Die Autobranche befindet sich in einem nie dagewesenen Umbruch. Mit dem taiwanesischen Auftragsfertiger Foxconn und dem chinesischen Tech-Konzern Xiaomi mischen sich zwei neue Akteure ins Geschäft um die Elektroautos ein, die das Potenzial zum Erfolg haben.
Autobauen kostet Geld. Eine ganze Menge Geld. Ist das vorhanden, braucht es jede Menge Wissen und Erfahrung. Mithilfe von Ingenieursdienstleistern ein konkurrenzfähiges Auto zu entwickeln, dieses auf die Räder zu stellen und dann publikumswirksam zu präsentieren, ist eine Sache, eine andere ist es, eine verlässliche Serienfertigung hochzuziehen. Daran sind schon einige Start-Ups wie etwa Byton gescheitert. Capgemini-Experte Peter Fintl bezeichnet das in Anlehnung an Elon Musk als „Produktionshölle“, durch die es Tesla geschafft hat. Aber auch nicht ohne Schmerzen, die immer noch Nachwehen verursachen. Wenn diese Hürde überwunden ist, geht es darum, Begehrlichkeiten zu wecken. „Wie man es schafft, rund um dieses Produkt ein angenehmes Nutzererlebnis zu kreieren und so eine Marke aufzubauen, die dann entsprechend anziehend ist, ist die entscheidende Frage für alle Neueinsteiger“, erklärt Peter Fintl. Einfach ein Elektroauto hinzustellen, reicht längst nicht mehr. Die etablierten Autobauer sind aufgewacht und versuchen mit aller Macht den Vorsprung der Kalifornier aufzuholen. Die Gewässer für neue Autobauer sind zunehmend unruhig.
Und in diesem Haifischbecken wollen Xiaomi und Foxconn erfolgreich sein? Für beide Unternehmen sind das fremde Gewässer. Der chinesische Konzern Xiaomi ist eher bekannt Smartphones und Foxconn hat sich als Apple-Auftragsfertiger einen Namen gemacht. „Der erfolgreiche Markteintritt beider Konzerne ist keine ausgemachte Sache“, warnt Fintl. Foxconn macht bereits Nägel mit Köpfen und hat die Fabrik des angeschlagenen US-Elektro-Autobauers Lordstown in Ohio gekauft und wird dort den elektrischen Pick-up Endurance produzieren. Auch mit Fisker wollen die Taiwanesen ein Elektroauto bauen. Früher im Jahr hat Foxconn ein Abkommen mit der chinesischen Volvo-Mutter Geely und dem japanischen Elektromotorspezialisten Nidec geschlossen. Auch beim wirtschaftlich angeschlagenen Autobauer Byton ist Foxconn eingestiegen. Schließlich gibt es dort viel Wissen abzugreifen. Wer solche Bündnisse eingeht, lotet nicht nur das Wasser aus, sondern greift im großen Stil an. Zumal Foxconns automobile Tochter Foxtron mit der von Pininfarina in Form gegossenen Limousine Model E, dem Crossover Model C und dem Linienbus Model T.
„Foxconn ist eine riesige Produktionsmaschine, die auch komplexe Prozesse beherrscht und sich auch mit globaler Logistik auskennt. Das ist ein unglaublicher Vorteil“, sagt Peter Fintl und fügt hinzu: „Natürlich kann Foxconn auch Elektronik- und Softwareentwicklung.“ Anders, aber nicht zwingend schlechter sieht die Sache bei Xiaomi aus. Die Expertise des chinesischen Konzerns ist das Nutzererlebnis und die Bedienoberfläche, wie man an den Smartphones sieht. „Da sind sie fast so gut wie Apple. Xiaomi hat den riesigen Vorteil, ihre bewiesene Stärke beim Nutzererlebnis und der Produktfunktionalität über die Software auch in ein Mobilitätsprodukt gießen zu können“, ordnet Peter Fintl die Expertise der Chinesen ein. Das sehen auch etablierte Autobauer so. Foxconn soll für den Multimarkenkonzern Stellantis digitale Cockpits entwickeln. Die Erfahrungen aus dieser Kooperation helfen sicher der Entwicklung der eigenen Fahrzeuge.
„Foxconn hat eine Reihe von Akquisitionen und Geschäften getätigt, um sicherzustellen, dass das Unternehmen in der Lage ist, all diese elektrifizierten Fahrzeuge zu bauen“, erklärt Bakar Sadik Agwan. Zudem ist das Unternehmen eine Partnerschaft mit der staatlichen PTT PLC eingegangen, die bis 2023 Elektrofahrzeuge auf den Markt bringen will. Darüber hinaus hat Foxconn mit der taiwanesischen Giga Solar Materials-Gruppe eine Vereinbarung über Batterierohstoffe im Wert von rund 36 Millionen US Dollar geschlossen und ab 2024 sollen Festkörperzellen in die Elektroplattformen eingebaut werden.
Foxconn hat bereits Autos auf der Straße. Xiaomi hinkt bei diesem Aspekt noch etwas hinterher. Erst im Frühjahr dieses Jahres verkündete Xiaomi-Chef Lei Jun die Gründung eines Automobilherstellers, der im ersten Halbjahr 2024 Fahrzeuge serienreif haben soll. Dennoch schauen auch bei Xiaomi die Vorzeichen gut aus. Zumal das Unternehmen aus dem Reich der Mitte eine wichtige Rolle in der Verwirklichung Chinas geopolitischen Ambitionen spielen könnte. Zum einen wirtschaftlich autark zu werden und zum anderen den Grundsatz „von China für die Welt“ umzusetzen. Gut möglich, dass Xiaomi seine Fähigkeiten im Zusammenspiel mit einem heimischen Autobauer zur Geltung bringt und so ein chinesischer Tesla-Jäger aus dem Taufbecken gehoben wird. Vor dem Hintergrund, dass die chinesische Regierung momentan in einer Art wirtschaftlichen Darwinismus genau selektiert, welche Autobauer in Zukunft möglichst viel zur wirtschaftlichen Prosperität der Volksrepublik beitragen können. Als möglicher Ehepartner kommt dann nur einer der fünf staatseigenen Automobilhersteller infrage. Aber auch Borgward ist ein möglicher Kandidat.
Dieses Regulieren ergibt aus Peter Fintls Sicht durchaus Sinn, der die Schwemme von neuen chinesischen Autobauern versiegen sieht: „Dieser Wildwuchs wird zu einem Ende kommen.“ Oft waren es die Provinzregierungen, die die automotiven Start-ups unterstützt haben. Schließlich sind Automobilfabriken Jobmaschinen, die beim wirtschaftlichen Aufschwung der einzelnen Regionen gerne genutzt werden. Wenn der Traum vom global agierenden Autobauer wie eine Seifenblase platzt, sind die Narben noch lange sichtbar. Ein weiterer Akteur, der in dem großen Plan, China zur Automobil-Nation Nummer eins zu machen, ist Huawei. Der Tech-Konzern hat unlängst auf der IAA Mobility eine Automobil-Plattform im Gepäck, die das autonome Fahren demonstriert. Das Fahrzeug dazu gibt es ja mit dem Elektro-SUV Seres Huawei Smart Selection SF5 schon länger. Jetzt wollen die Chinesen auch technologisch bei den Robo-Autos an die Spitze. Die Netzwerk-Erfahrung haben die Mobilfunkspezialisten zweifelsohne. Die Erfolgsformel könnte also lauten: Nutzer-Erlebnis plus technologisches Know-how plus klassisches Produzieren ergibt einen global konkurrenzfähigen Automobilhersteller.
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