WITTE Automotive in Velbert ist eines der zahlreichen Unternehmen, das als Zulieferer für die deutsche Automobilindustrie fungiert. Corona und der Mobilitätswandel hin zu Elektromobilität setzt vielen Zulieferern zu. Je nachdem welchen Spezialisten man fragt, sind mehrere 100.000 Arbeitsplätze betroffen. Hier in Velbert ist man allerdings optimistisch. Was auch an den besonderen Produkten liegt, die bei Witte Automotive gefertigt werden. Mercedes-Fans.de sprach mit Geschäftsführer Christian Kaczmarczyk über Corona, Haubensterne und Türgriffe.
Direkt heraus gefragt: Wie ist Ihr Unternehmen bislang durch die Coronakrise gekommen und wie ist Ihr Ausblick auf die nähere Zukunft?
Wir haben uns aufgrund der Situation in China schon sehr früh mit den möglichen Auswirkungen der Corona-Krise beschäftigt. Bereits seit Januar betreiben wir einen hohen Aufwand, um einerseits den Betrieb aufrecht und für unsere Kunden die Lieferfähigkeit zu erhalten, andererseits unsere Mitarbeiter bestmöglich zu informieren und zu schützen. Natürlich wird die Corona-Krise auch unser Ergebnis in diesem Jahr negativ beeinträchtigen. Aber wir sind gut aufgestellt und haben eine stabile finanzielle Ausgangsposition. Für das letzte Quartal 2020 erwarten wir eine positive Entwicklung, wobei die Lockdown Gefahr in unterschiedlichen Märkten weiterhin vorhanden und hoch ist. Prognosen für 2021 sind schwer, da Incentiveprogramme unserer Kunden in den einzelnen Märkten wegfallen und die weitere Entwicklung maßgeblich vom Verhalten der Verbraucher abhängt.
Echt griffig: die Griffwand im integrierten Türaußengriff-Werk in Ostrov, verweist nicht ohne Stolz auf eine der Kernkompetenzen von WITTE Automotive
Ihr Unternehmen ist verantwortlich für ein besonderes Detail der neuen S-Klasse. Es geht um den versenkbaren Türgriff. Wie muss man sich das vorstellen? Kommt die Daimler AG auf Ihr Unternehmen zu und bittet um einen solchen Türgriff? Oder schlägt Ihr Unternehmen verschiedenen Herstellern so ein Detail vor?
Grundsätzlich ist WITTE bei allen Kunden als Technologiepartner bekannt, welcher immer wieder mit innovativen Lösungen bereits in den Konzeptphasen der Kunden vorstellig wird.
Griffkonzepte, welche in die Karosserieoberfläche der Türen integriert werden und bei Bedarf ausfahren, sind aber schon seit mehreren Jahren im Gespräch. In diesem konkreten Fall hatte Daimler die Idee eines Türaußengriffes, welcher im eingefahrenen Zustand in die Oberfläche der Tür integriert ist, bereits in den frühen Phasen für das Fahrzeug ausgewählt und kam mit den ersten Ideen auf WITTE zu. Diese Ideen und insbesondere die Funktionalität des Griffes wurden gemeinsam ausgearbeitet und anschließend in dem zur Verfügung stehenden Bauraum realisiert
Wird diese Komponente bei Ihnen hier im Unternehmen auch gefertigt?
Die Fertigung erfolgt in unseren Werken in Tschechien: Der Griffkörper wird in unserem Werk in Ostrov gespritzt, lackiert und anschließend montiert. Die finale Fertigstellung des Griffes mit den weiteren Komponenten, je nach Variante, erfolgt anschließend in unserem Werk in Nejdek, von dort erfolgt die Auslieferung an unseren Kunden
Witte Automotive Headquarter in Velbert
Hat so ein Auftrag unmittelbare Auswirkung auf die von Ihnen angebotenen Arbeitsplätze?
