Autonomes Fahren

Killt der Autopilot den Fahrspaß?

Autonomes Fahren: Killt der Autopilot den Fahrspaß?
Erstellt am 12. März 2015

Auf der A40 kurz vor der Abfahrt Essen Zentrum herrscht dichter Verkehr. Eigentlich alles wie immer. Ein gravierender Unterschied jedoch: Eine Limousine blinkt, beschleunigt und wechselt auf die linke Spur. Der Überholvorgang wird mit 100 km/h zügig zu Ende gebracht, Blinker nach rechts, raus über die nächste Ausfahrt und rein in den Stadtverkehr. Was keiner bemerkt: Der Fahrer hat zu keiner Zeit das Lenkrad in der Hand gehabt, keine Knöpfe, Pedale oder Hebel bedient.

Bis vor wenigen Jahren noch wurden solche Szenarien ins Reich der Phantasie verwiesen. Heute ist sie vor allem bei deutschen Premiumherstellern wie Daimler, BMW oder Audi aber auch bei Google Realität. Rund um Stuttgart sind Testflotten mit Sondergenehmigungen unterwegs, aus den USA wird die Durchquerung von Ost nach West gemeldet, vor allem weil dort die gesetzlichen Vorschriften für autonomes oder automatisiertes Fahren lockerer sind. Aber das soll sich auch in Europa bald ändern. „Autonomes Fahren wird stufenweise Realität werden“, so Ralf Guido Herrtwich, Leiter Fahrassistenz- und Fahrwerksysteme bei Daimler. Wer heute noch Bus und Bahn benötigt, um Zeitung lesend nach Hause zu kommen, wird es spätestens 2025 auch im eigenen Auto tun können. Ohne lästige Nachbarn auf dem Nebensitz und ohne Frieren auf dem Bahnhof.

Video: Auf dem Weg zum Autonomen Fahren

 

Sind die Barrieren der Technik schon fast überwunden, bietet die aktuelle Rechtslage eine hohe Hürde für die neue Fahrweise. Sie verlangt die „dauernde Beherrschung des Fahrzeugs unter allen Umständen durch den Fahrer“. Die Straßenverkehrsordnung verbietet ausdrücklich freihändiges Fahren. Das Bundesverkehrsministerium hat sich inzwischen deutlich für eine Veränderung der Vorschriften ausgesprochen. Um den USA nicht das Feld zu überlassen, sehen dies einige andere europäische Länder ebenso.

Die für vollautonomes Fahren notwendigen Systeme lassen sich aus den vorhandenen weiter entwickeln. Die Basis bildet nach übereinstimmender Auffassung von Experten die Kombination von Abstandsregeleinheiten und Spurhalte-Assistent, deren Erkennungssysteme und Sensoren schrittweise um neue Funktionalitäten erweitert werden müssen., beispielsweise durch das Erkennen von Verkehrszeichen und Verkehrsampeln, unvorhergesehenen Baustellen, Unfällen sowie von Fußgängern und Zweiradfahrern.

 

Autonomes Fahren - Autobahn-Pilot

 

Vor allem aber die Sicherheit soll der große Gewinner werden. „Die Automatisierung ist das wirksamste Mittel gegen Unfälle, Verletzte und Tote“, so der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg Essen. Die Entwicklung wird „Step-by-Step“ verlaufen. Bosch-Chef Volkmar Denner: „Heute ist es Vorschrift, dass die Hände ans Lenkrad gehören und die Augen auf die Straße. Der erste Schritt wird sein, dass die Hände nicht mehr das Lenkrad berühren müssen. Danach können die Augen sich von der Straße abwenden und sich mit interessanteren Dingen wie der aktuellen Zeitung oder den neues E-Mails widmen. Darauf aufbauend wird es weiter bis zum vollautomatisierten Fahren gehen“, ist er sich sicher.

