Weltspiegel: Halbleiterprobleme nehmen kein Ende

Die Lieferketten haken

Weltspiegel: Halbleiterprobleme nehmen kein Ende: Die Lieferketten haken
Erstellt am 6. Juli 2021

Wer meint, dass die Corona-Pandemie die Autoindustrie nicht mehr im festen Würgegriff hat, irrt gewaltig. Auch wenn viele Konzerne Rekordbestellungen feiern, die Lieferketten funktionieren noch immer nicht.

Jede Woche das gleiche Bild – seit Monaten. Immer wieder setzt in den großen Autowerken in Europa, Asien, Südamerika oder den USA die Fertigung aus – mal ein paar Tage oder gar einige Wochen. Verschiedene Modelle können gar nicht gefertigt werden, denn je besser ausgestattet oder mit Hightech versehen das Fahrzeug ist, umso mehr fallen die fehlenden Chips ins Gewicht. Dabei ist die Nachfrage größer denn je. Dabei ist die globale PKW-Produktion ist im ersten Quartal 2021 um rund 15 Prozent gestiegen und zum Ende des zweiten Quartals erwarten die Analysten von IHS ein Wachstum von rund der Hälfte im Vergleich zum betont schwachen Vorjahreszeitraum. Doch während sich die Automobilindustrie von der Pandemie langsam erholt hat und die Nachfrage passt, ist sie weiterhin mit einer Reihe von Einschränkungen in der Lieferkette konfrontiert. Im Tagesrhythmus bewerten daher die Krisenteam von OEMs und Zulieferern die Belastbarkeit von Lieferketten sowie Lagerbeständen und passen Fertigungen und Zeitpläne nahezu in Echtzeit an.

„Im ersten Quartal kam es zu ersten größeren Störungen, als klar wurde, dass die Lieferketten nicht mehr synchron waren und die Halbleiter nicht mehr zur Verfügung standen, um die höhere Fahrzeugnachfrage zu bedienen“, so IHS-Anlyst Mark Fulthorpe, verantwortlich für die globale Produktion von PKW und leichten Nutzfahrzeugen, „die Halbleiterlieferungen hatten sich im Laufe der Zeit auf andere Industriezweige, die Unterhaltungselektronik, verlagert, und die Fahrzeugnachfrage war nach der anfänglichen Störung durch COVID-19 im ersten und zweiten Quartal 2020 stark zurückgekommen.“ Doch diese starke Nachfrage führte auch zu einem Ungleichgewicht, da die Halbleiter-Lieferkette nicht darauf ausgerichtet war, das Niveau der entstehenden Automobilnachfrage zu b befriedigen. IHS-Analyst Phil Amsrud: „Dies führte dazu, dass im ersten Quartal weltweit schätzungsweise 1,4 Millionen Light Vehicles nicht gebaut wurden.

Zu Beginn des zweiten Quartals belasteten die Störungen weiterhin die Lieferketten der Automobilindustrie und hier speziell im Bereich der Halbleitertechnik. Die angespannte Situation aus dem ersten Quartal wurde durch die Auswirkungen schwerer Stürme, die über Texas hinwegzogen, nochmals verschärft. Kurz danach wurden weitere Lieferketten durch das Erdbeben im japanischen Fukushima und der Brand im Renesas-Werk Naka 3 durchtrennt. Die Auswirkungen machten sich speziell im zweiten Quartal dieses Jahres für viele Marken schmerzhafter denn je bemerkbar.

Im dritten Quartal erwartet IHS weitere Störungen, jedoch nicht in dem Ausmaß wie in der ersten Jahreshälfte. „Wir erwarten eine Verbesserung, weil die Situation besser verstanden wird und große Anstrengungen unternommen werden, um die Transparenz innerhalb einer sehr komplexen Lieferkette zu verbessern“, erläutert Phil Amsrud, „einen Beweis dafür sehen wir in einigen der entspannteren Ankündigungen von General Motors, die den Betrieb früher als ursprünglich geplant wieder aufnehmen und in Toyotas anhaltendem Engagement bei der Planung.“ Toyota beispielsweise überwacht die Lieferketten seit dem Erdbeben und dem entsprechenden Tsunami in Fukushima vor zehn Jahren, während andere Hersteller deutlich weniger Aufwand betreiben, die Prozesse akribisch zu monitoren.

Die Experten von IHS gehen davon aus, dass dies zusammen mit der Wiederherstellung der Halbleiterkapazitäten bei Renesas in Japan sowie NXP und Infineon in Texas zu einer Entschärfung der aktuell nach wie vor angespannten Produktionslage führen kann. Nach wie vor müssen auch die europäischen Autohersteller immer wieder die Fertigung einzelner Modelle und spezieller Versionen aussetzen. Die Händler telefonieren tausende von Kunden ab, ob diese auf spezielle Ausstattungsvarianten verzichten können, damit die Fahrzeuge früher geliefert werden. Die Situation rund um die Halbleiter wird sich dabei nur langsam verbessern und kaum ein Autohersteller hat Zweifel daran, dass die Probleme weit ins Jahr 2022 hereinreichen.

Erst so langsam erreichen die Fabriken, die von dem Sturm in Texas und dem Brand in Japan betroffen waren, wieder ihre Produktionsniveaus von vor der Krise. Der jüngste Brand im 300-mm-Reinraum der Naka-Fertigung von Renesas in Japan betraf zwar nur einen kleinen Bereich der Fertigung, beschädigte jedoch die Wasserversorgung, die Klimaanlage und die Fertigungsanlagen selbst. Seit dem 25. Juni ist Naka 3 wieder auf hundert Prozent seines Produktionsniveaus vor dem Brand. Auch NXP gab im bekannt, dass die Produktionsstätten in Austin wieder unter Volllast laufen. Als Reaktion auf die Störungen erweitern viele Halbleiterzulieferer das Fenster für Festbestellungen von bisher 12 Wochen auf jetzt ein Jahr oder mehr. Einige geringfügige Anpassungen sind erlaubt, aber die Aufträge werden zu nicht stornierbaren Aufträgen, was bedeutet, dass der Kunde für den Wert des gesamten Auftrags verantwortlich ist, selbst wenn die Nachfrage sinkt.

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