Kann es einen reizvolleren Gegensatz geben? Verborgen unter der Silhouette eines Allerwelt-Taxis steckt eines der leistungsfähigsten Serienfahrzeuge der Neunziger Jahre, das auch heute noch keine Probleme hat, Hochleistungssportwagen in Schwierigkeiten zu bringen. Der Mercedes E 60 AMG war schon bei seiner Geburt ein Mercedes-Klassiker und zählt heute rund 15 Jahre nach seiner Premiere immer noch zu einem der begehrenswertesten Autos überhaupt.
Aber Sie müssen stark sein! Zum einen, weil jeder glaubt, Sie sitzen in einem Allerwelts-Mercedes, den sie im Anflug spätpubertärer Protzgelüste mit Sportfelgen ausgestattet haben, zum anderen, weil die Motorleistung und das Drehmoment nach ihrem rechten Fuss schreien. Aber geben Sie dem Biest Zucker, dann frisst es nicht nur begierlich Ihre Hinterreifen auf, sie stranden auch regelmäßig auf der Autobahn hinter einem Linksfahrer, der sich wenn überhaupt wundert, was sie mit dem ollen Benz denn bei 200 km/h noch auf der linken Spur wollen. Ja, das Leben ist geprägt von Missverständnissen denn oft werden die Qualitäten des E60 AMG verkannt.
Unter den Mercedes-Fans jedoch gibt es - dazu im Gegensatz - viele, die schwören, der von 1993-95 angebotene E 60 AMG sei der Beste von allen!
Und das nicht nur wegen seiner hervorragenden Verarbeitung, die im Übrigen von manchem Journalist damals mit der von Rolls Royce verglichen wurde. Wir wollen da ja nicht nachtreten, aber vermutlich hat der Kollege nie in einem Rolls Royce aus den 90ern gesessen, sonst hätte er sich diese Bemerkung verkniffen! Also wir würden sagen, erfreulicherweise ist die Verarbeitungsqualität gediegener als bei der einstigen britischen Nobelmarke. Aber auch das macht nicht wirklich den Charme des E60 AMG aus
Wie man rund 250.000 DM versenken konnte, ohne dass es der Nachbar merkte
Der E60 AMG ist tatsächlich so etwas wie ein Sonderfall in der Mercedes-AMG-Geschichte. Ein Schläfer, der auf Understatement setzt, aber brutal hinlangt, wenn es denn sein muss.
Was auch AMG-Kenner überrascht, denn in den Siebzigern und Achtzigern traten die AMG-Modelle deutlich kerniger und herausfordernder auf und sie tun es auch heute wieder. Vielleicht hatte die optische Zurückhaltung aber auch damit zu tun, dass die zu diesem Zeitpunkt noch eigenständig operierende Tuning-Schmiede AMG seit 1990 mit Mercedes-Benz einen Kooperationsvertrag abgeschlossen hatte.
Tatsächlich bekam AMG für den E60 von Mercedes-Benz Rohkarossen. Angesichts der enger werdenden Zusammenarbeit lag das Augenmerk vielleicht doch ein bisschen mehr auf optischer Zurückhaltung!? Oder anders gesagt, besser kann man eigentlich gar nicht kasschieren, dass man 200.000 DM oder gar 250.000 DM (also rund 100.000 - 125.000 ) für eine leidenschaftliche Fahrmaschine ausgegeben hatte.
Diese Fahrmaschine bot nun also nicht nur eine erstklassige Verarbeitung und den anonymen Schutz eines massenhaft verbreiteten Erfolgsmodells, sondern gleichzeitig auch den Nutzwert der E-Klasse. Denn das AMG-Team war clever genug, an der Alltagstauglichkeit des E 60 AMG keinen Zweifel aufkommen zu lassen. Im Gegenteil, das Interieur empfing seine Insassen mit elegantem und bequemen schwarzem Leder, verwöhnte das Auge mit stilvollem Edelholz und begeisterte mit einer nahezu klapperfreien Endmontage. Fast wäre man geneigt, die Qualität mit - äh Bentley zu vergleichen .
Leistungsangabe leicht geschummelt
Der Knaller aber steckte natürlich unter der Haube. Der 6-Liter-Dampfhammer war eine Weiterentwicklung des M119-E50-Motors, der den 500 E befeuerte. Dieses auf dem Pariser Salon im Oktober 1990 präsentierte Prachtstück war mit seinem 326 PS starken 5,0-l-V8-Vierventilmotor für die AMG-Truppe nicht nur eine hervorragende Ausgangsbasis, sondern auch eine Herausforderung. Der anfänglich mit 374 und später mit 381 PS angegebene V8 im E60 begeisterte mit einer sensationellen Leistungsentfaltung. 580 Nm maximale Durchzugskraft bei 3.800 U/min stand im Prospekt, soviel Kraft hatte vor 15 Jahren mancher Supersportwagen nicht. Und nun das Beste. AMG-Kenner schwören, dass die meisten dieser Triebwerke sauber nach oben streuten und oft mehr als 400 PS gemessen wurden. Was wenn es denn stimmt die Lebensdauer der Hinterreifen auch nicht unbedingt verlängert haben wird.
