Mercedes-Benz verpasst dem elektrischen GLC EQ bei den Wintertests in Nordschweden den letzten Schliff. Vor allem das Zusammenspiel zwischen den Regelsystemen und den Allradantrieb steht auf dem Prüfstand. Wir machen die Probe aufs Exempel.
In Amerika sagt man: „In Texas ist alles größer“. Was das mit dem Mercedes GLC EQ zu tun hat? Nun, die PSM-E-Maschine an der Hinterachse entspricht im Grunde der, die im CLA EQ ihren Dienst verrichtet, ist aber größer. „Sie ist dem Drehmoment und der höheren Leistung angepasst“, erklärt Techniker Dominik Voogdt. Auf die Frage nach der exakten Leistung lächelt der Experte höflich und verweist auf die Systemleistung von des E-SUVs von 360 kW / 489 PS. Nimmt man den CLA als Referenz, bei dem an der Hinterachse 200 kW / 272 PS anliegen, gehen wir mindestens von 250 kW / 340 PS aus. Wie der CLA EQ ist auch der GLC EQ an Vorder- und Hinterachse mit PSM-Triebwerken bestückt. Wenn es vorne bei 80 kW / 109 PS bleibt, würde die Leistung an der Hinterachse sogar auf 280 kW / 381 PS steigen.
"Das Beste für unsere Kunden"
„Es ist die Summe der Eigenschaften. Die Kombination aus Leistung, Kosten und Effizienz“, begründet Christoph Starzynski, Leiter der Gesamtfahrzeugentwicklung bei Mercedes, die Entscheidung für zwei PSM-Triebwerke und ergänzt: „Es ist das Beste für unsere Kunden.“ Bei solchen wichtigen Bauteilen wollen die Schwaben nichts dem Zufall überlassen und haben die Antriebseinheiten selbst entwickelt. Um die Effizienz zu gewährleisten, sind die Motoren mit einer leistungsfähigen Leistungselektronik und Siliziumkarbid-Wechselrichtern ausgestattet.
Basis ist die MB.EA-Plattform
Der GLC basiert auf der MB.EA-Plattform und hat eine Batterie mit einer Brutto-Kapazität von 94,5 Kilowattstunden (netto vermutlich 85 kWh). Die Zellen sind mit Anoden bestückt, bei denen Siliziumoxid zum Graphit beigemischt ist, was zu einer sehr hohen gravimetrischen Energiedichte führt. Das zeigt: Auch abseits der MMA-Plattform wird Effizienz großgeschrieben. Deswegen profitieren auch andere Modelle von Kerntechnologien, die bereits den CLA über die 700-km-Reichweiten-Grenze wuchten.
Die Multi-Source-Wärmepumpe
Dies gilt für auch für den GLC EQ. Die Multi-Source-Wärmepumpe ersetzt die konventionelle Wärmepumpe, indem sie auf drei Quellen zugreift, aus denen die Wärme gewonnen wird: Neben der Umgebungsluft sind dies die Hitze des Antriebsstrangs und die Wärme, die beim Entfeuchten der Luft durch die Klimaanlage entsteht. Der Energieaufwand beträgt eins zu drei. Anders ausgedrückt: Wenn ein kW aufgewendet wird, generiert das System drei kW. Doch diese Effizienz ist nur eine Seite der Medaille. Die Mehrere-Quellen-Wärmepumpe ist auch für die Konditionierung der Batterie zuständig und ermöglicht so das Schnellladen mit einer Leistung jenseits von 320 kW. Das alles geht nicht zu Lasten der Innenraumtemperatur. Selbst bei arktischer Kälte von minus 20 Grad.
