Der hier vorgestellte Mercedes-Benz 300 SL des Kiekhaefer Mercury Outboards Racing Teams qualifiziert sich gleich für mehrere Kategorien. Er repräsentiert nicht nur einen der aufregendsten Sportwagen seiner Zeit, sondern hat auch Motorsport-Geschichte geschrieben. So ist er bis heute der einzige Mercedes-Benz, der bei einem NASCAR-Rennen teilgenommen hat und obendrein in einem ganz besonderen Team gewinnen konnte.
Carl Kiekhaefer hatte Anfang der 50er die Idee, sein Bootsmotorengeschäft über den Rennsport zu promoten. Im Blick hatte er die zunehmend populärer werdende National Association for Stock Car Auto Racing, kurz NASCAR, die damals noch weit von der Gelddruckmaschine, wie wir sie heute kennen, entfernt war.
Bei deren Rennen, die teilweise auf festgefahrenen Strandkursen stattfanden, traten überwiegend engagierte Garagisten mit ihren aufgemöbelten Straßenkreuzern an, die auf eigener Achse an- und vielleicht auch wieder abreisten. Ganz anders lief das beim Team Kiekhaefer Mercury Outboards. Der Unternehmer investierte in Renntransporter, Team-Kleidung, Zelte, und erfolgreiche Profifahrer wie Tim Flock brachten so professionelle Strukturen in den überwiegend hemdsärmeligen, amerikanischen Motorsport.
Das galt auch für die Honorare: Kickhaefer engagierte Tim Flock für die Saison 1955 und legte dafür 40.000 $ auf den Tisch.
Damit nicht genug, Kiekhaefer investierte auch in seine Autos, die seinen Rennstall repräsentieren sollten. Während das breite Feld mit Mittelklasse-Limousinen und Coupés von Plymouth, Dodge, Ford und Chevy antrat, setzte Kiekhaefer auf Mercedes-Benz und Chrysler - damals eine durchaus respektierte Nobelmarke. Interessanterweise trugen sowohl der Gullwing als auch die Chrysler Coupés eine Dreihundert in ihrer Modellbezeichnung: „Mercury 300 Outboards“ war auf den Flanken der Kiekhaefer Autos zu lesen.
Während die Chrysler bei allen NASCAR-Rennen starteten, ging der 300 SL beim bislang einzigen NASCAR Sportscar-Rennen an den Start. Kiekhaefer besaß zwei Flügeltürer, einer davon ein rares Aluminium-Coupé. Er ließ beide Fahrzeuge in einem Geschwindigkeitstest gegeneinander antreten, bei dem allerdings der Aluminium-300 SL das Nachsehen hatte. So kam es, dass sein Fahrer mit dem weniger exklusiven 300 SL aus Stahlblech bei dem NASCAR Sportscar-Rennen im Juni 1955 antrat. Tim Flock sollte das Rennen in Raleigh gewinnen und ist damit bis heute der einzige Fahrer, der mit einem Mercedes ein NASCAR-Rennen gewinnen konnte.
Und jetzt kommt's: Das hier gezeigte Auto ist keine Replika, sondern das Original. Ein Glücksfall, der dem Wohlstand von Carl Kiekhaefer zu verdanken ist, war er doch nicht darauf angewiesen, zum Saisonende seine Autos zu verkaufen, um das Team mit neuen Autos auszustatten. So stellte er nach Beendigung seiner Renn-Aktivitäten 1956 seine Chrysler samt den beiden Mercedes einfach weg. Die Mercedes-Fahrzeuge existieren heute noch, einen echten Kiekhaefer Chrysler 300 in voller Kriegsbemalung hat der Autor vor 10 Jahren das letzte Mal gesehen.
Irgendwann bekam der heutige Besitzer Wind von diesem besonderen 300 SL und seiner einzigartigen Geschichte und es gelang ihm tatsächlich, diesen raren Benz zurück nach Deutschland zu holen – in original Optik und dazu noch den Rennanzug und Helm, beide ebenfalls Originale.
Keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar