Das Nordkap ist ein beliebtes Reiseziel – speziell im milden Mittsommer. In diesem Jahr nicht allein das perfekte Skandinavienerlebnis für die Großfamilie im VW T6 oder der Mercedes V-Klasse, denn mit etwas Glück konnte die schon ihr kommendes Fahrzeug erspähen – und noch einiges mehr.
Der Druck ist groß bei den Vans von Mercedes. Nicht, dass das Geschäft nicht gut laufen würde – da kann Van-CEO Mathias Geisen überaus zufrieden sein. Es geht speziell um die Wachstumsmärkte in Asien. Hier werden die Rufe nach edlen Großraumlimousinen zunehmend lauter, denn immer mehr Kunden steigen von einer Mercedes S-Klasse oder dem 7er BMW in Luxusvans wie Toyota Alphard, Zeekr 009, Kia Carnival, Voyah Dreamer oder einen Denza D9 um. In erster Linie lokale Hersteller versprechen sich mit Modellen wie einem Lexus LM, Maxus Mifa 9 oder Volvo EM 90 die Businesskunden aus den Luxuslimousinen in die geräumigen Vans zu locken. Mercedes bietet hier seit geraumer Zeit die V-Klasse an, doch die ist trotz möglicher Komfortausstattung für viele anspruchsvolle Klienten eher Nutzfahrzeug denn Luxusmobil. Das sorgt dafür, dass die V-Klasse auf dem so wichtigen chinesischen Markt von lokalen Umbaufirmen weiter veredelt und als Maybach-Version angeboten wird.
Von diesem Trend zum Luxusvan will bald jedoch auch Mercedes selbst profitieren und nicht allein chinesischen Veredlern die entsprechenden Erträge einstreichen lassen. Das soll sich mit der neuen V-Klasse-Generation ändern und speziell die Schwächen des elektrischen EQV mit Frontantrieb, mäßiger Höchstgeschwindigkeit und zähem Ladetempo sollen mit dem Nachfolger vorbei sein. Dieser basiert auf der sogenannten Van.ea-Plattform und diese soll – rein elektrisch angetrieben – eine wahre Wunderwaffe sein, die vom rustikalen Lastesel bis zum belederten Nobelvan alles ermöglicht und dabei mit gesunkenen Kosten und weniger Varianz auch die Markenverantwortlichen zum Strahlen bringt. 2026 soll die neue V-Klasse auf den Markt rollen und die neue Elektroplattform Van.ea schrittweise einführen. Etwas später folgt die Nutzfahrzeugversion, zu der es ergänzend bis auf weiteres auch den bisherigen Sprinter mit Verbrennerantrieb auf alter Plattform geben soll. Dieser wurde erst jüngst aufgefrischt und soll auch weiterhin eine nennenswerte Rolle im Portfolio der Van-Sparte spielen.
Dr. Andreas Zygan, Entwicklungsleiter der neuen Van.ea-Plattform hat in erster Linie jedoch die neuen Elektromodelle im Blick und mit denen ging es in diesem Sommer erstmals auf große Tour von Stuttgart ans Nordkap zu einem frühen Härtetest. Über 3.300 Kilometer, auf denen die grün-weiß beklebten Prototypen zeigen mussten, was sie können. Die Probanden im Blechkleid der bisherigen V-Klasse fallen in erster Linie durch die wilde Beklebung und die stark ausgestellten Kotflügel auf, die sie martialischer als jede Tuningversion erscheinen lassen. Der Grund für die rustikalen Bastelarbeiten an den Prototypen ist jedoch die neue Elektroplattform, die deutlich mehr Spurweite als die aktuelle V-Klasse bietet und auch das mächtige Akkupaket im Unterboden braucht seinen Raum zur Energiespeicherung.
Die Basistechnik ist die gleiche, doch Designer Kai Sieber und sein Kreativteam haben dafür gesorgt, dass sich die einzelnen Modelle für Großfamilie, Luxushotel, Kurierdienst oder Handwerker maximal unterscheiden. Besonders stolz ist das Dreigestirn aus Dr. Andreas Zygan, Kai Sieber und Mathias Geisen auf die neuen Edelversionen mit exklusiven Captain-Chairs, Loungegefühl, Holzboden, Großdisplays und mehr – doch sie wissen auch, dass gerade die echten Nutzfahrzeugkunden für jene Volumina sorgen, die die Modelle von der V-Klasse bis zum Hochdach-Sprinter ebenso bekannt wie erfolgreich gemacht haben. Daher sollen nicht nur die Geschäftsleute in den klimatisierten Liegesesseln im Fond die Langstreckenkilometer genießen, sondern auch Fuhrparkleiter jubeln, wenn es um die Kostenquoten geht. Wer ins Flottenportfolio kommt, entscheiden allein die TCO – Total Cost of Ownership.
Damit das Ergebnis zum Marktstart in rund zwei Jahren stimmt, werden nicht nur im Großraum Stuttgart eifrig tausende von Testkilometer geschrubbt, sondern es ging zu einer frühen V-Klassenfahrt ans Nordkap. Hier mussten die frühen Prototypen nicht allein bei der über 3.000 km langen Fahrt an die Nordseite der norwegischen Insel Mageroya, sondern auch bei den zahlreichen Ladestopps auf dem Weg dorthin glänzen. Auch wenn sich die Verantwortlichen bei den Details der neuen Van.ea-Plattform noch bedeckt halten, dürfte kein Zweifel an der 800-Volt-Technik bestehen, die ab Ende des Jahres mit dem neuen Mercedes CLA endlich auch bei den Schwaben eingeführt wird. Heißt, die über 100 kWh großen Batteriepakete laden ab 2026 auch bei den Vans in einer sternwürdigen Geschwindigkeit. So sollen trotz großer Aufbauten und Leergewichten von über drei Tonnen Entfernungen von über 500 Kilometer möglich sein, ehe es wieder an die Ladesäule geht.
Auf der Fahrt ans nördlichste Ende Skandinaviens klappte das Nachtanken am Schnelllader bereits sehr gut. Doch noch besser gefällt das neue Modell hinter dem Steuer, denn die Elektroplattform macht die kommende V-Klasse mit dem tiefen Schwerpunkt deutlich agiler und komfortabler als man es von der aktuellen Generation kennt. Auch in flott gefahrenen Kurven wankt es spürbar weniger als aktuell und die breitere Spur sorgt schon bei dem Prototyp für ein überraschend gelungenes Abrollverhalten, auf das sich die Kunden freuen können. Der Anzug ist dabei so dynamisch, dass die Zeiten von gerade einmal 150 kW / 204 PS Maximalleistung endlich der Vergangenheit angehören dürften. Versionen mit rund dem doppelten an elektrischer Leistung werden in dem breiten Antriebsportfolio ebenso realistisch sein wie Gewerbeversionen mit weniger Leistung und kleinerer Batterie im Unterboden. Nicht allein Shuttle- oder Kurierfahrer dürften sich über die größere Wendigkeit des Transporters freuen und auch die dünne Höchstgeschwindigkeit von aktuell gerade einmal 140 km/h ist vorbei – zusammen mit dem entsprechenden Zuwachs an Reichweite und Ladegeschwindigkeit ist die kommende Mercedes V-Klasse und der Elektro-Sprinter – wahlweise mit Miniachs- oder Allradantrieb - nunmehr langstreckentauglich. Und wenn alles klappt, bekommt die neue Generation das so wichtige Maybach-Signet verliehen, damit nicht nur das Paket, sondern auch die Image passt.
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