Fahrbericht: Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé (X290)

6 (fast) Richtige: Der AMG GT 53 wird zur "Herzensangelegenheit"

Fahrbericht: Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé (X290): 6 (fast) Richtige: Der AMG GT 53 wird zur "Herzensangelegenheit"
Erstellt am 30. Oktober 2020

Das Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé sollte für uns zu einer echten „Herzensangelegenheit“ werden. Knapp zwei Wochen durften wir das „4-Door-Coupé mit Stern“ auf Herz und Nieren testen. Als der Testwagen bei der Anlieferung vorfuhr, war sofort klar: So muss ein GT 53 Coupé aussehen und konfiguriert sein!
Große Felgen, schwarze Akzente und ein knalliges Rot. Da hat jemand am Konfigurator ein gutes Händchen bewiesen. Aber eine Frage stellte sich uns von Anfang an: Fehlen dem AMG GT 53 nicht zwei Herzklappen? Gehört in so ein Fahrzeug nicht ein V8, oder kann der 3-Liter-R6 teuflisch gut abliefern?

Was wir zuallererst anmerken müssen, unter dem Kleid des Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé steckt nicht wie der Name sagt, ein AMG GT mit verlängertem Radstand, sondern eine E-Klasse. Der Name „GT 53 Coupé“ klingt aber etwas knackiger und erlaubt auch ein aggressiveres und mutigeres Design. Geprägt wird dieses durch die Haifisch-Front mit dem Panamericana-Grill, den Multibeam LED-Scheinwerfern und den beiden Powerdomes auf der Motorhaube. Dazu sind bei unserem Testwagen schicke, schwarze 21-Zoll-AMG Schmiederäder im 5-Doppelspeichen-Design montiert. Besonders cool sind die silbernen Ringe mit dem „AMG“ Schriftzug und die Gummikanten an den Reifen, die vor Bordsteinkanten schützen sollen.

Volltreffer: Das Jupiterrot steht dem GT 53 richtig gut

Farblich trifft der AMG GT 53 genau unseren Geschmack: Jupiterrot in Kombination mit dem AMG Night-Paket. Schwarze Felgen, verdunkelte Scheiben und ein optionales Carbondach. Dazu die dynamisch-aggressive Silhouette, die sportlich und elegant zugleich wirkt. Zwar nennt sich der GT mit seiner Coupé-artigen Form ein „4-türiges-Coupé“, allerdings wird das Fahrzeug im Fahrzeugschein als „Kombilimousine“ tituliert.

Kräftige, runde Doppelendrohre zeugen von Performance

Für den Performance-Look sorgen auch die zwei Doppelendrohre im runden Design. Die eckigen Auspuffblenden sind dem AMG GT 63 vorbehalten. Am Heck verbirgt sich ebenso der kleine Spoiler, der aus unserer Sicht ruhig etwas größer hätte ausfallen können. Der Spoiler lässt sich insgesamt in drei Stufen manuell sowie automatisch einstellen. Unter dem Kofferraumdeckel befindet sich ausreichend Platz für Reisetaschen und Gepäck. Insgesamt 455 Liter Volumen schluckt der Kofferraum. Klappen wir die Rücksitzlehnen um, schafft das GT Coupé sogar 1.300 Liter Volumen.

Optisch haben wir ein Fahrzeug, das sich ganz klar mit dem Porsche Panamera messen soll, sprich eine leistungsstarke Limousine mit viel Platz für Familie und Freizeit, Komfort zum Reisen und trotzdem ausreichend Performance. AMG will mit dem GT 4-Türer dem Panamera die Spitzenposition streitig machen und bläst mit dem „4-Door“ zum Angriff. Auf der Rennstrecke geben sich die beiden Performance-Marken in den letzten Monaten schon ordentlich Saures. Erst im August konnte der Porsche Panamera den einst aufgestellten Rekord des GT 63 auf der Nürburgring-Nordschleife um 0,3 Sekunden schlagen…und ein Ende der Schlacht ist noch nicht in Sicht, denn AMG hat bereits angedeutet, die Bestzeit von Porsche wieder unterbieten zu wollen.

