Ein Tag als... Mercedes-Verkäufer

Wie lebt es sich eigentlich als Mercedes-Verkäufer? Da hilft kein Rätseln und kein Raten, da hilft nur eines: selbst hingehen und es am eigenen Leib erfahren.

Ein Tag als... Mercedes-Verkäufer : Wie lebt es sich eigentlich als Mercedes-Verkäufer? Da hilft kein Rätseln und kein Raten, da hilft nur eines: selbst hingehen und es am eigenen Leib erfahren.
Erstellt am 23. Juli 2009

Labormaus mit Krawatte?

Unser „Versuchslabor“ ist Mercedes-Händler Josef Evertz in Kamp-Lintfort am Niederrhein. Die Labormaus bin ich selbst. Aber schon nach einer Minute ist die Sorge als Versuchsobjekt zu dienen verflogen: Wolfgang Evertz begrüßt mich ebenso herzlich, wie einer seiner Verkäufer, Michael Rosendahl. Er arbeitet bereits seit 1999 für die Marke mit dem Stern, seit 2002 hier in Kamp-Lintfort. Bei ihm erfahre ich in den kommenden Stunden einiges – über saubere Autos, großzügige Kofferräume, zufriedene Kunden und auch ein bisschen über das Leben selbst.



Nett: Selbst für Tagespraktikanten gibt es bei Evertz erstmal einen Kaffee – übrigens einen sehr guten

Verkäufer-Regel Nr. 1: Du musst deine Marke mögen

„Man muss sich mit seiner Marke identifizieren,“ sagt Michael Rosendahl, was ihm bei Mercedes besonders leicht fällt – „das sind eben nicht irgendwelche Autos.“ Acht Fahrzeuge werden in dieser Woche ausgeliefert, überwiegend Jahreswagen. „Das Geschäft mit jungen Gebrauchten läuft nach wie vor gut, bei Neuwagen mussten wir einen Rückgang hinnehmen,“ berichtet Rosendahl.

Die Wirtschaftskrise macht auch vor legendären Automarken nicht halt. Und wer heute einen neuen Mercedes kauft, geht nicht gleich in die Vollen. „Viele, die früher eine S-Klasse fuhren, ziehen jetzt auch eine E-Klasse in Betracht. C-Klasse-Fahrer überlegen, ob nicht auch eine B-Klasse genügt.“ Downsizing ist offenbar nicht nur für Automobilbauer, sondern auch für deren Kunden ein Thema.



Auch Neuwagen werden bei Evertz vermittelt, Jahreswagen laufen momentan aber besser

Ist der Kofferraum groß genug, die Erste

Ein älteres Ehepaar bespricht mit Wolfgang Evertz den Kauf einer C-Klasse. Offenbar bleibt nur noch eine Frage offen: Ist der Kofferraum auch wirklich groß genug? Der Chef öffnet die Klappe eines Ausstellungswagens und demonstriert zusätzlich das Umklappen der Rückenlehnen. Die beiden Senioren lächeln.

Verkäufer-Regel Nr. 2: Mach deinen Kunden glücklich

„Wenn der Kunde mit uns nicht zufrieden ist, dann ist auch die beste Werbung vergebens – der kommt nicht wieder.“ Michael Rosendahl weiß wovon er spricht, denn „mehr als die Hälfte der Kunden kommt über Mundpropaganda zu uns.“ Deshalb versucht er als Berater wahrgenommen zu werden, der mehr möchte, als nur die Unterschrift auf dem Kaufvertrag. „Ein türkischer Kunde hat mich gebeten, ein rohes Ei gegen seinen neuen Wagen zu schlagen – das soll Glück bringen. Habe ich dann auch gerne gemacht.“



Seit zehn Jahren ein Mercedes-Mann: Verkäufer Michael Rosendahl

Ist der Kofferraum groß genug, die Zweite

Wolfgang Evertz berät einen Stammkunden. Der interessiert sich für das kommende E-Klasse-Cabriolet, hat aber Bedenken, ob da zwei Golf-Bags hineinpassen. Der Mercedes-Mann demonstriert das Kofferraumvolumen des aktuellen E-Coupes im Vergleich mit dem Laderraum eines CLK-Cabriolets und kann die Zweifel zerstreuen. Nächstes Jahr wird an einem der umliegenden Golfplätze wohl ein neues E-Cabrio parken.

