1980: Menschen, Würfel, Innovationen

Die Mercedes-Chronik des Jahres 1980

1980: Menschen, Würfel, Innovationen: Die Mercedes-Chronik des Jahres 1980
Erstellt am 1. Mai 2010

1980 gibt Bob Marley sein letztes Konzert, während die Goombay Dance Band halb Deutschland mit „Sun of Jamaica“ begeistert. Die andere Hälfte hört „Another Brick in the Wall, Teil 2“ von Pink Floyd oder versucht den gerade erschienenen Zauberwürfel zu knacken. Im Berliner Zoo freut man sich über den ersten Panda (nicht Fiat, sondern Bär) und die Chinesische Mauer wird unter Denkmalschutz gestellt. Letzteres hätten einige Mercedes-Modelle auch verdient. Beispielsweise die in diesem Jahr endgültig abgelöste S-Klasse W 116 oder der Renn-SLC von AMG. Weitere Geschichten auf und abseits von vier Rädern erzählt unsere Chronik des Jahres 1980.

Generationswechsel in der S-Klasse

Zum Modelljahr 1980 erfolgt ein Wechsel im Mercedes-Oberhaus, sprich in der S-Klasse: Der seit 1972 gebaute W 116 übergibt das Zepter an seinen Nachfolger, den W 126. Mercedes-Fans mit glänzendem Zahlengedächtnis werden nun vielleicht einwenden, dass die „Wachablösung“ doch bereits 1979 stattfand. Das stimmt und stimmt auch wieder nicht. Tatsächlich liefen einige Modelle des W 116 noch bis September 1980 in Sindelfingen vom Band. Der definitiv letzte von insgesamt 473035 Ausgaben der Baureihe 116 war ein 300 SD. Der W 116 setzte – typisch für die Mercedes S-Klasse – Maßstäbe bezüglich Sicherheit, Technik und Komfort.

Sein Nachfolger kommt nicht minder innovativ daher. Seine beiden Karosserieversionen, normale und verlängerte Variante, besitzen einen cW-Wert von 0,37, was der neuen S-Klasse im Zusammenspiel mit gewichtsreduzierten Materialien zu einem Verbrauchsvorteil von 10 Prozent gegenüber dem W 116 verhilft. Die Motorenpalette der neuen S-Klasse, die im September 1979 auf der IAA ihre Premiere feiert, reicht anfangs vom 2,8-Liter-Sechszylinder mit Vergaser und 156 PS bis hin zum 5,0-Liter-V8 mit Benzineinspritzung und 240 PS.

Von Invasionen und Demonstrationen

Wären doch nur mehr Plätze auf der Welt so sicher und ruhig, wie die erste Reihe in einer S-Klasse.



Der Afghanistan-Krieg, der uns bis heute beschäftigt, wird 1980 durch eine Großoffensive des sowjetischen Militärs weiter angefacht. Von dieser Invasion sind die USA alles andere als begeistert: Sie verhängen prompt Sanktionen gegen die Sowjetunion. Auch der Iran und der Irak kriegen sich in die Haare (Bärte?). Das Resultat ist der erste Golfkrieg.

In Deutschland muss es erst gar nicht zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen. Für ordentlich Krawall reicht schon ein öffentliches Gelöbnis der Bundeswehr. Das jedenfalls nehmen Anhänger der Friedensbewegung in Bremen zum Anlass, um sich zünftig mit der Polizei zu prügeln.

Neue Benziner und ein Turbo-Diesel für den W 123

Das Jahr 1980 ist für den W123 geradezu ein Jungbrunnen: Zahlreiche Modelle erhalten neue Motoren. So tritt der 200er dank des neuen M102-Vierzylinders ab sofort mit 109 PS an, derselbe Motor bringt es – erstmals mit einer Benzineinspritzung ausgerüstet – im 230 E sogar auf 136 PS.

Eine noch heftigere „Leistungsexplosion“ findet bei den Dieseln statt. Im Oktober 1980 feiert der Mercedes-Benz mit Turbo-Diesel seine Deutschland-Premiere. Gut im Futter stehende 125 PS sind sowohl im 300 TD-Kombi, als auch in der 300 D-Limousine und im 300 CD-Coupe verfügbar – letztere werden ausschließlich für den US-Markt gebaut werden. Da viel Leistung (meist) auch viel Geld kostet, ist der Turbodiesel 1980 mit einem Grundpreis von 37200 DM fast das teuerste Modell der Baureihe. Lediglich das 280 CE-Coupe kostet noch 100 DM mehr. Von außen ist der neue Turbo-Diesel an seinen rechteckigen Breitwandscheinwerfern und den verchromten Lufteinlassgittern vor der Frontscheibe zu erkennen.

„Die Grünen“ kommen, andere Grüne räumen auf

Dieser Mercedes ist grün lackiert, parkt im Grünen und hat vielleicht auch den "Grünen" gefallen: 300 SD mit (vergleichseweise) sparsamem Dieselmotor für den US-Markt.



1980 ist das Geburtsjahr einer neuen politischen Partei, die sich „Die Grünen“ nennen. Gegründet werden sie von Menschen, die (zu Recht) der Überzeugung sind, dass Ökologie eine größere Rolle in der Politik spielen sollte. Petra Kelly und Otto Schily gehören zu den prominenten Gründungsmitgliedern.