Das Herz des Mercedes-AMG GT 53: M256 3,0-Liter-R6 mit 435 PS

Wir haben hier allerdings nicht den 63er mit V8-Biturbo und 4 Litern Hubraum, sondern den 53er, der sich zwischen dem kleineren 43er und dem größeren 63er einsortieren soll. Angetrieben wird der GT 53 mittels 3,0-Liter-R6 mit Abgasturbolader und elektrischem Zusatzverdichter. Der Motor M256 wird allerdings entwickelt von Mercedes-Benz und nicht von AMG in Affalterbach. Dementsprechend kommt hier auch nicht das AMG-Prinzip „One Man - One Engine“ zum tragen, und infolge dessen fehlt auf dem Motorblock auch die bekannte „Handcrafted by...“-Plakette. Da hat der A45 mehr AMG-Flair. Ein Reihensechszylinder in einem AMG ist allerdings nichts neues. Einen R6 gab es zum Beispiel schon im 190er 3.2 oder in der Baureihe W202 beim C36.

Fehlende Leistung kann man dem M256 allerdings nicht vorwerfen. Die 3-Liter-Hammer-Kammer mit 435 PS und 520 Newtonmetern bringt den AMG GT 53 in 4,5 Sekunden auf Tempo 100. Schluss ist erst bei 285 km/h. Übrigens: Die 43er und 53er besitzen einen EQ-Boost von zusätzlichen 22 PS.

Im Interieur besticht die sensationelle Sitzanlage

Im Interieur sorgen Polster in Nappa Leder magmagrau/schwarz und die AMG Performance Sitze für echtes Sport-Feeling. Die Sitzanlage ist wie immer ganz hervorragend. Knallharte Sitzschale oder sachter, komfortabler Langstreckensitz – Die AMG Performance Sitze können wirklich beides. Zudem schmiegt sich der Sitz ganz smooth um einen herum, das könnte allerdings auch an dem Multikontursitz-Paket liegen, das sich mit mehr oder weniger Luft in den Seitenwangen wie einen Maßanzug an den Fahrer anpasst.

Fantastisch gelungen: Das AMG Performance Lenkrad

MBUX gibt es in unserem Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé nicht. Stattdessen finden wir das große Widescreen-Cockpit vor. Ein großer Screen ohne Touchfunktion – das wirkt heutzutage schon fast wieder ungewohnt. Das Kombiinstrument lässt sich über das Lenkrad frei-konfigurieren und das Media-Display können wir über das Pad in der Mittelkonsole steuern. Richtig klasse ist das AMG Performance Lenkrad in Mikrofaser DINAMICA schwarz mit den AMG Lenkradtasten. Das fühlt sich nicht nur sensationell an, das sieht auch verdammt schick aus. Mit der rechten Lenkradtaste stehen die fünf Fahrprogramme des DYNAMIC SELECT zur Auswahl. Links können wir uns die AMG Lenkradtasten frei-konfigurieren. Die Tastenbelegung in der Mittelkonsole wirkt aufgeräumt, übersichtlich und leicht verständlich. In der „V-artigen“ Mittelkonsole befinden sich lediglich acht Schalter mit den wichtigsten Funktionen.

Keine Gänsehaut beim Druck auf den Engine-Start-Button

Da wir beim GT 53 von einer sogenannten „Kombilimousine“ sprechen, ist natürlich auch der Platz im Fond sehr wichtig. Wir machen die Sitzprobe und sind durchaus überrascht. Genug Platz für Kopf, Schulter und Beine. Deutlich mehr als zum Beispiel bei unserem CLS Shooting Brake, der allerdings auf der E-Klasse Generation 212 basiert.

Genug Theorie, wir gehen in die Praxis! Das heißt anschnallen und den Engine-Start-Button drücken. Wer hier einen fauchenden AMG-Sound erwartet, wird leider enttäuscht. Man muss schon gut hinhören, oder einen Blick auf den Drehzahlmesser werfen, um zu erkennen, ob der R6 läuft. Erst beim manuellen öffnen des Klappenauspuffs dringt ein leichter, dumpfer Sound in die Fahrerkabine. Deutlich beeindruckender sind dagegen die schon erwähnten Fahrwerte. Werte, die stark nach Supersportwagen klingen. Schließlich steht „GT“ ja auch für Gran Tourismo, was wiederum ursprünglich für Große Fahrt steht, sprich relativ komfortable und gut-motorisierter Sportwagen.

