschichtsbewussten Konzern dann doch eine Katastrophe. Dabei war der Renner mit der roten Nummer 12 den Schwaben schon einmal ganz nah. Der Klassik-Händler Axel Schütte hatte das Fahrzeug im Rahmen einer früheren Techno Classica angeboten. Quasi direkt vis-a-vis vom Mercedes-Benz Stand. Damals soll Daimler auch mal vorsichtig nach dem Preis gefragt haben. Dieser war damals möglicherweise zu hoch? Schütte nahm den W196 wieder mit. Jetzt unternimmt Bonhams einen neuen Anlauf, einen Kunden für Fangios Silberpfeil zu finden, das laut Oldtimer-Markt Chefredakteur Peter Steinfurth ganz dickes Tafelsilber ist: Es gibt keinen wichtigeren Silberpfeil als diesen!
Dann wird es ganz bestimmt noch spannend!
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