Achtzig Jahre ist es nun her, seit die Erfinder des Automobils 1936 der Weltöffentlichkeit mit dem 260 D (W 138) und seinem OM 138 als Antrieb als erster Hersteller einen serienreifen Diesel PKW vorstellten (siehe unser Bericht vom 5. Mai 2016). Zuverlässigkeit und Langlebigkeit sind seither die Begriffe, die man, selbstverständlich nicht nur bei einem PKW, mit einem Diesel verbindet.
Bereits der Einsatz eines Dieselmotors als mobiler Antrieb war, seit Rudolf Diesel seinen Motor am 10. August 1893 zum ersten Mal zum Laufen brachte, mit einigen Umwegen verbunden. Erst die Entwicklung der Vorkammer im Jahr 1909 bei Benz & Cie. in Mannheim und der Einsatz der Bosch Einspritzpumpe machten das Triebwerk leicht genug für den Straßenbetrieb, auch im PKW.
Schon einmal bei Umwegen, sind wir dann auch gleich mitten im Zentrum unserer 260 D Geschichte: Hans Starke, Besitzer und Wiedererwecker unseres Hauptdarstellers, fuhr seit 1971 einen Mercedes-Benz 170 DS, den er bereits neun Monate nach dem Kauf wieder TÜV-reif auf die Straße brachte und heute noch fährt. Anfang der 1980er übernahm er aus seinem Familienkreis einen Mercedes-Benz 170 Db. Nach wieder einmal etwa zehn Jahren brauchte er eine neue Herausforderung mit Stern. Diesmal sollte es ein großer Schritt zurück in die Geschichte werden, und das Ziel war ein Vorkriegsfahrzeug.
Seine Wahl fiel auf einen Mercedes-Benz 230 (W 143). Nach einigem Suchen stieß er 1991 auf einen Händler am Niederrhein, der ein solches Fahrzeug anbot. Dieser hatte, noch aus Zeiten der DDR, als ein gewisser Herr Schalck-Golodkowski, zuständig für Devisenbeschaffung, alles in den Westen verkaufte, was harte "Valuta" (=Währung) einbrachte, von dort ein Paket von Oldtimern übernommen. Doch welchen Zustand fand Hans vor? Das ursprüngliche Armaturenbrett war zu einem wirklichen Brett mit einigen zusammengesuchten Instrumenten geworden, Karosserie und Fahrgestell einschließlich der entsprechenden Holzkonstruktionen mussten erneuert werden, das Luftfilter bestand aus einem simplen Deckel mit darunter liegendem Sieb… Aber Hans hatte Mut und entschloss sich zum Kauf.
Dann begann die Suche nach 230er Originalteilen. Hans wurde fündig, nur das Einpassen in sein Fahrzeug wollte nicht gelingen. Als er die neu gekaufte Motor- und Getriebeaufhängung nicht verwenden konnte, nahm er Kontakt zum Mercedes-Benz Oldtimer-Center in Stuttgart auf und bekam dort von einem Mitarbeiter, der die Fahrzeuge der 30er Jahre bestens kannte, den Tipp, die Fahrgestell-Nummer befinde sich nicht wie üblich vorn rechts am Rahmen, sondern unter dem Querträger oberhalb der vorderen Blattfeder. Etwa zum gleichen Zeitpunkt entdeckte Hans die Kommissions-Nummer an der Spritzwand. Das Ergebnis war, Hans hatte nicht den Torso eines 230ers, sondern einen 260 D (W 138) gekauft!
Mit Hilfe der Kommissions-Nummer konnte Hans nun nachvollziehen, dass es sich bei seinem Kauf um eine 260 D Pullman Limousine Droschke von 1938 handelte. Sie wurde am 21. November 1938 in Breslau ausgeliefert. Von dieser Reihe wurden seinerzeit nur 200 Stück gebaut, die gesamte Baureihe des 260 D umfasste nur 1967 Fahrzeuge! Hans besaß also eine echte Rarität.
Wenigstens konnte er ab jetzt gezielt vorgehen, diesmal wurde nach den richtigen Originalteilen gesucht! Das eingebaute Maybach-Getriebe wurde durch ein voll synchronisiertes Original-ZF Vierganggetriebe ersetzt, die Hinterachse, die die eingebaute 230er Achse ersetzte, kam aus Frankfurt an der Oder, und auch eine passende Diesel-Maschine konnte Hans auftreiben. Damit war die Antriebsseite geklärt.
Wie viel Mühe es anschließend kostete, auch das kleinste Detail zu beschaffen oder originalgetreu nachzufertigen, ist kaum vorstellbar. So wurden die Federn nach Originalunterlagen nachgefertigt, und ein Foto des „Diesel“ Schriftzuges auf der Kühlerattrappe diente als Vorlage für das jetzige Teil. Manchmal spielte auch der Zufall eine Rolle. Zum Beispiel hörte Hans davon, dass jemand ein Sortiment an Vorkriegsteilen anbot und fand darunter die Gepäckbrücke des Wagenhecks und das sogar zu einem bezahlbaren Preis. Auch seine Originalfarbe erhielt der Wagen wieder. Hans machte hinter dem Typenschild eine Lackfläche im Originalzustand ausfindig, ließ den Farbton analysieren und das Ergebnis war “dunkelgrün“ (2084).
Nach der Lackierung ging es an die Komplettierung, ein ständiger Wechsel zwischen Fahndung nach Fehlendem, Nachfertigung und Einbau. Insgesamt benötigte Hans zusammen mit einem befreundeten Fachmann für Holz- und Blecharbeiten elf Jahre für seine Arbeiten.
Aber welch ein Ergebnis: Ein Traum aus Chrom und Lack. Eine Komfort- Innenausstattung, die an alles denken lässt, nur nicht an die simple Verkaufsbezeichnung “Droschke“. Einzig die verschiebbare Glastrennwand zur ledergepolsterten Vorderbank und die mittleren Klappsitze erinnern daran. Platzangebot (selbst mit Klappsitzen!) und die feine Stoff- und Chromausstattung im Fahrgastraum lassen Wohnzimmerathmosphäre aufkommen. Aber so war das damals eben, insbesondere bei Autos mit dem Stern.
Dass Hans´ Werk die abschließende TÜV Prüfung ohne Mängel überstand, braucht wohl nur am Rande erwähnt zu werden. Seitdem nagelt der Diesel wieder und ist, so weit bekannt, das weltweit einzige Fahrzeug seiner Bauart mit Straßenzulassung.
Text & Fotos: Friedrich W. Thüner
52 Bilder Fotostrecke | Diesel-Rarität: 1938 Mercedes-Benz 260 D Pullman Limousine Droschke (W 138)
Mercedes-Fans Facts / Technische Daten
1938 Mercedes-Benz 260 D Pullman Limousine Droschke (W138)
Motor: OM 138; 2445 ccm; 45 PS bei 3000 U/min
Getriebe: ZF Viergang voll synchronisiert
Bremsen: Trommeln, hydraulisch
Räder: 16 Zoll
Reifen: 6,50-16
Fahrwerk: vorn: Doppel Blattfedern; hinten: je Seite 2 Schraubenfedern
Karosserie: Holz/Stahlblech
Innenraum: Droschke Serie
3 Kommentare
MichaNeumann
13. April 2018 09:27 (vor über 6 Jahren)
JKolle
18. November 2016 23:37 (vor über 8 Jahren)
Egide aus belgien
17. November 2016 20:25 (vor über 8 Jahren)
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