Eindeutig ja. Zunächst sind unsere Mitarbeiter in den Entwicklungsbereichen gefragt. Der Türaußengriff ist ein sehr komplexes System, bei welchem neben den mechanischen Funktionen (der Griff präsentiert sich sobald der Öffnungswunsch des Fahrzeugnutzers kommuniziert wird und unterstützt den Nutzer anschließend im Türöffnungsprozess) auch viele ElektronikfeatureS (z.B.: Schnittstelle für die Smartphone Kommunikation) integriert wurden bzw. noch integriert werden.
Auch in der Produktion werden in den Spitzen-Auslastungszeiten viele Mitarbeiter mit der Fertigung des Türaußengriffes beschäftigt sein.
Abgesehen von dem schicken Design hat so ein versenkbarer Türgriff auch praktische Vorteile?
Aber natürlich. Neben dem schicken Design bietet der Griff: Eine verbesserte Akustik durch verminderte Windgeräusche des Fahrzeuges, außerdem wird die Öffnungsfunktion der Tür motorisch unterstützt, sie lässt sich also mit geringen Kräften öffnen. Die Griffe fahren elektrisch aus, wenn sich der Fahrer mit dem Schlüssel nähert oder über die Außenfläche des Türgriffs gestrichen wird. Über KEYLESS-GO erfolgt der schlüssellose Zugang. Die Türgriffe sind bei Nicht-Gebrauch sowie während der Fahrt eingefahren und schließen bündig mit der Tür ab. Soll die Tür geöffnet werden, fährt der Türgriff in einer parallelen Ausfahrbewegung in seine Gebrauchsstellung. Gegenüber sich ausdrehenden Türgriffen bietet ein parallel ausfahrender Griff einen deutlich größeren Eingriff und kann mit der gesamten Hand umfasst werden.
Bei der Entwicklung des optisch eindrucksvollen Griffs wurde besonders auf enge Toleranzen und geringes Spiel des Griffbügels geachtet. Die Steuerungselektronik verzichtet auf klassische Endlagenschalter und verfährt die Griffe in weiten Grenzen lastunabhängig und in einem visuell und akustisch ansprechenden Bewegungsablauf. So vermittelt der Türgriff eine hohe optische und haptische Wertanmutung und Solidität.
Und über die Schnittstelle zum Smartphone können Daten ausgetauscht werden - zum Beispiel die, die für das Carsharing benötigt werden.
Wie schaut es denn hinsichtlich des Diebstahlschutz aus? Wir könnten uns vorstellen, dass so ein Mechanismus schwerer zu knacken ist als ein herkömmlicher Türgriff.
Der Türgriff folgt den Anforderungen und gesetzlichen Bestimmungen zum Diebstahlschutz. Es wurden zahlreiche Präventivmaßnahmen zum Diebstahlschutz umgesetzt.
Von der elektronischen Seite her ist die gesamte Kommunikation, die z.B. über NFC oder zum Fahrzeug hin stattfindet, verschlüsselt und kann nicht dekodiert werden. Ein Mitlesen von Zugangsdaten ist damit (fast) unmöglich.
Wie öffnet sich die Tür im Falle eines Unfalls, wenn zum Beispiel die Bordelektronik ausfällt?
Das System verfügt über eine mechanische Redundanz. Hierbei kann im Falle eines Systemausfalls das Fahrzeug trotzdem jederzeit geöffnet oder verriegelt werden.
Alles OK! Mercedes-Chef Ola Källenius bei der "Endabnahme der neuen S-Klasse: "This final magic moment when the S-Class gets its soul!" Gemeint ist der Stern der exklusiv bei WITTE Automotive gefertigt wird.
Wie gefällt Ihnen das aktuelle Video zur Mercedes S Klasse? Daimler Boss Ola Källenius komplettiert da eigenhändig die neue S-Klasse mit einem ganz bestimmten Bauteil!