Verkäufer-Regel Nr. 3: Sag etwas Nettes über den Altwagen

Die Inzahlungnahme von Gebrauchten ist auch bei Mercedes Evertz an der Tagesordnung. Und dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt. Michael Rosendahl weiß: „Es macht überhaupt keinen Sinn, an dem Gebrauchtwagen herumzumäkeln, um so den Preis zu drücken. Besser man hebt das Positive hervor, statt den Wagen schlecht zu machen.



Das Werkzeug des Verkaufsprofis: Computer-Maus und Telefon

Der „Warndreieck-Skandal“

Dieser Kunde ist sauer. In der Hand hält er ein Mercedes-Warndreieck, das eigentlich innen am Kofferraumdeckel hängt. Aber genau da ist es beim Zuschlagen der Klappe einfach abgefallen. „Das darf doch nicht passieren,“ ärgert sich der Mann. Michael Rosendahl hört ihm aufmerksam zu und übergibt ihn an einen Kollegen in der Werkstatt, der sich umgehend um die Panne mit dem Pannenhelfer kümmert.


Verkäufer-Regel Nr. 4: Achte auch auf Kleinigkeiten

Endlich kann ich zu Recht behaupten: „Ich hab mal einen nagelneuen Mercedes abgestaubt!“



Der Showroom eines Autohauses bildet die perfekte Welt ab. Und in einer perfekten Welt gibt es keine staubigen Autos. Ich helfe der Perfektion ein bißchen auf die Sprünge, indem ich die Karossen mit einem Staubwedel behandle. Dass solche Details sehr wichtig sind, hat mir Michael Rosendahl schon kurz zuvor gezeigt: Als ein Interessent eine E-Klasse von einem Probefahrt-Wochenende zurückbringt, sorgt er dafür, dass dessen Wagen direkt neben dem Ausgang geparkt wird. „Es muss ja nicht sein, dass der Mann erst einmal den Hof nach seinem Auto absucht.“

Mercedes-Radio im Fiat Ducato

Ein älterer Herr schüttelt Michael Rosendahl die Hand. Man kennt sich. Der Mann braucht den Code für sein Mercedes-Radio, den „mein“ Verkäufer umgehend in der Mercedes-Datenbank recherchiert. „Kommen Sie, ich stelle das gleich am Gerät ein,“ schlägt Michael Rosendahl vor und folgt seinem Kunden – zu einem gut abgehangenen Fiat Ducato. Hier hat das Radio nämlich sein neues Zuhause gefunden.

Verkäufer-Regel Nr. 5: Biete eine Probefahrt an

Da mögen die Prospekte noch so edel sein und die Sitzprobe noch so gut gefallen – „endgültig überzeugen kann nur eine Probefahrt“, ist sich Michael Rosendahl sicher. „Bei Interessenten, die wir bereits kennen, bieten wir die Vorführer durchaus auch mal für ein ganzes Wochenende an.“ Fast alle Kunden rechtfertigen dieses Vertrauen, nur ganz selten gibt es Probleme. „Einmal hat ein Interessent den Wagen nicht mehr zurückgebracht,“ erinnert sich Rosendahl. „Später erfuhren wir dann, dass der Mann mehrfach vorbestraft war.“ Merke: Auch ein guter Autoverkäufer kann den Menschen nicht in den Kopf gucken.



Kunden zu einer Probefahrt im E-Klasse Coupé überreden – das sollte selbst einem Anfänger wie mir gelingen

Endlich: Mein erster Kunde

Er interessiert sich für ein gebrauchtes CLK-Cabrio. Wir plaudern eine Zeit lang über Autos, Motorräder, Design und Lackfarben. Dann übernimmt Michael Rosendahl das Gespräch, sucht in einer Mercedes-Datenbank nach passenden Fahrzeugen und rechnet verschiedene Finanzierungsmodelle durch. Ein guter Verkäufer berät den Kunden ohne Druck auszuüben. Nach einer Dreiviertelstunde verlässt der Interessent den Showroom, will sich die Sache in Ruhe überlegen.

Kann ein „falscher“ Autoverkäufer einen echten Kunden überzeugen? Versucht hab ich es jedenfalls.

So endet mein Tag als Automobilverkäufer, ohne ein einziges Auto verkauft zu haben. Ist wohl besser, wenn ich weiter über Mercedes-Automobile schreibe, statt versuche, sie an den Mann (oder die Frau) zu bringen.

1 Kommentar

  • F4NZI

    F4NZI

    Naja da ich in einer Mercedes-Niederlassung arbeite, weiss ich etwa, wie sich der Tagesablauf von denen gestaltet. In der Service-Annahme ist im Moment vermutlich wirklich mehr los als beim Verkauf. Aber im Verkauf ist es oft von Tag zu Tag sehr unterschiedlich.

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