Mercedes feilt mit Hochdruck an seinem Elektro-SUV namens EQ C. Bei den Erprobungsfahrten in der heißen Wüste von Tabernas zeigte sich, dass man sich auch bei der Elektromobilität von den anderen Herstellern differenzieren kann. Dr. Martin Hermsen lässt den Mercedes EQ C-Prototypen auf dem Circuito de Almeria in Spanien richtig fliegen. „Die Kurve hat es in sich“, murmelt der Projektleiter des Elektroantriebs des EQC und wuchtet den Crossover um die die winklige Rechts, die dann auch noch hinten raus zumacht. Das gut 2,2 Tonnen schwere Schiff legt sich leicht in die Kurve, die Pneus jaulen auf und der Allradantrieb schafft es erfolgreich den E-Kreuzer in der Spur zu halten. Das 4,76 Meter lange Vehikel meistert die enge Ecke problemlos. Doch damit ist es noch nicht getan, die Hatz um den 4,025 Kilometer langen Motorradrennkurs geht weiter. Zwei Runden lang volle Motte, Hermsen holt alles aus dem 300 kW / 408 PS BEV heraus: bremsen, beschleunigen und wieder voll in die Eisen. Und das bei 32 Grad. Eigentlich Gift für jeden Elektroantrieb, zumal schon 90 Minuten Erprobungsfahrt bei dieser Hitze hinter dem Fahrzeug liegen. In der Wüste von Tabernas, wo Sergio Leone Spaghetti-Western drehte, lädt Mercedes den E-Colt, um Tesla & Co. den Kampf anzusagen.
Aus den Schwächen der Amerikaner hat man im Schwabenland seine Schlüsse gezogen. „Sehen Sie, der EQ C hält das aus“, sagt Hermsen und setzt einen zufriedenen Gesichtsausdruck auf. Denn gerade solche extremen Bedingungen setzen den elektrischen Antriebsstrang massiv unter Stress. Bis der EQ C in Produktion geht, werden rund 200 Prototypen in allen Ecken dieser Erde durch unwirkliche Gegenden gehetzt, um die Fehlerquellen auszumerzen. Die Bandbreite reicht von arktischer Kälte von – 35 Grad, bis eben zur Hitze, die auch 40 Grad überschreitet. Wir sitzen in einem Bestätigungs-Fahrzeug, der letzten Stufe vor den Produktions-Tests. Doch die Jagd auf der Rennstrecke ist nur ein Teil der Tortur: Es geht durch Hügel und Berge auf Straßen, die eigentlich geteerte Feldwege sind, voller Schlaglöcher, Rissen und Unebenheiten. Der Härtetest für jedes Fahrzeug. Dazu kommt der stets präsente Staub.
„Wir wollen den EQ C so komfortabel, wie eine E-Klasse und so sportlich, wie einen CLS abstimmen“, erklärt der Ingenieur. Das Fahrwerk des Prototypens mit Stahlfedern und einem Niveauausgleich an der Hinterachse macht schon einen guten Eindruck und wird mit allen Herausforderungen fertig. Poltern? Fehlanzeige. Auf den kurvigen Straßen lassen sich die auch die verschiedenen Fahr- beziehungsweise Rekuperationsmodi gut ausprobieren. Standardmäßig ist immer D-Auto, da versucht die Software mit Hilfe der Sensoren die ideale Lösung auf die jeweilige Situation zu finden. Vieles ist schon aus der S-Klasse PHEV oder der B-Klasse Electric Drive bekannt. Läuft das E-SUV auf einen Vordermann auf wird automatisch geschmeidig gebremst und dabei rekuperiert. Mit Hilfe der Wippen am Lenkrad kann man die Einstellung auch selbst bestimmen. Von Segeln (D+) bis hin zur One Pedal-Fahrweise mit voller Rekuperation (D - - ) ist möglich.
Schon nach wenigen Metern fällt die Ruhe im Innenraum auf. Kein charakteristisches Sirren des Elektromotors, lediglich die Abrollgeräusche der Reifen sind zu hören. Das ist genauso beabsichtigt. „Das Auto soll möglichst leise sein“, erklärt Hermsen und öffnet die Motorhaube. Dort offenbart sich ein Teil des Geheimnisses des Sounds of Silence. Die E-Maschine und Leistungselektronik bilden eine Einheit, die an einem Trägerrahmen aufgehängt ist. Der wiederum ist an den klassischen Motorlagern befestigt. Durch diese zweifache Entkopplung werden die Geräusche und Vibrationen weitgehend eliminiert und außerdem hat das auch einen Produktionsvorteil. Denn der EQ C – basiert auf der EVA I-Plattform - kann so auf der gleichen Linie, wie der GLC laufen, nur beim Einbau der knapp 600 Kilogramm schweren Batterie muss der EQ C kurz austreten. Die schweren Akkus machen Hermsen keine Sorgen, er freut sich über den niedrigen Schwerpunkt. „Das Auto soll liegen, wie ein Slot-Car“ macht der Techniker klar. Wenn sie sich bei Mercedes so weit aus dem Fenster lehnen, sind sie sich ihrer Sache zumeist ziemlich sicher. Der Fahrtest des EQ C wird zeigen, ob das Ziel erreicht wurde.
Die Batterie besteht aus Pouchzellen und woher die kommen, wird nicht verraten. Es dürfte entweder SK Innovation oder LG Chem sein – beides Südkoreaner. Mercedes will nichts dem Zufall überlassen, bei Bedarf kann die Zellart und damit auch der Zulieferer gewechselt werden. Das Batteriemanagement, die Kühlung und die Einbindung der Akkus in das Gesamtsystem übernehmen die Daimler-Ingenieure selbst.
Das Interieur des Fahrzeugs ist noch abgedeckt. Doch man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass der Mercedes EQ C das MBUX-Infotainment mit den zwei 10,25 Zoll Displays bekommt. Die Fähigkeiten des Systems, inklusive der Augmented Reality, werden durch BEV-spezifische Details erweitert. Da geht es in erster Linie um die Reichweite. Dass nahegelegene Ladestationen im Navigationssystem angezeigt werden, ist nichts Neues, aber bei Mercedes haben sie noch das eine oder andere As im Ärmel. Es wird wohl Funktionen geben, die eine möglichst große Reichweite aus dem Fahrzeug herausholen.
Bildergalerie: Erprobungsfahrt mit dem Mercedes EQ C
20 Bilder Fotostrecke | : Elektromobilität: Erprobungsfahrt mit dem Mercedes EQ C
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