Andreas Jörg im Interview: Was steckt hinter dem Begriff “Remanufacturing”?

Mercedes AT-Teile: Ein Tauschgeschäft, das sich lohnt?

Andreas Jörg im Interview: Was steckt hinter dem Begriff “Remanufacturing”?: Mercedes AT-Teile: Ein Tauschgeschäft, das sich lohnt?
Erstellt am 20. Dezember 2019

Tauschteile! Wer da die Fragen und Antworten im Netz verfolgt, kommt nicht gerade selten zu der Erkenntnis, dass zehn Leute schnell 12 Meinungen haben können. Vom groben Missverständnis, dass ein Tauschteil einfach ein gebrauchtes Ersatzteil ist bis hin zum frommen Wunsch, hier ein Neuteil zum halben Preis zu bekommen, reicht da die Palette.

Dass "AT-Teile" bestimmte Standards erfüllen und somit eine sinnvolle Alternative sein können, ohne dass der Kunde Qualitätseinschränkungen akzeptieren muss, geht in der Diskussion oft unter. Und nicht jeder weiß, dass auch Mercedes-Benz solche Tauschteile anbietet. Aufbereitet nach vorgegebenen Qualitätsmaßstäben, damit das Tauschteil in seiner Funktion einem Neuteil ebenbürtig ist. Mercedes-Benz bietet von der Lichtmaschine bis zu kompletten AT-Motoren zahlreiche überholte Tauschteile an.

Andreas Jörg, verantwortlich für Remanufacturing and Value Parts & Services bei der Daimler AG, spricht im vorliegenden Interview daüber, was es mit Remanufacturing auf sich hat. Er betont insbesondere den Beitrag, den die Wiederaufbereitung von Teilen dazu leistet, mit Ressourcen schonend umzugehen.

Herr Jörg, was steckt eigentlich hinter dem Begriff „Remanufacturing“?

Remanufacturing bedeutet bei uns, gebrauchte Mercedes-Benz Original-Teile aller drei Sparten, also Pkw, Van und Lkw, so aufzubereiten, dass sie in Funktion, Sicherheit und Qualität einem Neuteil entsprechen. Das stellen wir sicher, indem die Teile nach Serienstandards aufbereitet werden. Der Prozess, Tauschteile aufzubereiten, ist ressourcenschonend und effizient. Wir leisten damit einen wertvollen Beitrag zur Nachhaltigkeit unseres Geschäftsmodells. Es gelingt durch Remanufacturing nicht nur, Kosten zu reduzieren, sondern wir benötigen auch geringere Mengen Energie und Rohstoffe im Vergleich zur Produktion von Neuteilen. Damit tragen wir zu einer positiven Ökobilanz bei.

Wie viele Teile können denn aktuell aufbereitet werden und welche sind es?

Wir haben derzeit ungefähr 20.000 Teile im Angebot, die sich im Schwerpunkt rund um den Antriebsstrang drehen: Motor, Getriebe, Kupplung, Gelenkwelle, bewegliche Teile wie Starter, aber auch Elektronikbauteile wie zum Beispiel Motorsteuergeräte.

Können Sie mehr darüber erzählen, wie Remanufacturing zur nachhaltigen Geschäftsstrategie beiträgt?

