Es sind genau diese Rennen, die Geschichte schreiben und die Faszination der Formel 1 ausmachen. An einem Wochenende, an dem sich alles gegen das Mercedes-AMG Petronas F1 Team und speziell gegen Lewis Hamilton verschworen zu haben schien, schlug der Rekordweltmeister zurück und siegte nach einem epischen Kampf gegen seinen Herausforderer Max Verstappen, der ihn nicht mal mit seiner bekannt unsauberen Fahrweise stoppen konnte. Teamkollege Valtteri Bottas kam zwar als Dritter auf das Podium, blieb aber gegen Hamilton einmal mehr äußerst blass.
Disqualifikation - der Anfang allen Ärgers
Der Ärger begann schon am Freitagabend. Lewis sicherte sich zwar deutlich die Pole Position für das samstägliche Sprintrennen, bekam diese aber postwendend wegen eines illegalen Heckflügels wieder aberkannt und wurde ans Ende des Feldes (Startplatz 20) degradiert. Pikant: Der beanstandete Heckflügel wurde nach dem Qualifying verbotenerweise von Max Verstappen berührt, der sich dafür eine satte Geldstrafe von 50.000 Euro einhandelte. Ebenso pikant: Red Bull durfte in der Vergangenheit verschiedene Defekte an den Heckflügeln nach dem Qualifying straffrei reparieren; eine Möglichkeit, die Mercedes in diesem Fall nicht eingeräumt wurde. Es sollte nicht die letzte kontroverse Entscheidung der Regelhüter an diesem Wochenende bleiben...
Glanzleistung Hamiltons am Samstag
Am Samstag startete dann ein bestens aufgelegter und kampfeslustiger Lewis Hamilton in das nur 24 Runden lange Sprintrennen, in dem die Startreihenfolge für das Hauptrennen am Sonntag ausgefahren wurde. Und der Brite legte los wie die Feuerwehr. Mit seinem nagelneuen Triebwerk (für das er am Sonntag eine weitere Startplatzstrafe von 5 Plätzen hinnehmen musste), machte er kurzen Prozess mit seinen Gegnern. Einen nach dem anderen schnupfte der Weltmeister auf und konnte sich so sensationell auf den fünften Platz vorschieben, ehe die Zielflagge dem Treiben ein Ende machte. Damit hatte er ganze 15 Kontrahenten auf der Strecke überholt! Dass sein Teamkollege Bottas den Start gewann und siegte, sorgte für zusätzlichen Jubel in der Box.
Schwacher Bottas am Start - Mayländer regelt!
Trotzdem musste Hamilton das Hauptrennen vom zehnten Platz aufnehmen. Bottas hatte einen schlechten Start und kam seiner Rolle als "Wingman" einmal mehr nicht nach, da er beide (!) Red Bull vorbeilassen musste. Dabei wäre ein fahrender Bremsklotz Bottas in der Startphase so wichtig für den von hinten heraneilenden Hamilton gewesen, der direkt in der ersten Runde bereits mehrere Plätze gutmachte und schon bald auf dem dritten Rang lag, allerdings mit größerem Abstand auf die beiden Red Bull.
Was Bottas nicht schaffte, regelte dann ein weiterer Mercedes-Pilot, nämlich Bernd Mayländer im Safety-Car. Dieses wurde nämlich nach einem Unfall auf die Strecke geschickt, wodurch Hamilton auf die beiden Führenden aufschließen konnte. Nach dem Restart machte er kurzen Prozess mit Perez und jagte in der Folge seinen Widersacher Verstappen. Beide fuhren auf Augenhöhe, wobei Verstappen im Mittelteil geschickt einen kleinen Vorsprung herausfuhr, sodass Hamilton seinen Topspeed-Vorteil auf der folgenden Geraden nie richtig ausspielen konnte.
