Der designierte Daimler-Chef Ola Källenius darf sich freuen, denn mit dem Joint Venture mit Geely in Sachen smart hat er einen Teil der Daimler-Probleme, die in der Führungsetage derzeit Kopfzerbrechen bereiten, nach China ausgelagert und auf die Schultern seines chinesischen Partners gepackt. Doch sobald Källenius die volle Befehlsgewalt inne hat, warten noch größere Aufgaben, für deren Bewältigung man vermutlich ganz bewusst keinen Ingenieur, wie Zetsche einer ist, sondern eine Person mit betriebswirtschaftlichen Background auf den Chefsessel geholt hat.
Drei Dinge sollen Daimler profitabler machen: Sparen. Sparen. Sparen.
Daimler muss sparen. Insbesondere Mercedes-Benz muss sparen. Einerseits zu wenig Gewinn. Zu gering die Rendite. Zu niedrig sind Aktienkurs und Dividende. Andererseits zu viele Modelle. Zu viele Motoren. Zu viel Fertigungstiefe. Zu viel macht Mercedes-Benz in der
Produktion selbst. Zu viele Mitarbeiter? Källenius als gelernter Betriebswirt ist ein Mann der Zahlen. Wo sich vermeintliche Wucherungen in Vertrieb, Verwaltung und Produktion im Laufe der Zeit angesetzt haben, wird er vermutlich zeitnah eine ziemlich radikale Verschlankung und damit einen ambitionierten Sparkurs verordnen. Was heißt das faktisch: Als Sofortmaßnahmen lassen sich Budgets kürzen oder auch Anteile an Kleinwagenmarken verkaufen. So weit. So kurzfristig. So passiert. Doch das wird nicht reichen. Der Hebel wird ganz sicher auch in der Verwaltung angesetzt. An der Schraube Reise- und Bewirtungskosten wird man drehen. Man muss wohl ferner erwarten, dass Källenius die kostenintensiven Bereiche wie Entwicklung und Produktion der Marke Mercedes-Benz komplett neu ausrichtet. Und er wird um sich eine Mannschaft versammeln, die den Sparkurs konsequent und effizient umsetzt. So gesehen hat die Juristin Katrin Adt nach nur sechs Monaten im Amt als smart-Chefin einen tollen Job gemacht und sich mit der raschen Eledigung der causa smart vermutlich für höhere Aufgaben im Konzern empfohlen. Auch bei Mercedes-Benz Vans gibt es, wie heute bekannt wurde, einen Wechsel an der Spitze. Auf Volker Mornhinweg, der seine Karriere beim Daimler als Maschinenschlosser begann, folgt zum 01. Mai 2019 mit Marcus Breitschwerdt ein Vertriebsprofi, der seine Laufbahn bei Mercedes-Benz als Controller startete. Mmh, Petrol-Heads wird es beim Daimler in Führungsverantwortung künftig weniger geben. Der Sparzwang erfordert wohl eine neue Nüchternheit auf der Entscheiderseite. Benzindampf in der Nase kann da den Blick für Einsparpotential womöglich nur trüben.
Bei der Entwicklung wird man bei Mercedes-Benz Cars noch mehr als bisher verstärkt auf Kooperationen setzen. Mit BMW ist man ja schon in Gesprächen und schon zu Ergebnissen gelangt, dort zusammenarbeiten, wo es bei Elektromobilität und dem Autonomen Fahren für einen allein zu teuer würde.
In der Produktion wird Daimler das Modellporfolio verkleinern sowie Technik und Mechanik vermehrt zukaufen und nicht mehr in dem hohen Maße selbst entwickeln und fertigen, wie das jetzt noch der Fall ist.
Tut das denn wirklich not? Börsenanalysten und Großaktionäre bejahen diese Frage laut. Bert Flossbach, Chef des Kölner Vermögensverwalters Flossbach von Storch, fordert zeitnah harte Sparmaßnahmen und formuliert die derzeitige Situation für Daimler besonders drastisch: „Es geht jetzt darum, ob Daimler in zehn Jahren noch Bestand hat.“ Gern verweisen Daimler-Kritiker auf BMW. Die Münchner beschäftigen bei ungefähr identischem Pkw-Absatz nämlich rund 25.000 Mitarbeiter weniger. Warum? Weil BMW u.a. mehr zukauft und weniger selber macht.
Daimler sagt, es sei kein Stellenabbau geplant
Als Reaktion auf den in 2018 um rund 30 Prozent eingebrochenen Gewinn kündigte der noch amtierende Konzernchef Zetsche die Erarbeitung umfassender Gegenmaßnahmen an - ohne zu sagen, wie die denn im Detail aussehen könnten.