Reine Kopfsache So wird aus einem gebrauchten Zylinderkopf ein Mercedes-Benz Original-Tauschteil Mercedes-Benz Original-Tauschteile sparen Geld und schonen die Umwelt. Wiederaufbereitete Teile ermöglichen einen schonenden Umgang mit Ressourcen und bieten... Gerne. Wenn man das ganze Leben eines Fahrzeugs betrachtet, durchläuft es verschiedene Phasen in seinem Lifecycle. Wir im After-Sales spielen in der aktiven Nutzungsphase der Fahrzeuge eine wichtige Rolle: Dadurch, dass wir Materialien aufarbeiten und wiedereinsetzen, leisten wir unseren Beitrag zu einem umweltschonenden Lifecycle. Unser Ziel ist es, Abfall und nicht notwendigen Rohstoff- und Energieverbrauch zu vermeiden, wo immer es möglich ist. Deshalb überführen wir Teile, wie beispielsweise Motoren und Getriebe, in einen zweiten Lebenszyklus. Auch bei HV-Batterien wird das künftig eine wichtige Rolle spielen. Je mehr es uns gelingt, Bauteile wiederzuverwenden, umso weniger Ressourcen verbrauchen wir im gesamten Prozess. Die unabhängige Prüforganisation TÜV Süd hat das mal nachgemessen und eine Ökobilanzstudie erstellt. So spart zum Beispiel die Wiederaufbereitung eines einzelnen Lkw-Tauschgetriebes G281 verglichen mit der Fertigung des Neuteils 445 kg Kohlendioxid und 7.300 Megajoule Energie. Anders gesprochen: Elf Bäume bräuchten zehn Jahre zur Umwandlung des durch die Tauschfertigung eingesparten CO2.

Wie genau funktioniert der Prozess mit den Tauschteilen aus Kundensicht?

Ein Beispiel: Sie kaufen als Mercedes-Benz Fahrer bei einer Reparatur anstelle eines regulären Neuteils ein aufbereitetes Tauschgetriebe für Ihr Fahrzeug. Der Teile-Preis setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: ein Teil für das Tauschgetriebe und ein kleinerer Teil als Pfand. Geben Sie das gebrauchte, ausgebaute Altteil an uns zurück, wird Ihnen der Pfandteil erstattet. Mit dem Pfand schaffen wir einen finanziellen Anreiz für den Kunden, weil wir sicherstellen müssen, dass die alten Teile wieder zu uns zurückkommen, damit wir sie wiederaufbereiten können. Die Tauschproduktion ist ein Kreislauf. Ein Tauschteil verbindet den Nachhaltigkeitsaspekt mit einem attraktiven Preis und guter Qualität. Das kommt auch bei unseren Kunden an.

Was ist das Core Consolidation Center (CCC)? Welche Rolle spielt es im Remanufacturingprozess?

Das Core Consolidation Center (CCC) in Offenbach ist die zentrale Anlaufstelle für alle Cores, also die alten Teile. Über unsere After-Sales Logistik erhalten wir aus der ganzen Welt die Teile von unseren Händlern, die Kunden gebraucht und zurückgegeben haben. Ausnahme ist China, da werden die Tauschteile lokal aufbereitet und nehmen nicht den Weg über unser CCC. Im CCC werden die Cores entgegengenommen, eingelagert und an die jeweiligen Aufbereitungsstandorte versandt. Nachdem die Cores in der Tauschproduktion aufbereitet wurden, erfolgt der Versand, wie für alle anderen Mercedes-Benz, smart und FUSO Ersatzteile, über das Global Logistics Center in Germersheim.

Unser Gebrauchtteile-Center (GTC) bei Stuttgart komplettiert das Angebot. Damit bilden wir die ganze Bandbreite der Kundenbedürfnisse und den kompletten Lifecycle des Fahrzeugs ab.

Wie wird entschieden, welches Teil aufbereitet wird und welches nicht?

Speziell geschulte Fachkräfte schauen sich jedes Einzelteil an und entscheiden, ob es brauchbar ist oder nicht. Von dieser Sichtung ausgenommen sind alle Verschleißteile, wie beispielsweise Dichtungen, diese werden immer ersetzt, da sie nicht dafür geeignet sind, zerlegt und wieder zusammengebaut zu werden.

Kann jedes Teil „ein zweites Leben“ haben?

Je nach Produkt liegt der Anteil der Teile, die wiederverwertet werden können, zwischen zehn und 100 Prozent. Unsere Ingenieure und Planer entwickeln laufend neue Verfahren, um die Aufbereitung der Teile zu optimieren, aber vor allem auch, um Teile in das Remanufacturing-Portfolio aufzunehmen, die wir bislang noch nicht aufbereiten können. Je mehr es uns gelingt, Bauteile wiederzuverwenden, umso weniger Energie und Ressourcen verbrauchen wir im gesamten Produktionsprozess. Unsere Priorität liegt daher auf einer hohen Aufbereitungsquote. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es wichtig für uns, bereits in den frühen Entwicklungsphasen eines Fahrzeugs eingebunden zu sein und unsere Anforderungen an die Teile einzubringen. Ein neues Teil so zu konstruieren, dass es wieder aufbereitungsfähig ist, gestaltet sich einfacher, als ein fertiges Produkt im Nachgang anzupassen.

