Lewis Hamilton wehrte sich mit Händen und Füßen, spielte all seine Klasse beim Reifen-Management aus und musste sich trotzdem in der vorletzten Runde gegen Max Verstappen geschlagen geben. Der Große Preis von Frankreich hat klar gezeigt, dass die jahrelange Dominanz der Mercedes-AMG Petronas Motorsport F1 Teams in diesem Jahr ein Ende gefunden hat. Red Bull ist nicht nur auf speziellen Kursen wie Monaco oder Baku überlegen, sondern mittlerweile auch auf solchen Strecken wie in Le Castellet. Folgerichtig führt man auch sowohl die Team- als auch die Fahrerwertung an. Kann Mercedes in dieser Saison nochmal zurückschlagen? Weit weg ist man nicht, wie der Rennverlauf in Frankreich gezeigt hat.
Hamilton am Freitag im Niemandsland
Am Freitag feierte Valtteri Bottas, dessen Ende bei Mercedes in der letzten Woche von der Presse verkündet wurde, gewissermaßen eine Wiederauferstehung. Der Finne, der alle Gerüchte betreffend seines möglichen Abschiedes beim Weltmeisterteam bestritt, kam deutlich besser aus den Puschen als Champion Lewis Hamilton, der sich nur im Mittelfeld der Zeitentabellen wiederfand. Aber Hamilton legte mit seinen Ingenieuren eine intensive Nachtschicht ein, feilte noch am Samstag während des Qualifyings an der Abstimmung und brachte seinen Boliden tatsächlich wieder auf Kurs. Der Lohn: Startplatz zwei neben Polesetter Max Verstappen. Bottas belegte den dritten Startplatz.
Verstappen mit Fehler am Start, Mercedes mit Fehler bei der Strategie
Beim Start musste sich Hamilton zunächst hinter Verstappen einreihen, nutzte jedoch dessen Fehler in Kurve zwei und setzte sich in Führung. Bottas verteidigte Rang drei. Im ersten Renndrittel konnte Hamilton weder absetzen, noch Verstappen ernsthaft Druck aufbauen. Das änderte sich erst mit der Runde der ersten Boxenstopps. Mercedes holte Bottas starker Vibrationen zuerst in Runde 17 herein, eine Entscheidung, die sich noch bitte rächen sollte. Erstens zwang man somit Max Verstappen ebenfalls zu einem frühen Stopp, um den drohenden Undercut durch Bottas abzuwehren. Das gelang nicht nur, sondern der Niederländer war in seiner Inlap derart schnell, dass er auch den eine Runde später erfolgten Stopp von Hamilton nutzen konnte, um in Führung zu gehen. Warum man den Briten nicht zeitgleich mit Verstappen hereingeholt hat, ist unverständlich. Bei einem gleichzeitigen Boxenstopp wäre die Chance groß gewesen, die Führung zu behalten.
Verstappen mit Überraschungsstrategie
Wie wichtig dies gewesen wäre, zeigte sich in den folgenden Runden. Hamilton und Bottas konnten nun auf harten Reifen starken Druck auf Verstappen aufbauen, kamen aber wegen der höheren Topspeed des Honda-Motors nicht vorbei. Die Zeiten, in denen ein Mercedes-Motor ein Garant für lockere Überholmanöver auf der geraden war, sind offensichtlich auch vorbei. In Führung liegend hätte Hamilton in dieser Phase sicher einen großen Vorsprung aufbauen könne, den er später dringend gebraucht hätte, wie sich gezeigt hat. Verstappen erkannte nämlich, dass er so nicht bis zum Rennende durchhalten würde und holte sich in Runde 32 erneut neue Reifen. Die daraus resultierenden 20 Sekunden Rückstand baute der Niederländer in der Folge Runde um Runde ab und war schnell wieder in Schlagdistanz zu Bottas, der auf seinen alten Reifen hilflos wirkte. Dem Finnen gelang es nicht einmal, Verstappen eine Runde lang aufzuhalten, sondern ließ sich von ihm in einem Anfängerfehler treiben, den er Red Bull Pilot eiskalt nutzte. Danach schimpfte Bottas für alle deutlich hörbar am Funk auf sein Team wegen der fehlerhaften Strategie. Nicht die feine finnische Art.
Nun machte Verstappen Jagd auf Hamilton. Der spielte all seine Klasse aus und konnte einige Runden auf seinen abbauenden Reifen, die übrigens ebenso alt waren wie die von Bottas, sehr gut dagegenhalten. Erst kurz vor Rennende war die Pracht dahin und Hamilton musste sich in der vorletzten Runde geschlagen geben. Bottas seinerseits musste auch noch Verstappens Teamkollegen Perez vorbeiziehen lassen und wurde so vom Podium gekegelt. Am Ende war Hamilton trotz des verlorenen Sieges sichtlich zufrieden mit dem Ergebnis. Zu Recht, denn Bottas zeigt, wo der Mercedes im Moment eigentlich steht. Dass Hamilton immer noch auf Tuchfühlung mit Verstappen in der Meisterschaft liegt, ist einzig und allein seiner fahrerischen Klasse zuzuschreiben. Wenn das Team allerdings das Auto in den nächsten Rennen nicht in den Griff bekommt, wird auch das nicht reichen, um den ersehnten achten Titel für Hamilton in diesem Jahr einzufahren.