Wenn Unternehmen sparen wollen, dann gehört zum Maßnahmenkatalog oft genug ein Stellenabbau. Der sei bei Daimler aber nicht geplant, heißt es offiziell. Und für die Stammbelegschaft in Deutschland sind betriebsbedingte Kündigungen ohnehin vorerst ausgeschlossen. Allerdings hat auch Daimler Entwicklungen angestoßen bzw. sieht sich der Konzern mit Veränderungen konfrontiert, welche einen massiven Stellenabbau zur Folge habe könnten und wohl auch werden.
Beispiel Elektromobilität: Tony Seba, Zukunftsforscher, Vorausdenker und Dozent an der renommierten Standford Universität prognostiziert in einer neuen Studie, dass im Jahre 2025 weltweit keine Fahrzeuge mit traditionellen Verbrennungsmotoren mehr verkauft würden. Das mag zeitlich etwas zu kurz gesprungen sein, aber das Ende des Verbrenners naht dennoch unweigerlich - mit tiefgreifenden Folgen für die Arbeitsplätze im Motoren- und Getriebebau. Ein Elektromotor hat viel weniger Teile. Er braucht in der Fertigung viel weniger Arbeitseinsatz. Und überhaupt: Daimler hat sich von der einzigen eigenen Betriebsstätte, wo man Elektromotoren für den eigenen Bedarf und für andere Hersteller fertigte, kürzlich getrennt. Elektromotoren und Antriebsstrang wolle man auf den Weltmärkten zukaufen, heißt es beim Daimler.
Beispiel Industrie 4.0: Stellenabbau droht aber auch bei der neuen Art des Fertigens. Stichworte: Industrie 4.0, Smart Factory, Factory 56. Die hochautomatisierte und voll digitalisierte Autofabrik, die bei Daimler in Sindelfingen als Blaupause für das globale Produktionsnetzwerk des Unternehmens im Werden ist, wird zum einen neue, höher qualifizierte Arbeitsplätze in der Kooperation mit der Robotik bringen, unterm Strich in der reinen Zahl wird sie zum anderen aber viele Stellen obsolet machen. Das Zukunftsmodell der smarten Produktion bei Mercedes-Benz könnte - vereinfacht ausgedrückt und gerade mit Blick auf die standardisierten Bauteile der E-Autotechnik - darauf hinauslaufen, dass Automaten in einem weitaus höheren Maße, als das bisher der Fall ist, die von Fremdfirmen produzierten und angelieferten Teile nur noch zusammenzustecken brauchen. Schon malen Gewerkschafter das Schreckgespenst der menschenleeren Autofabrik an die Wand.
Jobkiller Elektromobilität
In einer im Juni 2018 veröffentlichten Studie prognostiziert das Frauenhofer Institut, dass der Wandel vom Verbrennungsmotor zur Elektromobilität allein in Deutschland bis zum Jahr 2030 rund 110.000 Stellen kosten werde - und in diese Zahl ist das Arbeitsplatzplus, welches der technologische Wandel auf der anderen Seite zugegebenermaßen ja auch bringt, bereits mit eingerechnet. Die ersten Autobauer wagen sich mit vorsichtig formulierten Einschätzungen in Sachen zukünftigem Personalbedarf auch wegen mehr Elektromobilität an die Öffentlichkeit. Demnach will Audi 15 Prozent Stellen abbauen. Volkswagen möchte 7.000 Stellen kappen. Ford will in Deutschland 5.000 Arbeitsplätze streichen. Und BMW? Die Münchner sehen sich als schlank an, wollen aber auch keinen Speck ansetzen. Sie haben einen Einstellungsstopp verkündet. Und Daimler bzw. Mercedes-Benz? Was sind die Auswirkungen der Elektromobilität auf die Belegschaft des Sterns? Insofern es hier Nachrichten bzw. sogar grausame Botschaften zu verkünden gibt, so werden sie wohl nicht mehr aus dem Munde des scheidenden Chefs Dieter Zetsche kommen. Das wäre dann der Job von Källenius, der Ende Mai diesen Jahres Krone und Zepter übernimmt. Neue Besen kehren gut, heißt es. Wie viel Kehraus wird der neue Vorstandsvorsitzende dem Stern zumuten?
Autor: Mathias Ebeling
2 Kommentare
Robert Bereiter
30. März 2019 22:50 (vor über 5 Jahren)
Pano
29. März 2019 15:50 (vor über 5 Jahren)
Schreibe einen Kommentar