Welche Bedeutung hat der chinesische Markt für das Thema Remanufacturing?

Aufgrund der Fuhrpark-Größe und der dort wachsenden Sensibilität hinsichtlich Nachhaltigkeit ist China ein wichtiger Markt für uns. Die chinesische Regierung beschäftigt sich zunehmend mit Themen der Ressourcenschonung und des Umweltschutzes und hat in ihrer Strategie „Made in China 2025“ das Thema Remanufacturing hoch priorisiert. 2016 wurde die Umsetzung dieser Strategie im Fünf-Jahres-Plan fokussiert. Das waren ideale Voraussetzungen für uns, um das Thema anzugehen und im Oktober 2018 unser Remanufacturing-Werk in der Nähe von Shanghai zu eröffnen. Aktuell befindet sich das Werk, die Mercedes-Benz Parts Manufacturing (MBPM), im Hochlauf. Dort wird ein ähnliches Portfolio wie bei uns in Deutschland produziert, alles an einem Standort gebündelt.

Wie entwickelt sich das Geschäft mit Hochvolt-Batterien?

Unser Teileangebot entwickelt sich immer analog zum Neuteil. Auch für unsere Kunden mit Elektrofahrzeugen haben wir den Anspruch, die jeweiligen Remanufacturing-Komponenten ergänzend zum Neuteil anzubieten. Wir haben aktuell mit HV-Batterien und angrenzenden Komponenten bereits rund 140 verschiedene Teile im Angebot. Die Nachfrage ist da und dürfte aufgrund der Elektromobilitätsoffensive stark wachsen, deshalb werden wir auch unser Tauschangebot an HV-Batterien in Zukunft weiter ausbauen. Wir wollen den Veränderungsprozess in Richtung Elektromobilität mit unseren Remanufacturing-Produkten mitgestalten. In Bezug auf die weltweite Rohstoffverfügbarkeit ist es wichtig, sicherzustellen, dass wir jeden Rohstoff maximal nachhaltig nutzen. Dies gilt insbesondere für HV-Batterien als wertvolles und teures Bauteil eines Elektrofahrzeugs.

Wo kann Remanufacturing noch besser werden und wo ist Remanufacturing bereits gut?

Ich glaube mit den Remanufacturing-Produkten, die wir aktuell im Markt haben, sind wir wettbewerbsfähig was Angebot, Preis und Leistung betrifft. Besser werden können wir in der Kommunikation. Viele Kunden wissen wenig über die verschiedenen Möglichkeiten bei Ersatzteilen und über deren Vor- und Nachteile. Dabei kommt es genau darauf an, wenn sie eine Entscheidung treffen müssen. Wenn sich der Kunde bei einer Wartung oder Reparatur entscheiden soll, welches Teil in sein Fahrzeug eingebaut werden soll, hat er auf dem Markt die Auswahl zwischen einem Mercedes-Benz Original-Teil, einem wiederaufbereiteten Mercedes-Benz Original-Teil und einem beliebigen Wettbewerbsteil. Die Auswahl ist mitunter groß und unübersichtlich.

Was ist Ihnen abschließend wichtig?

Unser Ziel ist es, unseren Kunden immer ein Ersatzteil von Mercedes-Benz anbieten zu können, das ihren Vorstellungen von Qualität, Funktion, Sicherheit und Preis entspricht. Wenn wir mit wiederaufbereiteten Teilen einen Beitrag zu einem nachhaltigeren Fahrzeug-Lifecycle und zur Schonung unserer Ressourcen leisten können, ist das ein wirklich gutes Ergebnis für uns, aber vor allem für die Umwelt.

Bilder: Daimler AG

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