Wo aber bleibt der Fahrspaß? Selbst wenn die Preise für solche Systeme erschwinglicher werden und der Einbau nicht vorwiegend nur in der Oberklasse zum Einsatz kommt -ohne eigene Verantwortung und dem Spiel mit Gasfuß und Lichthupe wird Autofahren zu einer sterilen Angelegenheit, warnen nicht wenige. Kommen Zug um Zug hochautomatisierte Autos in den Straßenverkehr, müssen die Fahrer zudem mit vielen Widerwärtigkeiten kämpfen und sich zurückgesetzt fühlen. Denn die Lenker in den anderen Autos um sie herum, so die Befürchtung, schätzen ihren Sicherheitsabstand anders ein als das selbstdenkende Fahrzeug. Sie mogeln sich vorbei und scheren rasch wieder ein. Die Folge: Das automatisierte Fahrzeug hält den vorgegebenen Abstand ein und bremst ab. Das Spiel kann von neuem beginnen. Selbstfahrende Autos werden sich immer so bewegen, als wenn der Fahrlehrer immer noch auf dem Beifahrersitz hockt. Sie werden also zwangsläufig langsamer unterwegs sein als die handbetriebene Konkurrenz. Wer das nicht akzeptieren will, dreht entnervt dem Roboter unter der Motorhaube den Saft ab und ärgert sich obendrein über den teuren Aufpreis. Ohnehin trauen nur 37 Prozent der Autofahrer in Deutschland der Technologie des autonomen Fahrens.

Bleibt als alles beim Alten? Keineswegs. Der Gewinn an Komfort und das Mehr an Sicherheit werden, so hoffen Automobilhersteller und Zulieferer, mittelfristig den Sieg davon tragen. Auf den Autobahnen wird es in rund fünf Jahren soweit sein. Aus der Sicht des Autofahrers ist vollautonomes Fahren vor allem dann erstrebenswert, wenn der Handbetrieb lästig wird und Fahrfreude weit und breit nicht in Sicht ist, beispielsweise bei langweiligen Autobahnfahrten und im stressigen Berufsverkehr. 

 

Info: Die fünf Stufen des automatisierten Fahrens

  1. Driver only: Der Fahrer lenkt das Auto nach alt bewährtem Muster und entscheidet alles selbst.
  2. Assistiertes Fahren: Beschleunigen und Abbiegen bleiben in der Verantwortung des Fahrers. Aber Spurhalteassistent, Abstandswarner oder automatisches Abbiegelicht erleichtern die Arbeit. Der Fahrer muss überwachen und immer zur vollständigen Übernahme bereit sein.
  3. Teilautomatisiertes Fahren: Beschleunigen, Bremsen oder Spurwechsel übernimmt zeitweilig der Roboter. Der Fahrer muss überwachen und immer zur vollständigen Übernahme bereit sein.
  4. Hochautomatisiertes Fahren: Beschleunigen, Bremsen oder Spurwechsel übernimmt zeitweilig der Roboter. Der Fahrer muss währenddessen nicht mehr den Verkehr kontrollieren. Wenn das System seine Grenzen erkennt, wird der Fahrer mit genügendem Zeitvorlauf zur Übernahme aufgefordert.
  5. Vollautomatisiertes Fahren: Das System übernimmt ständig die Kontrolle über das Fahrzeug. Der Fahrer kann sich zurücklehnen. Eine Überwachung ist überflüssig. hw

1 Kommentar

  • Pano

    Pano

    Fahrspaß kommt in alltäglichen Fahrsituationen eher selten vor. Im städtischen stop and go oder auf öden Autobahnfahrten kann ich mir autonomes Fahren sehr gut vorstellen. Der Fahrer sollte aber jederzeit in der Lage sein das System zu "overrulen", sprich, von einem Moment zum Nächsten zu übernehmen. Deswegen glaube ich, daß sich eher teilautomatisiertes Fahren durchsetzen wird. Das erhöht uU Komfort und Sicherheit und lässt trotzdem genug Raum für Fahrspaß. Grüße Pano

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