Fokus auf dem Bremsgefühl
Das Brake-Control-System (BCS) bündelt einzelne Komponenten wie den Bremskraftverstärker, den Hauptzylinder und die ESP-Regelung in einem kompakten Modul. Das Ziel ist ein präzises, gleichbleibendes Bremsgefühl, das sich auch bei starker Beanspruchung der Bremsen nicht verändert. Wenn es auf der berühmt-berüchtigten Großglockner-Hochalpenstraße bergab geht, soll die Bremse konstant abliefern, kein Fading auftreten, auch wenn die Bremsflüssigkeit kocht. Das ist auch gut so, da der BEV-GLC sicher kein Leichtgewicht ist. Das Pedal ist entkoppelt und gibt unter allen Bedingungen eine identische Rückmeldung. „Wir wollen nicht, dass man in einen Teig tritt“, beschreibt Dominik Voogdt das Entwicklungsziel. Übrigens: Bei einem Systemausfall springt ein hydraulisches Ersatzsystem ein.
In engen Kurven hilft die Hinterachslenkung
Wir fahren bergab, der Galtispouda-Berg ist schneebedeckt und wir haben mit "D" die stärkste Rekuperationsstufe eingelegt. Selbst bei wenig Haftung und einem starken Gefälle bremst das System den Stelzenstromer selbsttätig zuverlässig bis zum Stillstand ab. Jetzt nehmen wir unser Geschick selbst in die Hand beziehungsweise in den Fuß. Selbst bei einer harten Verzögerung werden nur 50 Prozent des Rekuperationspotenzials genutzt. „Die Abstimmung des ESP beinhaltet mittlerweile das ABS und die Hinterachslenkung. Das macht die Aufgabe deutlich komplexer“, erzählt Dominik Voogdt aus dem Alltag eines Testers. Das Entwicklungsziel ist klar. Selbst bei widrigen Bedingungen wie Glätte muss das Auto stabil bleiben und darf den Fahrer nicht verunsichern, was durch ein spürbares Eingreifen der Regelsysteme geschehen würde. Deshalb wird die Rekuperation bei solchen Bedingungen sukzessive und fein dosiert zurückgenommen. In engen Kurven geht, hilft die Hinterachslenkung, die die Räder mit maximal 4,5 Grad einschlägt.
"Dieser GLC wird in einigen Bereichen noch besser als der jetzige"
20 Bilder Fotostrecke | Aufs Glatteis geführt: Elektrischer Mercedes-Benz GLC EQ in der Wintererprobung
Bei einem SUV, ob elektrisch oder nicht, geht es auch um Traktion und das Klettervermögen. Auch beim GLC steuert die Disconnect Unit (DCU) den Einsatz der beiden Elektromotoren und koppelt bei Bedarf die E-Maschine an der Vorderachse mit einer Klauenkupplung ab. Wählt man das Comfort-Fahrprogramm, ist nur die Hinterachse aktiv. Anders schaut es beim Sport-Modus aus: Hier ist die Grundeinstellung 33 Prozent vorne und 66 Prozent hinten. Beim Herausbeschleunigen aus Kurven ist Grip Trumpf. Auch beim Bergauf-Schneewandern und wirklich rutschigem Untergrund kommt der GLC so gut zurecht. Wir probieren genau das aus und bleiben mitten in einer Steigung stehen. Viele Fahrzeuge würde da die Reifen strecken und einfach wieder zurückrutschen. Nicht so der SUV mit dem Stern. Rauf aufs Gas und die Pneus packen beherzt zu und wuchten den GLC EQ den Hang hinauf. Der Endgegner sind glattpolierte Fahrspuren. Wenn es wirklich mal eng beziehungsweise eisig wird, bleibt immer noch der All-Terrain-Modus als Ultima Ratio, bei dem die Kraftverteilung zwischen den Achsen paritätisch ist. Wie es sich für einen Geländekraxler gehört. Bei vereisten Fahrbahnen rettet dieses Fahrprogramm die Kletterpartie. Zuverlässig. „Dieser GLC wird in einigen Bereichen noch besser als der jetzige“, freut sich Gesamtversuchsleiter Peter Kolb. Ob das stimmt, wird sich im Frühjahr nächsten Jahres zeigen.
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