Dieser Moment hat uns alle stolz gemacht. Schließlich kommt es nicht alle Tage vor, dass ein Produkt von uns als "Seele des Autos" beschrieben wird, so wie es Ola Källenius getan hat.
Seit wann produziert ihr Unternehmen den Hauben-Stern? Was ist an dem von Ihnen produzierten Stern so besonders, dass er nur bei Witte in Velbert produziert werden kann?
Nach 1945 wurde der ursprüngliche Lieferant aus Sachsen von den Russen am Geschäft mit Mercedes gehindert. Da hat sich der damalige Chef der Firma Friedrich Fingscheidt GmbH, die seit 2008 unter dem Namen WITTE Niederberg GmbH zur WITTE Automotive Group zählt, bei Mercedes um die Herstellung des Sterns beworben und den Zuschlag bekommen..
Die Abstimmung der einzelnen Fertigungsschritte machen den Stern zu einem aus Fertigungssicht anspruchsvollen Produkt: Die Gieß-Formen benötigen eine regelmäßige Überarbeitung; die Oberfläche muss aus dem Gießprozess frei von Lunkern und Unebenheiten sein, um beim Verchromen eine gute Oberfläche zu erzielen; die Beschneide- und Räumwerkzeuge müssen exakt auf das Gießteil abgestimmt sein.
Nicht zuletzt ist die Erfahrung der Mitarbeiter notwendig, um die Produktion mit geringem Ausschussanteil sicherzustellen.
Produzieren Sie auch noch andere Daimler Sterne?
WITTE liefert auch Kunststoff-Sterne mit farbigen Plaketten als Unterlage, z. B. für die Abdeckung Rückfahrkamera CPD 3.0. Diese Sterne kommen aber nicht aus eigener Produktion.
Können Sie noch zurückverfolgen wie viele Millionen Sterne Ihr Unternehmen für Mercedes-Benz gefertigt hat?
Diese Frage ist schwer zu beantworten. In den letzten Jahren ist die Menge an stehenden Mercedessternen rückläufig, da bei vielen Modellvarianten nur Plaketten auf der Motorhaube angebracht werden.
In den Jahren 2016-2020 lagen die Jahresmengen bei ca. 300.000 Stück, von 2008-2015 es ca. 400.000 Stück und in den 1990er-Jahren ca. 600.000 Stück. Die Jahre davor können wir heute nur abschätzen. Die Gesamtsumme wird aber bei mehr als 20.000.000 Stück liegen.
Herzlichen Dank für das Gespräch!
Über WITTE Automotive
Die neue Mercedes S-Klasse unter der Lupe
Der versenkbare Türgriff
WITTE Automotive - schlüssige Konzepte für die Automobilwelt!
In allen bekannten Automarken befinden sich heute WITTE-Produkte. Mit innovativen Lösungen und technologischem Know-how begeistert WITTE seit vielen Jahrzehnten seine automobilen Kunden in aller Welt. Für sie entwickelt und produziert WITTE neben Schließ- und Betätigungssystemen auch Antriebe für Klappen und Türen sowie Sitzverriegelungen und Kameramodule. Spezialisierte Kompetenzzentren für Kunststoff-, Stanz- und Druckgusstechnik gewährleisten funktional, qualitativ, ökologisch und preislich Spitzenleistungen.
Um digitale Lösungen für die Mobilität von morgen geht es beim neuen, jungen Geschäftsbereich WITTE Digital, der ein hocheffizientes Schlüssel- und Datenmanagement für Flottenmanager anbietet.
Neben den vier Standorten innerhalb Deutschlands ist WITTE Automotive europaweit in Tschechien, Bulgarien, sowie in Schweden vertreten. Globale Präsenz zeigt WITTE Automotive in den USA, Mexiko, Brasilien, Indien, China, Japan und Korea als Teil von VAST, der Vehicle Access Systems Technology Automotive Group.
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