Kampf der Titanen - mit dem besseren Ende für Hamilton
Was nun folgte, kann man schon als epische Schlacht bezeichnen. Hamilton tat das, was man gemeinhin als "den Gegner zurechtlegen" bezeichnet. Auf der langen Geraden täuschte er einen Angriff an, den Verstappen kontern musste. Dabei brachte dieser sich für die folgende zweite Gerade in eine ungünstige Position. Und tatsächlich: Hamilton konnte vor Kurve vier leicht an Verstappen vorbeiziehen, befand sich aber auf der Kurvenaußenseite. Verstappen bremste extrem spät, bekam die Kurve nicht mehr und drückte dabei Hamilton (und sich selbst) von der Strecke. Hamilton hatte das offenbar vorausgesehen und öffnete geistesgegenwärtig die Lenkung, um eine Kollision zu verhindern, verlor aber die Position wieder.
Warum keine Strafe für Verstappen?
Dieses Vorgehen Verstappens hätte normalerweise eine Strafe nach sich gezogen. Das Verlassen der Strecke kombiniert mit einem daraus resultierenden Vorteil wird laut Regelbuch bestraft, genau wie das Abdrängen eines Gegners von der Strecke. Erstaunlicherweise entschied der Rennleiter in diesem Fall, dass die Angelegenheit nicht einmal den Rennkommissaren zur Untersuchung vorgelegt werden soll, was vor allem Teamchef Toto Wolff auf das Äußerste erzürnte. Hamilton erwiderte per Funk auf die Mitteilung, dass keine Strafe erfolgt nur ironisch: "Natürlich nicht!"
Aber auch das konnte den Champion an diesem Tag nicht stoppen. Er wiederholte sein Manöver einige Runden später einfach und konnte diesmal mit einer etwas härteren Fahrweise auch vorn bleiben. daraufhin hatte Verstappen nichts mehr entgegenzusetzen und Hamilton gewann den Grand Prix von Sao Paulo souverän. Bottas wurde noch Dritter vor Perez.
Lewis Hamilton
Ich bin den Fans in Brasilien unheimlich dankbar für die fantastische Unterstützung, die ich an diesem Wochenende hier erhalten haben. So etwas habe ich seit Silverstone nicht erlebt! Wenn man das gesamte Wochenende über diese Stimmung der Zuschauer hört, ist das eine Erfahrung, die einen demütig werden lässt. Ich habe das ganze Wochenende lang immer wieder nur eins gesagt: 'Obrigado Brasil'. Was für ein Rennen! Das Team hat hier an der Strecke sowie in der Fabrik fantastische Arbeit geleistet und auch Valtteri hat heute eine großartige Leistung gezeigt, um so viele Punkte wie möglich zu holen.
Ich habe gestern vom letzten Startplatz aus mein Bestes gegeben und dann heute nach der nächsten Strafversetzung um fünf Plätze gleich noch einmal. Das war glaube ich das härteste Wochenende, das ich jemals erlebt habe. Aber mein Dad hat mir gesagt: 'Du hast mich an 2004 erinnert'. Damals bin ich Formel 3 in Bahrain gefahren. Ich fuhr vom letzten Platz los und kam auf P10 ins Ziel. Danach habe ich gewonnen. Dieser Sieg ist also für meinen Dad.
Vor diesem Wochenende hätte ich niemals geglaubt, dass wir den Rückstand so würden verringern können, wie es uns heute gelungen ist. Es lief einfach alles gegen uns, aber das ist das beste Beispiel dafür, dass man niemals aufgeben darf. Egal, welcher Herausforderung man sich gegenübersieht, man muss immer weiter pushen, alles geben und immer weiter kämpfen. Aber man darf wirklich niemals aufgeben. So bin ich dieses Wochenende angegangen. Es fühlt sich wie das erste Mal an, weil ich das Gefühl habe, dass ich schon lange nicht mehr gewonnen habe.
