Lewis Hamilton hat im Portugal seinen 92. GP-Sieg errungen und damit den bisherigen Rekordhalter Michael Schumacher endgültig übertrumpft. Aber nicht nur diese Rekordmarke machte diesen Triumpf bemerkenswert, sondern vor allem die Art und Weise.
Hamilton in den Freien Trainings deutlich hinter Bottas
Auf der für die Formel 1 neuen Strecke in Portimao tat sich Hamilton wie zuletzt oft in den ersten Trainings eher schwer. Der Brite kam nicht recht in Schwung und musste seinem Teamkollegen und Widersacher Valtteri Bottas in den einzelnen Sitzungen den Vortritt lassen. Die neue Strecke machte fast allen Piloten Probleme und sorgte wegen Überschreitung der Tracklimits für viele Bestrafungen. Bottas kam damit deutlich besser zurecht.
Qualifying-Phönix Hamilton
Im Qualifying kam dann genau das, was auch schon die ganze letzte Zeit zu sehen war: Hamilton war auf einen Schlag zurück und schnappte seinem Teamkollegen in sprichwörtlich letzter Sekunde die Pole Position weg. Dabei sah Bottas schon wie der sichere Polesetter aus, denn Hamiltons eigentlich letzte Runde war nicht gut genug. Aber der Brite setze einfach noch wenige Sekunden vor der Zielflagge eine weitere schnelle Runde dran, was angesichts der Reifen-, aber vor allem auch hinsichtlich des Ladezustandes der Batterie eigentlich gar nicht möglich sein dürfte, und überflügelte den Finnen noch. Damit konnte Bottas mal wieder nicht die Früchte seiner guten Trainingsleistungen ernten.
Bärenstarke Startphase von Bottas
Das sollte nicht die letzte Demütigung des schweigsamen Finnen an diesem Wochenende gewesen sein. Schon der Start von der schlechteren Seite gelang ihm nicht perfekt, während Hamilton deutlich an seiner früheren Startschwäche gearbeitet hat und blendend wegkam. In der Folge drehte Bottas allerdings gewaltig auf und konnte bei einsetzendem Nieselregen Hamilton einfach stehen lassen. Der bekam seine mittelharten Reifen einfach nicht auf Temperatur und musste weitere Plätze hergeben. Bottas, der auf den gleichen Reifen unterwegs war, kam hier seine weniger reifenschonende Fahrweise zugute, da die Temperatur in den Pneus schneller in die Höhe stieg.
Hamilton unbezwingbar
Aber nach wenigen Runden hatte sich Hamilton gefangen und brannte in der Folge ein wahres Feuerwerk ab. Bottas konnte ihm keinen Widerstand leisten und fiel schnell etwas zurück. Nach dem fälligen Boxenstopp kam der Finne dann kaum noch auf Touren und handelte sich bis zum Schluss 25 Sekunden Rückstand ein. Und das, obwohl Hamilton gegen Rennende über Wadenkrämpfe klagte und angeblich öfter vom Gas gehen musste. Wobei solche Aussagen des Briten nicht überbewertet werden dürfen, denn er ist mittlerweile auch ein Meister der psychologischen Kriegsführung und außerdem liebt er die Show. Kaum ein Rennen, bei den er - eigentlich überlegen und locker leicht daherkommend - über irgendwelche Probleme geklagt hatte. Für Bottas machte das allerdings keinen Unterscheid, die Demütigung saß tief, zumal er sich keinen Reim auf seine fehlende Performance machen konnte.
Einzig die Tatsache, dass mit dem dritten Rang von Max Verstappen die Kontrukteursmeisterschaft noch nicht final in Sack und Tüten gebracht werden konnte, war ein klitzekleiner Wermutstropfen für das Mercedes-Team. Aber niemand zweifelt daran, dass dies in den nächsten Rennen nachgeholt werden wird.
Lewis Hamilton
Ich habe diese 92 Siege dem Team hier an der Rennstrecke sowie in den Werken für all ihre harte Arbeit zu verdanken. Sie treiben ständig Innovationen voran, gehen bis an die Grenzen und legen die Messlatte jedes Jahr immer höher. Es ist ein absolutes Privileg, mit diesem Team zu arbeiten und ich bin unheimlich dankbar für all diese Momente. Die Zuverlässigkeit war fantastisch, vielen Dank an das Mercedes Team, PETRONAS und alle unsere Partner, die uns immer weiter antreiben. Niemand ruht sich auf dem Erfolg aus, jeder gibt weiterhin alles. Das ist das beste Umfeld, das man sich wünschen kann: es inspiriert dich, diese Zusammenarbeit, das ist absolut einzigartig. Heute war es hart. Alles drehte sich um die Reifentemperaturen und das ist mir mit dem Setup gelungen, ich bin dem zuvorgekommen. Vor dem Rennen hieß es, dass es erst nach Rennende regnen würde, aber es gab ein paar Tropfen am Start und eingangs Kurve 7 hatte ich starkes Übersteuern und ich wusste nicht, wie es weitergehen würde. Deshalb habe ich stark zurückgesteckt. Ich hätte mich wohl gegen Valtteri verteidigen sollen, aber ich sagte zu mir selbst, dass ich später vorbeikommen würde und zum Glück ist mir das gelungen. Die Formel 1 ist ein körperlich wahnsinnig anstrengender Sport und ich hatte einen Krampf in meiner rechten Wade. Deswegen musste ich relativ oft auf der Geraden lupfen. Das war schmerzhaft, aber da musste ich durch, denn es ließ sich nicht ändern und ich konnte nicht die gesamte Runde über lupfen! In meinen kühnsten Träumen hätte ich mir nicht vorstellen können, dort zu sein, wo ich heute bin. Ich hatte keine Kristallkugel, als ich mich dazu entschlossen habe, zu diesem Team zu wechseln und mich diesen fantastischen Leuten anzuschließen. Ich kann aber versichern, dass ich jeden einzelnen Tag versuche, das Beste daraus zu machen. Wir ziehen bei allem, was wir machen, gemeinsam am selben Strang und deswegen haben wir diese Erfolge. Es ist großartig, dass heute mein Dad, meine Stiefmutter Linda und Roscoe hier sind. Ich fühle mich überglücklich und gesegnet. Es wird einige Zeit dauern, um alles zu verarbeiten. Ich habe bis zur Ziellinie alles gegeben und ich bin mental noch immer Rennmodus. Mir fehlen einfach die Worte.
