Auf der Retro Classics 2012 präsentierte der ADAC zum ersten Mal seinen frisch restaurierten Betreuungswagen. Der Sattelauflieger mit Mercedes-Benz Zugmaschine war von 1962 bis 1971 als rollende Geschäftsstelle des ADAC Gau Südbayern als Informations- und Betreuungswagen im Dienst und sollte den Automobilclub auf Großveranstaltungen repräsentieren und die Service-Leistungen des Automobilclubs auch den Mitgliedern außerhalb der Ballungsräume nahebringen.
Basis und Antrieb des Betreuungswagens ist ein Chassis des Daimler-Benz Typs LPS 328/36, auf das die Staufen Fahrzeugwerke Eislingen eine zweitürige Doppelkabine mit erhöhtem Dach und zwei Einzelsitzen vorne sowie einer zusätzlichen Rücksitzbank montiert haben. Unter der Haube arbeitet ein 5,1 Liter-Sechszylinder-Diesel mit 110 PS sowie einem Drehmoment von 30,5 mkg (ca. 300 Nm).
Der Auflieger wurde komplett aus Leichtmetall gefertigt. Wie schon das Fahrerhaus bauten die Staufen Fahrzeugwerke Eislingen auch den vom Regensburger Diplom-Ingenieur Branekar konzipierten Auflieger, der mit seinen 12 Metern Länge und 2,5 Meter Breite Platz für einen Konferenz- und Sitzungsraum, einen Büroraum mit kleiner Küche sowie ein Kundenbereich mit Theke Platz bot.
Die rollende ADAC-Geschäftsstelle verfügt über ein 220-Volt-Bordnetz mit Wechselstromaggregat und Notstrom-Batterien, ist mit damals modernster Kommunikationstechnik ausgestattet und verfügt über eine Telefonanlage von der Firma Lorenz und ein Lautsprechersystem auf dem Dach, das über ein Philips-Tonbandgerät, einen -Plattenspieler oder per Mikrofon die Außenfläche beschallt.
Fast zehn Jahre ist der Betreuungswagen im Dienst des Automobilclubs auf Messen, Ausstellungen, Sportveranstaltungen als mobile ADAC-Geschäftsstelle im Gau Südbayern unterwegs, um die Mitglieder zu betreuen und Seh- und Reaktionstest anzubieten. Im Jahr 1971 wurde der Sattelzug schließlich an die Firma Betten-Ruf aus Moosburg verkauft, die diesen als mobile Bettenreinigunganlage nutzt. Dort verrichtet der LPS 328 weitere 30 Jahre seinen Dienst, bevor ihn der TÜV in Rente schickt.
Der Schwanenhals oberhalb der Sattelplatte des Zugfahrzeugs war der Konferenzraum
Hilfegesuch eines LKW Oldtimerfans
Im März 2003 erreicht den ADAC ein Brief, in dem der Schreiber den ADAC um Hilfe bei der Restauration eines ehemaligen ADAC-Fahrzeugs bittet. Ein Transportunternehmer wollte den Betreuungswagen neu aufbauen und verbrachte diesen nach Tschechien. Doch die Qualität überzeugte den Sammler nicht und für die aufwändige Restaurierung des ADAC-Oldies fehlte ihm letztlich die Zeit.
2006 will der Spediteur verkaufen und bietet den Zug natürlich dem ADAC an, der zu hohe Preis macht den Kauf zunichte. Nach drei Jahren startet der Transportunternehmer einen neuen Versuch und der ADAC Vorstand entscheidet, im November 2009 den ehemaligen Betreuungswagen zu erwerben.
Experten-Team mit Oldtimer-Bus-Kenner Konrad Auwärter
Da es keinerlei Unterlagen zu dem Betreuungsfahrzeug mehr gibt, stellten Karl Pröbstl und Arwed Hafner, die auf Seiten des ADAC die Restaurierung des Sattelzuges koordinieren, ein Experten-Team zusammen, zu dem auch der ehemalige Chef des Bus-Herstellers gehört. Konrad Auwärter ist in der Oldtimer-Bus-Szene aktiv und verfügt somit über gute Kontakte. Er empfiehlt die Firma Erich Appinger aus Haunersdorf, die im Februar 2010 mit der Restaurierung begann.
Die Zugmaschine musste bis auf das Chassis seziert und der Reihen-Sechszylinder komplett revidiert werden. Bereits im Juni 2010 liegt der Motor wieder überholt und einbaufertig in der Werkhalle in Haunersdorf.
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Chassis und Fahrerhaus des Zugfahrzeugs aber bedürfen weit mehr Restaurierungsarbeit als angenommen: Neben den tiefgehenden Durchrostungen und einem verbastelten Schaden im Dachbereich erweist sich die Rekonstruktion des Auflieger-Innenraums sich als äußerst schwierig, denn nicht nur, dass es keine Zeichnungen gibt, auch Fotos des Original-Interieurs sind nicht vorhanden. Das Experten-Team beschließt, die Einrichtung zeitgenössisch im 60er Jahre-Stil, aber auch modern mit Klimaanlage und Multimedia-Terminal umzusetzen.
Das Holzgerippe der Aufliegers ist weitestgehend in Ordnung, nur das Dach zeigt sich leicht verwittert. Die alten Kunststoffverglasungen werden ausgetauscht und die Echtglasfenster wieder aufbereitet. Über den Winter werden alle Karosseriekomponenten lackiert.
Nachdem der Motor bereits im November 2010 eingebaut war und schon wiederbelebt wurde, konnte im Mai 2011 endlich auch die Fahrerkabine auf das Fahrgestell. Bei dem Auflieger der ADAC Betreuungswagens konnte man nun mit der technischen Ausrüstung beginnen und schließlich die Inneneinrichtung einbauen, bevor der Zug zur TÜV-Abnahme rollte.
Raus aus dem Ruhestand
Nach seiner zweiten Jungfernfahrt durfte nun Fahrer und Betreuer Gerhard Verlaan die Schlüssel sein neues Arbeitsgerät nach Stuttgart zur Retro Classics bewegen. Damit war der ADAC-Betreuungswagen raus aus dem Ruhestand... und wer weiß, vielleicht sehen wir den gelben Wagen ja auch bei den SCHÖNEN STERNEN?
Text: Thomas Frankenstein
Fotos: Andreas Beyer, ADAC Südbayern
Wir danken dem Mercedes-Benz Classic Magazin für die freundliche Unterstützung
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