Lewis Hamilton
Herzlichen Glückwunsch an Max, er hat heute großartige Arbeit abgeliefert. Red Bull hatte das gesamte Wochenende über einen besseren Top-Speed auf den Geraden, aber wenn man bedenkt, dass wir einen sehr schwierigen Freitag hatten, bin ich mit dem Ergebnis zufrieden. Klar, wir haben nicht gewonnen und wir lagen zwischenzeitlich in Führung, aber zum Schluss waren meine Reifen am Ende. Dadurch haben wir leider den Platz verloren, es war aber dennoch ein gutes Rennen. Jetzt müssen wir mehr Pace nachlegen, so viel steht fest. Die meiste Zeit haben wir heute auf den Geraden verloren, daran müssen wir arbeiten, alles genau analysieren und herausfinden, woran das liegt - am Luftwiderstand oder der Leistung. Aber alles in allem haben wir immer noch ein gutes Paket. Wir wussten nicht, wie stark der Undercut sein würde, aber was wirklich überraschend war, ist, wie früh unsere Vorderreifen abgebaut haben. Aber sie hatten natürlich eine gute Strategie, die für sie sehr gut aufgegangen ist.
Valtteri Bottas
Ich habe mein Bestes gegeben und versucht, auf das Podium zu fahren. Wir dachten, dass die Reifen bei den kühleren Bedingungen länger halten würden, aber dem war nicht so. Unsere Vorhersagen für die Lebensdauer der Reifen stimmten nicht ganz mit der Realität überein. Ich kam als einer der ersten Fahrer herein und wechselte auf die harten Reifen. Zu diesem Zeitpunkt war der Abbau an meinem linken Vorderreifen sehr hoch und der letzte Stint hat überhaupt keinen Spaß gemacht. Die letzten zehn Runden auf den Hard-Reifen waren schrecklich. Die Vorderreifen waren komplett am Ende. Wir haben nicht noch einmal einen Stopp eingelegt, um auf frischen Reifen die schnellste Runde zu fahren, weil noch ein Zwischenfall mit Sergio untersucht wurde. Deshalb wollten wir draußen bleiben. Insgesamt war es ein enttäuschendes Rennen, besonders weil meine Pace an diesem Wochenende gut war, aber zumindest konnte ich ein paar Punkte einfahren.
Toto Wolff
Heute ging es hin und her. Am Anfang übernahmen wir nach dem Fehler von Max die Führung, aber unsere Pace war alles in allem gut, wir hatten vielleicht sogar einen kleinen Vorteil. Danach haben wir einen Vorsprung von drei Sekunden herausgefahren, um uns gegen einen Undercut zu schützen, aber das war nicht genug und wir kamen ein paar Zehntel hinter Max aus der Box heraus. Valtteri bekam früh im ersten Stint Vibrationen an einem Reifen und wir waren darüber sehr besorgt. Wir wussten, dass wir mit einem Stopp zu früh weitere auslösen würden, aber wir hatten keine andere Wahl. Die Jungs gingen gut mit ihren harten Reifen um, aber schlussendlich hat es nicht gereicht. Wir haben heute viel gelernt und müssen jetzt verstehen, woher die starke Pace der Red Bull auf ihren Out Laps kam. Das werden wir uns ansehen, um uns weiter zu verbessern. Aber ich glaube, dass wir heute ein solides Rennauto hatten und bin froh, dass wir ein spannendes Rennen gesehen haben. Schließlich lieben wir gute Unterhaltung.
Andrew Shovlin
Das war ein frustrierender Tag. Wir hatten heute gute Chancen auf den Sieg und ein Doppelpodium. Deshalb ist das Ergebnis sehr enttäuschend für uns. Lewis kontrollierte das Rennen im ersten Stint und schien mit Blick auf den Reifenabbau sogar ein bisschen besser zu sein. Danach haben wir die Stopps selbst ausgelöst, weil Valtteri mit stärker werdenden Vibrationen zu kämpfen hatte. Eigentlich wollten wir nicht so früh an die Box kommen, aber die Vibrationen wurden so stark, dass wir keine andere Wahl hatten.
Max kam in der nächsten Runde herein, um sich gegen Valtteri zu wehren, aber bei Lewis hatten wir mehr als drei Sekunden Vorsprung. Deshalb gingen wir davon aus, dass das genug wäre, um uns gegen einen Undercut zu schützen, aber dem war nicht so. Die Boxenstopps waren gut und der harte Reifen war offensichtlich schnell, aber es gibt noch mehr, das wir analysieren müssen, um zu verstehen, warum wir den Platz verloren haben.
Wir konnten sehen, dass der Reifenabbau höher als erwartet war, aber wir standen einer Zwei-Stoppstrategie bei Lewis skeptisch gegenüber, da wir dann Perez hätten überholen müssen, der auf relativ frischen Reifen unterwegs war. Nachdem Max sich entschieden hatte, war es unsere beste Option, zu versuchen durchzufahren. Aber das Rennen war leider ein paar Runden zu lang für uns. Bei Valtteri werden wir uns ansehen, ob wir auf zwei Stopps hätten umstellen müssen. Aber wie bei Lewis waren wir auch hier besorgt, dass die Reifen von Sergio relativ frisch waren. Deshalb waren wir uns nicht sicher, ob wir den Speed hatten, um ihn auf der Strecke zu überholen.
Jetzt bleibt uns nicht viel Zeit, um uns auf das nächste Rennen vorzubereiten und es gibt einige Bereiche, in denen wir uns verbessern können. Wir haben eindeutig ein ordentliches Rennauto, aber wir müssen noch etwas mehr Speed auf einer Runde finden und auf unserer Seite perfekte Arbeit abliefern. Deshalb freuen wir uns darauf, dass wir schon in einer Woche wieder auf die Strecke gehen.
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