Bei der Präsentation des neuen Mercedes-AMG F1 W14 vor wenigen Tagen waren alle Beteiligten noch sehr optimistisch, dass die Mängel des Vorjahreswagens, mit dem nur ein einziger Sieg gelang, ausgemerzt sind und man nun endlich wieder auf Augenhöhe mit den überlegenen Red Bull und Ferraris liegt. Nach den einzigen drei Testtagen vor der am kommenden Wochenende beginnenden Saison stellte sich schnell Ernüchterung ein. Während Red Bull und Ferrari mit stabilen und sehr schnellen Zeiten glänzten, schien der neue Mercedes wieder einige Probleme zu haben. Wir versuchen zu analysieren.
Wintertestfahrten sind immer mit Vorsicht zu genießen. Jedes Team verfolgt einen anderen Plan und die Zeiten sind in den seltensten Fällen direkt vergleichbar. Aber über die drei Tage bekommt man schon einen gewissen Eindruck von den Kräfteverhältnissen und den Gegebenheiten in den Teams. So auch diesmal in Bahrain.
Red Bull weiter vorn
Gewiss ist, dass Red Bull nach wie vor an der Spitze steht. Absolut problemlos spulten die Bullen ihr Pensum ab, schüttelten Bestzeiten nur so aus dem Ärmel und lagen auch bei den Longruns immer vorn. Keine Wunder, schließlich konnten sie mangels Regeländerungen auf dem besten Auto der letzten Saison aufbauen. Bei Ferrari scheint man die Probleme des letzten Jahres ausgemerzt zu haben, wenn man den Teamverantwortlichen glauben mag. Größere Probleme hatten jedenfalls auch die Roten bei den Tests nicht und auch die Zeiten waren stabil schnell.
Wieder Probleme beim Silberpfeil
Beim Mercedes-AMG Petronas F1 Team hingegen zeigte sich ein etwas indifferentes Bild. Am ersten Tag lief es noch gut und alle waren voll des Lobes über den neuen W14. Vor allem das im letzten Jahr gefürchtete "Bouncing", also das Wippen bei hohem Tempo, war verschwunden. Am zweiten Tag plötzlich rutschen die Piloten nur noch herum, fanden keine Balance und kein brauchbares Setup. Am Nachmittag machte dazu noch ein technischer Defekt weitere Arbeit unmöglich. So war es am Abend bereits Zeit für die erste Krisensitzung der Saison.
Heraus kam, dass es laut Teamverantwortlichen kein fundamentales Problem mit dem Auto gibt, sondern man die Schwierigkeiten mit dem richtigen Setup beheben kann. Dafür allerdings bräuchte man mehr Testzeit, die aber nicht zur Verfügung steht. So wird die Abstimmung beim ersten Rennen nächstes Wochenende zum Glücksspiel. Wenn es auf Anhieb passt, könnte Mercedes vorn mitfahren. Ansonsten bleibt nicht viel Zeit für Korrekturen. Wenn man Lewis Hamilton bei seinen Interviews so zuhört, sprüht der Brite allerdings nicht gerade vor Optimismus.
Underdogs mit guten Zeiten - Fake?
Die starken Zeiten von zum Beispiel Aston Martin oder Alfa Romeo bei den Tests darf man nicht überbewerten. Im Gegensatz zu den Werksteams sind solche Mannschaften noch stärker von Sponsoren abhängig. Testfahrten vor der Saison sind ein beliebtes Mittel, sich mit starken Zeiten bei (neuen) Sponsoren in ein möglichst gutes Licht zu stellen. Unter welchen Umständen diese Zeiten zustande gekommen sind, kann bei Testfahrten keiner nachvollziehen. Neuzugang Fernando Alonso könnte aber bei Aston Martin für einen gewaltigen Motivationsschub und durch seine fahrerischen Fähigkeiten auch für einen Sprung im Ranking sorgen.
Blick in die Glaskugel
Unsere Erwartung für den Saisonstart: Red Bull wird wieder den Ton angeben. Ferrari, meist zum Saisonstart besonders stark, kann die Bullen sicher unter Druck setzen. Dahinter wird sich Mercedes einsortieren, die im Laufe der Saison die kleineren Probleme des W14 (hoffentlich) in den Griff bekommen. Wenn die Mercedes-Ingenieure in den verbleibenden Tagen am Computer noch das richtige Setup austüfteln, könnte Mercedes sogar schon beim ersten Rennen in Schlagdistanz liegen. Aston Martin mit Alonso ist ein Kandidat für Überraschungserfolge.
Hier ein paar Statements am letzten Testtag:
Andrew Shovlin, Trackside Engineering Director
In der Nacht haben wir einiges an Arbeit geleistet, um die Spezifikation des Autos zu verfeinern und unsere Richtung beim Setup wiederzufinden. Dabei scheinen wir Fortschritte erzielt zu haben. Beide Fahrer hatten das Gefühl, dass das Auto heute unter allen Bedingungen viel besser lag und die Balance näher an dem ist, was sie auf einer Runde und auf Long Runs benötigen. Es ist klar, dass wir noch an der Pace des Autos arbeiten müssen, aber der heutige Tag hat uns ein viel kohärenteres Bild davon vermittelt, worauf wir unsere Anstrengungen konzentrieren müssen. Wir werden die Zeit vor dem nächsten Wochenende nutzen, um die gesammelten Daten durchzugehen und versuchen, noch etwas mehr Rundenzeit herauszuholen.
George Russell
Wir hatten heute einen viel positiveren Tag. Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht und Fortschritte bei den Problemen erzielt, mit denen wir gestern zu kämpfen hatten. Ich glaube, dass wir das Auto im Laufe der Testfahrten verbessert und den W14 heute in ein viel besseres Fenster bekommen haben. Es gibt noch viel zu tun, aber wir befinden uns in einer besseren Verfassung für nächste Woche und können noch mehr nachlegen.
Lewis Hamilton
Das waren ein paar interessante Tage hier in Bahrain. Es gab viel zu entdecken, und das gesamte Team ist mit der gleichen Mentalität an die Sache herangegangen: hart arbeiten, nicht selbstgefällig sein und konzentriert bleiben. Wir sind noch nicht ganz da, wo wir hinwollen, aber es ist eine gute Ausgangsbasis. Wir wissen nicht, wo wir nächste Woche stehen werden, aber wir werden positiv bleiben und weiterhin das Maximum aus uns herausholen.
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