"Das Coupé ist seit jeher die schönste Art Mercedes S-Klasse zu fahren", sagte Ex-Mercedes-Benz Chef Dr. Zetsche bei der Präsentation des damals neue Mercedes Concept S-Class Coupés auf der IAA m Jahr 2013. Da können wir ihm nur beipflichten. Die S-Klasse spielt in ihrer eigenen Liga - und sprechen wir über die Coupés und Cabriolets der S-Klasse W111, dann sind wir nicht etwa in der 1. Bundesliga angelangt, sondern in der Champions League.
Im Jahr 1961 erblicken zwei echte Superstars das Licht der Erde: Das Cabriolet und das Coupé der Oberklassebaureihe W 111, direkte Vorgänger der S-Klasse. Neben dem bis heute beeindruckenden Design und der zeitlosen Eleganz sorgen die Modelle mit vier vollwertigen Sitzplätzen durch sein großzügiges Raumangebot für Aufsehen.
Cabrio und Coupé basieren auf der Heckflosse
Der Grund für die Raumfülle: Das Cabriolet basiert – wie auch das Coupé – auf der ungekürzten Bodengruppe der „Heckflossen“-Limousine. Die beiden eleganten Zweitürer übernehmen damit auch die Sicherheitskarosserie mit Knautschzonen an Front und Heck sowie gestaltfestem Passagierraum. Coupé und Cabriolet sind von Beginn an in der Baureihe W 111 vorgesehen. Das Ziel von Chefingenieur und Entwicklungsvorstand Prof. Dr. h. c. Fritz Nallinger ist Produktvielfalt über einen längeren Zeitraum hinweg – heute würde man von einer Plattformstrategie sprechen.
Die schönsten Klassiker weltweit?
Mit der ruhigen Eleganz des Designs von Coupé und Cabriolet ist der Marke ein ganz großer Wurf gelungen. Beide gehören bis heute zu den schönsten Mercedes-Benz Fahrzeugen und zählen weltweit zu den begehrtesten Klassikern. Die Gestaltung erweist sich als so perfekt zeitlos, dass Coupé und Cabriolet elf Jahre lang gebaut werden. Zudem beeinflussen sie das Design der ab 1965 gebauten Oberklasselimousinen der Baureihen W 108/W 109 nachhaltig und werden sogar parallel zu diesen bis 1971 gefertigt.
Idee verworfen: Ein W111 mit SL-Gesicht
Die Stilistik der zweitürigen Varianten ist Gegenstand vieler Diskussionen im Vorstand und bei den Gestaltern. Überlegt wird beispielsweise ein SL-Gesicht, um die Sportlichkeit zu betonen, doch das wird zugunsten der klassischen Ausführung mit Mercedes-Stern auf dem Kühlergrill verworfen. Die Kühlermaske sowie die vorderen Leuchteinheiten werden die einzigen Teile sein, die von der Limousine übernommen werden.
Völlig neu zeigt sich das Heck: Die „Peilstege“, wie die dezenten Finnen der Limousine offiziell heißen, sind an Coupé und Cabriolet deutlich abgerundet und lediglich im Ansatz erkennbar. Paul Bracq zeichnet für den Entwurf verantwortlich. Die zweitürigen Varianten sind sichtlich niedriger als die Limousine, im Fall des Coupés um 65 Millimeter und des Cabriolets um 50 Millimeter. In der Länge sind sie nahezu identisch, und daher ist ihr Kofferraum fast genauso groß wie bei der Limousine, was auch sie zu idealen Reisefahrzeugen macht.
Produktion im Sonderwagenbau in Bau 32
Um die Großserienproduktion nicht zu behindern, entstehen die Coupés und Cabriolets in Sindelfingen abseits der normalen Serienproduktion in der Abteilung Sonderwagenbau in Bau 32. Viele Arbeitsschritte geschehen in Handarbeit. Das, der exklusive Charakter sowie das gehobene Ausstattungsniveau schlagen sich im Preis nieder: Das 220 SE Coupé steht bei seiner Premiere im Jahr 1961 mit 23.500 DM in der Preisliste und das entsprechende Cabriolet mit 25.500 DM. Zum Vergleich: Die „Heckflossen“-Limousine 220 SE kostet 14.950 DM.
