Manchmal kann man sich seine Freunde eben nicht aussuchen. So erging es auch diesem Mercedes 350SL der Baureihe W107, der 1973 dem Privat-Fuhrpark des rumänischen Diktators Nicolae Ceauşescu einverleibt wurde. Der Autokrat hat in den Jahren seiner Herrschaft dem Land und seinen Menschen großen Schaden zugefügt. Mit seiner Versteigerung konnte der Roadster des 1989 gestürzten Despoten zumindest ein wenig Wiedergutmachung leisten, denn der Erlös kommt der Förderung von Waisenkindern zugute.

Der W107 setzt stilistische Trends für die Marke Mercedes

Nicht nur dank seines 200 PS starken V8-Aggregats fuhr der seit 1971 in Produktion befindliche Mercedes 350SL vorneweg. Auch mit zukunftsweisenden Sicherheitsfeatures und stilbildenden Design-Lösungen, welche in den Siebziger Jahren das Gesicht der Mercedes-Familie prägen sollten, wies der W107 als Nachfolger des legendären Pagode-Mercedes den Weg in Richtung Zukunft. Schnell wurde der edle Sportwagen zum Status-Symbol der Reichen, Schönen – und Mächtigen wie im Falle Nicolae Ceauşescus.

Exklusive Erbmasse

Als Nicolae Ceauşescu diesen 350SL im Jahre 1973 erwarb, war er bereits seit sechs Jahren Staatschef des kommunistisch regierten Rumäniens. Es gelang ihm, sich über zwei Jahrzehnte an der Staatspitze zu halten, bis sein brutales Regime im Jahre 1989 vom Volk gestürzt werden konnte. Die “Hinterlassenschaft“ des Diktators bestand vor allem aus einem gigantischen Scherbenhaufen in Gesellschaft und Wirtschaft – zu ihr gehörte aber auch ein beachtlicher Fahrzeugbestand, in dem die erlesensten Automobile diverser Top-Marken versammelt waren. Darunter befand sich dieses kaum gefahrenen Mercedes-Cabriolet aus dem Jahr 1973.

Der Benz schob eine ruhige Kugel

Offenkundig hatte das "Genie der Karpaten", so einer der vielen Ehrentitel des Despoten, mehr Freude am bloßen Besitz des Mercedes als am eigentlichen Fahren. Denn tatsächlich zeigte der Kilometerzähler des W107 einen Stand von lediglich 4.038 Kilometern, als der Mercedes 1999 im Rahmen der Versteigerung des Ceauşescu-Nachlasses durch die – nunmehr demokratisch legitimierte - rumänische Regierung einen neuen Eigentümer fand.

Der 350SL nimmt wieder Fahrt auf

Unter dessen Regie wurde der Wagen wieder mit Original-Mercedes-Teilen flottgemacht. Und so kam endlich wieder Bewegung in die Sache, so dass der Tachostand des 350SL in den Folgejahren auf 17.500 Kilometer stieg. Seit 2007 wurde das Cabriolet jedoch wieder zu andauerndem Standdienst verdonnert. Vor seiner erneuten Versteigerung erhielt es deshalb einen ausführlichen Rundum-Check durch einen Mercedes-Klassik-Spezialisten, der dem automobilen Ruheständler wieder Leben einhauchte und in allen technischen Belangen in Bestzustand versetzte.

Der Mercedes – ein Auto mit ganz besonderen Extras

Neben der herausragenden Komfortausstattung, die der Mercedes 350SL bereits ab Werk mitbringt, verfügt der Benz über spezielle Sicherheitssysteme, die damals zum Schutz des "Titans der Titanen" (ein weiterer Ehrentitel aus jener Zeit) verbaut wurde. Außerdem bringt der Mercedes ein Becker-Radio (Mexiko) und ein zweites Becker-Kurzwellenradio, das im Handschuhfach nistet, mit.

50.000 Euro für einen guten Zweck

Von ausgleichender Gerechtigkeit zu sprechen, wäre gewiss vermessen. Denn die Verbrechen, die das Regime an den Menschen beging, sind zu groß, als dass sie vergessen gemacht werden könnten. Trotzdem ist es jedoch ein gutes Zeichen der Hoffnung, wenn der Erlös – immerhin knapp 50.000 Euro - aus der kürzlichen Versteigerung des Mercedes der gemeinnützigen Stiftung “Crosscause“ voll umfänglich zukommt. Die Stiftung initiiert und leitet Projekte zur Förderung behinderter Waisenkinder in Rumänien. (Bildquelle: Bonhams)

15 Bilder Fotostrecke | Mercedes 350 SL: Ex-Staatskarosse: Vorbesitzer des Mercedes SL W107 war der rumänische Diktator Nicolae Ceauşescu #01 #02