Anderswo, genauer gesagt im niedersächsischen Lüchow-Dannenberg, werden Grüne (Atomkraftgegner) von anderen Grünen (Polizei und Bundesgrenzschutz) aus ihrer „Republik Freies Wendland“ vertrieben. Die Republik, die im Wesentlichen aus einem selbstgezimmerten Dorf besteht, wird durch die Staatsgewalt aufgelöst.


Der 450 SLC AMG siegt – zum ersten und letzten Mal

Rennautos auf SLC-Basis, die pfeilschnell über Rallye-Pisten pflügen, sind anno 1980 schon einige Zeit bekannt. Anders sieht es mit einem SLC für die Rennstrecke aus. Genau der entsteht vor 30 Jahren bei AMG. Das Ziel der Mannen rund um AMG-Chef Hans Werner Aufrecht lautet: In die Tourenwagen-Europameisterschaft einsteigen und dort kräftig die etablierten Jaguar und BMW ärgern. Zu diesem Zweck speckt das Coupe auf reglementskonforme 1225 kg ab, die Motorleistung des 4520 ccm großen V8 steigt von 217 auf brachiale 375 PS. Doch der absolute Hit ist das Getriebe: Die serienmäßige Dreigang-Automatik bleibt unverändert an Bord, da das gewünschte Fünfgang-Schaltgetriebe nicht homologiert ist. Bereits bei den ersten Rennen im Jahr 1978 schaffen es die AMG Fahrer Hans Heyer und Clemens Schickentanz aufs Podium. 1980 kommt der 450 SLC AMG noch besser in Schwung und wir beim Auftaktrennen in Monza Zweiter. Der automobile Ritterschlag erfolgt beim Großen Preis der Tourenwagen-Europameisterschaft auf dem Nürburgring: Das Team Schickentanz/Denzel fährt den SLC zu seinem ersten und gleichzeitig letzten Sieg.

Hallo Beatrix, Nikolai und Ronald!

Die Standartenträger an den vorderen Kotflügeln beweisen es: Der W 116 war wie gemacht für die Großen und Mächtigen dieser Welt.



An der Spitze vieler Nationen ist 1980 großes Stühle rücken angesagt. In den Niederlanden übernimmt Beatrix von Oranien-Nassau den Thron von ihrer Mutter Königin Juliana. Nicht auf monarchischer, sondern auf politischer Ebene, vollziehen sich die Machtwechsel in der Sowjetunion und den USA: Nikolai Alexandrowitsch Tichonow übernimmt das Amt des sowjetischen Ministerpräsidenten von seinem zurückgetretenen Vorgänger Alexej Kossygin. Und die Amerikaner wählen den ehemaligen Hollywood-Schauspieler Ronals Reagan zu ihrem Präsidenten. Einer der nicht „ersetzt“ wird ist Helmut Schmidt. Er verteidigt sein Amt als Bundeskanzler gegen den Herausforderer Franz Josef Strauß.

Spezialitäten für Päpste & Co.

Die deutschen Katholiken sind 1980 total aus dem Häuschen: Papst Johannes Paul II. kommt zu Besuch. Immerhin der erste Papstbesuch in Deutschland seit 198 Jahren! Da heißt es rechtzeitig Losziehen, um einen guten Platz am Zugweg des Kirchenoberhauptes zu ergattern. Und wie bahnt sicht der Papst seinen Weg durch die Menschenmengen? Standesgemäß in einem extra für diesen Zweck aufgebauten G-Klasse Mercedes. Der Wagen auf Basis des G 500 besitzt eine umklappbare Frontscheibe sowie güldene Haltestangen für seine Heiligkeit und ist im Farbton des Vatikans lackiert, der passender Weise „Mystikweiߓ heißt.

Genauso exklusiv aber noch wesentlich luxuriöser ist eine andere Sonderanfertigung: Der Mercedes-Benz Typ 600 als gepanzerte Pullmann-Version mit erhöhtem Dach. Insgesamt entstehen nur zwei dieser speziellen Sonderschutzversionen: eine 1965, eine weitere 1980. Abgesehen von der Dachform sind sie, was Radstand (390 cm) und Motorleistung (250 PS) betrifft, identisch mit einem „normalen“ Pullman. Bis heute gehören beide Fahrzeuge zum Fuhrpark des Werks und werden nur für entsprechende Anlässe zur Verfügung gestellt.

Spitzensport auf allen Ebenen

Um zum sportlichen Idol zu werden, kann man bei Olympia gewinnen, den Mount Everest besteigen oder, wie dieser 450 SLC AMG, ein Tourenwagenrennen gewinnen.



1980 ist auch das Jahr der sportlichen Großereignisse. Im amerikanischen Lake Placid finden die 13. Olympischen Winterspiele statt, in Moskau die 22. Olympischen Sommerspiele. Letztere werden wegen des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan von vielen westlichen Nationen boykottiert. Anders bei der Fußball-Europameisterschaft in Italien: Alle Teams, die hin dürfen, kicken auch mit. Im Endspiel gelingt der Deutschen Elf ein 2:1-Sieg gegen Belgien. Dass sich der Bergsteiger Reinhold Messner für dieses Ereignis interessiert hat, darf bezweifelt werden. Er konzentriert sich voll auf die Erstbesteigung des Mount Everest ohne Sauerstoffgerät und kommt – wahrscheinlich atemlos – auch auf dem Gipfel an.

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