Für viel Geld gibts viel Auto
Für den stattlichen Preis bekommt der Kunde aber auch ein außergewöhnliches Fahrzeug – ob als Coupé oder Cabriolet. Die herausragende Ästhetik des Äußeren setzt sich im Interieur fort. Ein Highlight ist das Gehäuse des Kombiinstruments: Es besteht aus einem einzigen Holzwerkstück von komplizierter und wölbungsreicher Form, das mit Edelholz unter Vakuum so sauber furniert wird, dass keine Fugen und Kanten zu sehen sind. Lederausstattung und die als sportlich geltende Mittelschaltung (die Limousine hat eine Lenkradschaltung) sind serienmäßig. Optional zum manuellen Vierganggetriebe ist ab 1963 auch ein Automatikgetriebe mit hydraulischer Kupplung und Viergangplanetengetriebe erhältlich. Unter der Motorhaube arbeitet der aus der Limousine bekannte 2,2-Liter-Sechszylindermotor M 127 mit 88 kW (120 PS). Als erste Fahrzeuge von Mercedes-Benz erhalten die Zweitürer vorne serienmäßig Scheibenbremsen. 220 SE Coupé und Cabriolet werden bis Oktober 1965 gebaut und vom 250 SE Coupé/Cabriolet (M 129, 110 kW/150 PS) abgelöst.
1962 erweitert Mercedes-Benz das Modellangebot
Rüstiger Renner (Mercedes W108) 1967er Mercedes 250 SE mit AMG-Power und H&R-Sportfahrwerk
Bereits im Frühjahr 1962 erweitert Mercedes-Benz das Modellangebot um das 300 SE Coupé/Cabriolet, das der Baureihe W 112 zugeordnet ist. Äußerlich heben sich diese Typen durch Chromleisten in der seitlichen Längssicke des Aufbaus und an den Radausschnitten ab. Erheblicher ist dagegen die Steigerung der „inneren Werte“: 3-Liter-Sechszylindermotor M 189 mit 118 kW (160 PS) und Aluminiumblock, Viergangautomatikgetriebe, Luftfederung, Scheibenbremsen an allen vier Rädern sowie Servolenkung zeichnen die Serienausstattung aus. Dafür werden aber auch fast 10.000 DM mehr fällig: Das 300 SE Coupé kostet 32.750 DM und das Cabriolet 34.750 DM. Damit sind sie die teuersten Fahrzeuge im Modellprogramm. Ab Januar 1968 werden die Zweitürer mit dem 2,8-Liter-Sechszylindermotor M 130 und 118 kW (160 PS) als 280 SE Coupé/Cabriolet angeboten. Ab September 1969 wird die Getriebeauswahl um ein Fünfgangschaltgetriebe erweitert.
Topmotor wird der 3,5-Liter-V8-Motor M 116
Im November 1969 erleben Coupé und Cabriolet gegen Ende ihrer Laufzeit noch einmal eine Aufwertung. Topmotorisierung wird der neue 3,5-Liter-V8-Motor M 116 mit 162 kW (200 PS). Erkennbar ist das Kraftpaket an einer exklusiv für diese Motorisierung gestalteten niedrigeren Motorhaube mit breiterem Kühlergrill. Die Fahrleistungen begeistern. So schreibt etwa „auto motor und sport“ in Ausgabe 5/1970: „Das zivile und etwas altväterliche Coupé erwies sich mit diesem Motor als eine wahre Bombe: Es beschleunigte von 0 auf 100 km/h in 8,9 Sekunden und kam auf eine Spitze von 215 km/h.“
Die Produktionszeit der Coupés und Cabriolets der Baureihen W 111 und W 112 endet im Juli 1971. Vom Coupé werden insgesamt 28.918 Fahrzeuge gefertigt. Hinzu kommen 7.013 Cabriolets. Ihre Noblesse bewahren sich diese Fahrzeuge bis heute: Wer einen dieser exklusiven Zweitürer besitzt, kann sich glücklich schätzen.
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