Volkswagen und die Dieseltechnologie - das galt als VW TDI als ein Wort, ein Begriff, ein Qualitätsmerkmal. Doch seit dem Abgasskandal wurde in Wolfsburg der Diesel zum Unding - oder besser gesagt: Die bei Volkswagen offenbar über Jahre praktizierten Tricksereien, mit Schummelsoftware die Abgaswerte zu manipulieren, brachten den Diesel weltweit in Verruch. Nun will Volkswagen - wie es scheint - diese Vergangenheit kappen, sie komplett vergessen machen und den Diesel in Rente schicken. Volkswagen-Konzernchef Müller rückt von der Weiterentwicklung des Diesels in seinem Hause schon mal verbal ab. Dem Handelsblatt sagte der VW-Chef jetzt: "Es wird sich die Frage stellen, ob wir ab einem gewissen Zeitpunkt noch viel Geld für die Weiterentwicklung des Diesels in die Hand nehmen sollen." Und weiter: Die Abgasreinigung beim Diesel werde "enorm aufwendig und teuer".
Ja, es ist wahr: Saubere Luft ist ein Gut, das es zu schützen gilt. So weit, so richtig. Um so wichtiger und nötiger ist es, die Ärmel hochzukrempeln und "german engineering" und nicht nur Buchhalterdenken zur Höchstform auflaufen zu lassen. Köpfchen, Fleiß und Investitionen sind gefragt anstatt für den Diesel - wie jetzt von Volkswagen - das Totenglöckchen zu läuten. Wer weiß: Wenn Volkswagen „viel Geld" in die Hand genommen hätte, dann hätte man womöglich auf die unsäglichen Softwaremanipulationen verzichten können und müsste nicht selbst den Totengräber geben. Fahren und sparen mit Dieseltechnologie - das hat man in Wolfsburg womöglich falsch interpretiert. Mal ehrlich: Es ist etwas unfein, eine Technologie ad acta zu legen, die man leichtfertig zerlegt und diskreditiert hat, weil man sie hinsichtlich der Umweltbilanz hausintern nicht in den Griff bekam bzw. (vermutlich aus Kostengründen?) nicht in den Griff bekommen wollte.
Mittelfristig wird es ohne Diesel nicht gehen
Gucken wir doch auch mal auf die CO2-Bilanz, bevor wir den Diesel vorschnell in Rente schicken. Die verordneten CO2-Ziele der EU sind ehrgeizig. Die Latte liegt hoch. Sehr hoch. Ab dem Jahr 2021 darf ein durchschnittlicher Neuwagen in der EU nicht mehr als 95g CO2 pro Kilometer ausstoßen. Ähnlich strenge Vorgaben gelten auch in China und den Vereinigten Staaten. Für viele Hersteller ist der Diesel der Schlüssel, um diese Ziele zu erreichen. Und es gibt Hersteller, die nehmen viel Geld in die Hand, und stellen sich der Herkules-Aufgabe die“enorm teuere und aufwendige“ Abgasreinigung beim Diesel zu stemmen. Beispiel Mercedes-Benz.
Mit seiner komplett neu entwickelten Dieselmotorenfamilie bringt Mercedes-Benz als erster Hersteller Dieselfahrzeuge auf den Markt, die bereits heute die ab September 2017 für die EU geplanten strengeren Emissionsgrenzwerte erfüllen (Stichwort OM 654). Erreicht wird dies durch einen integrierten Technologieansatz, zu dem unter anderem ein neues Stufenmulden-Brennverfahren und eine erweiterte Abgasrückführung gehören. Zudem erlaubt das neue Motorendesign alle Komponenten für die Abgasnachbehandlung direkt am Motor zu positionieren, statt wie bisher im Unterbodenbereich. Dadurch steigt die Gesamtleistungsfähigkeit des Systems - weitestgehend unabhängig von Umgebungstemperaturen und Fahrstil - deutlich an.
Mercedes-Benz will seine gesamte Palette an Diesel-Pkw in Europa bis spätestens 2019 mit dieser neuesten Motorengeneration ausrüsten. Das kostet Geld. Das kostet Gehirnschmalz. Aber ohne diese Investitionen wird es mit dem Diesel wohl wirklich nicht lange so weitergehen. Der Erfinder des Automobils hat das verstanden:
„Das Vertrauen unserer Kunden ist uns sehr wichtig und wir nehmen die Verantwortung gegenüber der Umwelt ernst“, so Prof. Dr. Thomas Weber, Daimler-Vorstand für Konzernforschung und Leiter Mercedes-Benz Cars Entwicklung (Bild links). „Deshalb haben wir uns schon vor fünf Jahren dazu entschlossen, massiv in die Weiterentwicklung der Dieseltechnologie zu investieren. Aber auch die Benziner machen wir kontinuierlich effizienter und noch umweltverträglicher. Denn bis zum durchschlagenden Markterfolg von Elektroautos werden High-Tech Verbrennungsmotoren das Rückgrat der individuellen Mobilität bleiben. Aus diesem Grund investieren wir in Summe rund 3 Milliarden Euro und sorgen so - sowohl bei künftigen als auch bei unseren aktuellen Fahrzeugen - für ein weiter verbessertes Verbrauchs- und Emissionsverhalten.“
Autor: Mathias Ebeling
1 Kommentar
2FAST4YOU
22. Juni 2016 11:26 (vor über 8 Jahren)
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