Valtteri Bottas
Die Startrunde war richtig gut. Es hat ein wenig genieselt und die Bedingungen waren dadurch schwierig. Deshalb waren die Autos mit den Soft-Reifen im Vorteil. Aber ich war froh, dass ich in Führung gehen konnte. Ich muss jedoch zugeben, dass mir danach die Pace gefehlt hat. Leider weiß ich noch nicht, woran das gelegen hat - ich hatte einfach keine Pace. Ich habe natürlich versucht, mich gegen Lewis zu verteidigen, als er näherkam, aber es gab nichts, was ich dagegen hätte unternehmen können. Wie gesagt, ich weiß nicht, wo meine Pace heute geblieben ist. Ich habe alles gegeben, aber es ging nicht schneller. Im späteren Rennverlauf hoffte ich darauf, meinen ersten Stint auszudehnen und am Ende auf die Soft-Reifen zu wechseln. Aber ich glaube nicht, dass das heute etwas am Endergebnis geändert hätte. Das war ein schwieriges Rennen für mich und ich werde hart mit dem Team daran arbeiten, um herauszufinden, woran das gelegen hat, und am kommenden in Imola gestärkt zurückkommen.
Toto Wolff
92 Siege: Wer hätte das gedacht, als wir 2013 in dieses Projekt gestartet sind? Das ist beinahe eine surreale Anzahl an Siegen. Lewis steckt seine Leidenschaft, seine Energie und einfach alles in diesen Sport. Sein Talent und seine Fähigkeiten stechen heraus. In diesem Jahr ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass Lewis sich im Verlauf der Wochenenden gezielt steigert. Er geht viel in sich, lernt viel, versteht die Reifen für das Rennen und er lag zu Beginn des Rennens in den ersten Runden in einer komfortablen Position. Dann legte er zu und hatte auf einmal eine unglaubliche Pace. Das hat er jetzt schon ein paar Mal so gemacht. Er hat Druck ausgeübt und Valtteri dadurch mit Blick auf die Reifen in eine schlechtere Position gebracht. Er ist in Sachen Strategie richtig gut. Die ersten Runden haben sehr viel Spaß gemacht. Es war fantastisch anzusehen, wie die McLaren ihre Reifen sehr gut auf Temperatur gebracht haben, als sie auf den Soft-Reifen gestartet sind. Man konnte den Aufschrei unter den Zuschauern hören, als Sainz in Führung ging. So etwas braucht der Sport. Ich war froh, dass wir aufholen konnten, aber ich mag diese Situation. Heute war ein sehr guter Tag. Ich weiß nicht, wo ich heute feiern werde, denn wir leben aktuell wie Einsiedler, aber ich fliege nach Hause, um meine Frau und meinen Sohn zu sehen. Ich bin mir sicher, dass wir beim Abendessen vielleicht den einen oder anderen Drink haben werden.
Andrew Shovlin
Das war eine absolute Meisterleistung von Lewis. Er ist ein brillantes Rennen gefahren und hatte eine fantastische Pace. Es ist unglaublich, wenn man darüber nachdenkt, dass er jetzt an der Spitze der Siegerliste steht. Das gesamte Team ist wahnsinnig stolz auf ihn und was er erreicht hat. Gleichzeitig ist es großartig, dass wir einen weiteren Doppelsieg einfahren konnten. Der Start war für beide Fahrer knifflig. Der Umgang mit den Medium-Reifen war schwierig und es scheint, dass einige andere Fahrer sie viel besser als wir aufwärmen konnten. Valtteri zeigte eine starke Leistung, um sich den Platz von Verstappen zurückzuholen, den er am Start verloren hat. Das war ein schönes Überholmanöver in Kurve 3. Sobald er die Reifen auf Temperatur gebracht hatte, konnte er auch den McLaren überholen und ist einen kontrollierten ersten Stint gefahren. Nach rund zehn Runden verlor er etwas an Temperatur in seinen Reifen, wodurch das Auto nicht mehr konstant war. Lewis hatte zu diesem Zeitpunkt einen Pace-Vorteil und konnte ihn überholen. Wir waren überrascht, wie gut die Medium-Reifen während des ersten Stints hielten, viel länger als wir erwartet hatten. Aber als Valtteri leichte Vibrationen spürte, entschieden wir uns dazu, beide Autos hereinzuholen und mit den harten Reifen bis zum Ende durchzufahren. Es war nicht einfach, diese Reifenmischung auf Temperatur zu bringen, aber sobald wir es geschafft hatten, hatten sie eine gute Pace. Gleichzeitig waren wir froh, dass es nicht richtig geregnet hat. Das hätte schwierig werden können. Jetzt freuen wir uns auf Imola am kommenden Wochenende. Wir sind schon lange nicht mehr dort gefahren, aber es ist eine gute Strecke und das Zwei-Tages-Format sollte es interessant machen.
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