Valtteri Bottas
Der Start war recht schwierig. Die erste Runde verlief enttäuschend, aber ich habe mein Bestes gegeben. Danach war die Pace gut und aus meiner Sicht dachte ich, dass wir mit einer Ein-Stoppstrategie vielleicht eine Chance haben könnten. Aber wir entschieden uns für zwei Stopps. Das Team hat mich in eine gute Position gebracht, um einen Vorteil aus der VSC-Phase zu schlagen und diesmal lief es gut für mich. Darüber bin ich glücklich. Alles in allem bin ich froh, dass wir heute mehr Punkte einfahren konnten als Red Bull. Das ist ein positives Ergebnis. Herzlichen Glückwunsch an Lewis, das war eine fantastische Leistung von ihm.
Toto Wolff
Was für ein Wochenende für dieses Team. Durch die selbst verursachte Motorstrafe befanden wir uns zu Beginn des Wochenendes im Hintertreffen, danach wurden wir gestern disqualifiziert, was hart war, und dann lief es auch heute im Rennen gegen uns. Dieses Team hat schon immer zusammengehalten, aber diese Entscheidungen haben uns noch enger zusammengeschweißt. Es fühlte sich so an, als ob sich alles gegen uns verschworen hätte und ich glaube, so hat sich Lewis sein gesamtes Leben lang gefühlt. Jetzt fühlen wir es gemeinsam als Team und wir werden kämpfen. Das ist das Gefühl, das derzeit in der Box vorherrscht.
Lewis hat gestern eine der besten Leistungen gezeigt, die wir jemals gesehen haben. Ich weiß nicht, wie viele Überholmanöver es im Laufe des Wochenendes gegeben hat, aber Lewis schoss links, rechts und überall vorbei. Heute ist er tadellos gefahren. Max hat ihn in Kurve 4 von der Strecke gedrängt, aber Lewis war in dieser Situation clever und verhinderte eine Berührung. Es war großartig, diese fantastischen Fahrer gegeneinander kämpfen zu sehen. Aber dafür keine 5-Sekunden-Strafe zu vergeben? Kommt schon!
Valtteri sicherte dem Team heute wertvolle Punkte und seine Leistung war an diesem Wochenende ebenfalls erstklassig. Nach seinem Sieg im Sprint gestern hat er heute ein sehr starkes Podium eingefahren. Diese Saison ist weiterhin überragend und man kann sehen, wie das Pendel hin- und herschwingt. Am vergangenen Wochenende reisten wir geschlagen aus Mexiko ab, in dieser Woche hatten wir das schnellere Paket. Schon nächste Woche könnte Red Bull in Katar sehr stark sein, damit muss man immer rechnen. Möge der Stärkere gewinnen. Am vergangenen Wochenende waren sie es, an diesem wir - wir werden bis zum Ende weiterkämpfen.
Andrew Shovlin
Wir haben über die Jahre einige beeindruckende Leistungen von Lewis erlebt, aber das heute war einfach unglaublich. Wir hatten hier keinen Vorteil beim Auto, den wir in der Vergangenheit hatten, umso fantastischer ist, was er an diesem Wochenende gezeigt hat. Valtteri verlor am Start ein wenig an Boden und wurde in Kurve 1 nach außen gedrängt. Dadurch war es für ihn auf dem Weg zu Kurve 4 schwierig. Danach zeigte er eine großartige Leistung und kämpfte sich auf das Podium zurück. Die VSC-Phase half uns dabei, aber am Ende holte er auf Max auf und wir wünschten uns, dass das Rennen noch ein paar Runden länger gewesen wäre. An diesem Wochenende war viel los und während der Sieg sowie das Doppel-Podium ganz klar die Highlights darstellten, war ein anderer Aspekt noch ermutigender. Nämlich die Tatsache, wie stark die Pace unseres Autos auf einer Strecke war, auf der wir 2019 nicht stark waren, und wie gut das Team sowie die Fahrer an einem sehr schwierigen Wochenende zusammengehalten haben. Jetzt freuen wir uns auf die Herausforderungen, die uns auf der neuen Strecke in Katar erwarten. Wir werden in den kommenden Tagen ununterbrochen arbeiten, um uns in die bestmögliche Ausgangslage zu bringen.
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