Nun, dem Leichtmetall-V8 kann dies herzlich egal sein. Er grummelt im Stand wohlig vor sich hin, kann aber unter Druck auch böse bollern!
Das Ergebnis sind dann Leistungswerte, die begeistern. Der Sprint von 0-100 km/h erledigt sich nach 5,6 s. Vmax ist elektronisch auf 250 km/h begrenzt! Der Katterfeld-E60 ist allerdings offen und gut für 295 km/h! Noch beeindruckender ist die Elastizität zwischen 60 und 120 km/h. Die Viergang-Automatik setzt die vorhandene Kraft ohne Zögern in Vortrieb um!
Der Rare unter den Seltenen
Wieviele E60 die heiligen Hallen von Affalterbach verlassen haben mögen, ist nicht mehr zweifelsfrei nachzuhalten. Unsere Recherchen legen den Schluss nahe, dass die Fraktion, die auf eine Gesamtstückzahl von 147 E60-Exemplaren setzt, vermutlich richtig liegt.
Wieviele davon heute noch existent sind? Leider ließ sich das bis zum Redaktionsschluss nicht mehr ermitteln. Wir werden es nachtragen, ein weiterer echter Vorteil eines Online-Magazins.
Heinrich Katterfeld, Mitglied im w124cc-club, konnte seinen schwarzen E60 im Juni 2000 nach zwei Vorbesitzern aufspüren und an Land ziehen. Bis auf die 8,5x 17-Carlsson-Felgen, die vorderen Recaro-Sitze und den schwarzen Lederhimmel ist das Auto in einem hervorragenden Originalzustand.
Recaro-Sitze und ein Lederhimmel wurden nachgerüstet!
Klar, im ersten Jahr bin ich vor lauter Begeisterung gut 50.000 km mit dem Auto gefahren. Jetzt sind es allerdings nur noch rund 5.000 km!, so E60-Enthusiast Katterfeld. Nicht etwa, weil der E60 schwächelt, sondern weil Heinrich Katterfeld den unrestaurierten Zustand seiner Super-E-Klasse möglichst lange erhalten will. An Ausfahrten des 124cc-Club nimmt er jedoch gern teil und es ist schon interessant zu beobachten, dass auch dort bei den Spezialisten, so mancher am E60 ohne zu zucken vorüber geht. Er ist eben doch ein echter Schläfer!
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Mercedes-Fans-Facts
Mercedes E60 AMG
Motor: V8, 4 Ventile pro Zylinder, 5956 ccm Hubraum, Verdichtung 10,0 : 1
Leistung: 381 PS bei 5500/min, 580 Nm bei 3750/min
Getriebe: 4-Gang-Automatik mit Programmwahl
Fahrwerk: vorn Einzelradaufhängung mit McPherson-Federbeinen, Raumlenker-Hinterachse mit Zug- und Schubstreben, Gasdruckstoßdämpfer und Stabilisatoren rundum
Bremsanlage: innenbelüftete Scheibenbremsen rundum,
Felgen: 8,5 x17" Leichtmetallfelgen
Bereifung: 225/45 ZR17 (v) & 265/45 ZR17
Fahrleistungen: Höchstgeschwindigkeit 250 km/h elektronisch abgeregelt, 0-100km/h in 5,7 Sek.
Durchschnittsverbrauch: 15,1 l Super auf 100km,
Leergewicht: 1700 kg
Basispreis: ca. 180.000 DM
produzierte Stückzahl: 147
30 Bilder Fotostrecke | Der Schläfer: Mercedes Tuning auf die besondere Art: Mercedes E60 AMG
8 Kommentare
Chrisnix
7. Februar 2019 18:02 (vor über 5 Jahren)
Sascha Kellert
6. Februar 2019 19:39 (vor über 5 Jahren)
Jens Eckert
5. Februar 2019 21:38 (vor über 5 Jahren)
Biggibenz
3. September 2009 20:29 (vor über 15 Jahren)
Unverwuestlich
30. August 2009 15:09 (vor über 15 Jahren)
HerrLehmann
21. August 2009 13:57 (vor über 15 Jahren)
McDell
21. August 2009 12:39 (vor über 15 Jahren)
HanSchopp
20. August 2009 22:38 (vor über 15 Jahren)
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