Wie immer bärenstark: Das AMG SPEEDSHIFT TCT 9G

Von außen klingt der AMG GT 53 aber deutlich zu friedlich. Die optionale AMG Performance-Abgasanlage holt das heraus, was bei einem 3-Liter 6-Zylinder rauszuholen ist. Es wirkt fast so, als würde der Klang digital in die Fahrerkabine geleitet werden. Ein Punkt, der uns nicht so gut gefällt. Irgendwie nimmt dies dem GT den Kick. Erwähnenswert ist das  AMG SPEEDSHIFT TCT 9G, das die Gänge aus butterweicher, aber zugleich knallharter Symbiose durch das Getriebe lenkt. Und auch das AMG RIDE CONTROL+ kann hart und sanft. Im Sport+-Modus liegt der GT wie ein Brett in den Kurven. Jede Bodenwelle zieht sich dann bis in die Fingerspitzen. So soll es sein! Wem das zu „heavy“ ist, der kann im Comfort-Modus ganz smooth und E-Klasse-like unterwegs sein. Toll, wenn beides mit nur einem Druck auf die Taste möglich ist. Genauso wichtig wie Fahrwerk und Getriebe sind die Bremsen. Erst recht bei einem 435-PS-starken Leistungssportler. Unser GT 53 kommt glücklicherweise mit der AMG Keramik Hochleistungs-Verbundbremsanlage. Diese beeindruckt - vor allem wenn auf Betriebstemperatur - mit hervorragenden Bremseigenschaften durch groß dimensionierte Bremsscheiben, ist rundum innen belüftet, genutet und gelocht. Aber auch über 8.300 Euro teuer. Und mal unter uns: Dicke, gelochte Bremsscheiben mit großen Bremssätteln sehen an den 21-Zoll-Felgen einfach extrem cool aus!

Ist der AMG GT 53 ein Hybrid-Benziner/ E?

Optional ist auch das AMG Track Pace. Damit könnt ihr alle möglichen Rennstrecken einprogrammieren. Manche Strecken wie der Nürburgring sind sogar schon hinterlegt. Mit de AMG Track Pace könnt ihr Rundenzeiten aufnehmen, Rennparameter messen und Geschwindigkeiten aufnehmen.

Mercedes-AMG gibt das Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé mit einem Durchschnittsverbrauch von 8,8 Litern an. Wir müssen gestehen, dass wir bei unserem Test deutlich über dem angebenden Wert liegen. Wir waren viel im innerstädtischen Bereich unterwegs, haben viel im Stau gestanden und beim filmen und fotografieren wird auch viel umgeparkt. Da wo es möglich war, haben wir den Pferden dann aber auch mal freien Lauf gelassen. „Ich muss das Fahrzeug doch mal ausprobieren“, würde Kalle Grabwoski an dieser Stelle sagen. Dennoch ist ein Durchschnittsverbrauch von ca. 15 Litern eine echte Hausnummer. Da hätten wir mit dem größeren V8 wohl nicht viel mehr verbraucht. Etwas schmunzeln lässt uns der Blick in den Fahrzeugschein. Das AMG GT 53 4MATIC+ Coupé wird dort als „Hybrid-Benziner/ E“ tituliert. Immerhin hat der 53er wie auch der 43 einen 48V-Starter-Generator der mit einem EQ-Boost nochmal zusätzliche 22 PS leistet. Also wird der AMG GT 53 in der internen Statistik wohl als Hybridfahrzeug geführt? Das ist schon bemerkenswert...

Fehlen da nicht zwei Herzklappen?

Wer auch immer diesen AMG GT-4-Door konfiguriert hat, hat ein sehr gutes Händchen bewiesen. Es passt nahezu alles zusammen. Lange sind wir kein Auto mehr gefahren, bei dem die Daumen so um uns herumflogen wie beim GT 53. Der Junge mit dem Skateboard findet den GT genauso cool wie ihn der SL-Fahrer mit dem R129 findet. Und auch Porschefahrer gucken im Augenwinkel erstaunt nach dem 4-Türer.

Leider gibt es beim Mercedes-AMG GT 53 4MATIC+ Coupé auch ein großes ABER. Es wäre jetzt vermessen den 3-Liter-R6 M256 zu kritisieren. Der Motor läuft ganz hervorragend, hat genug Druck und geht auch gut nach vorne. Zwar scheint der Maschine auf der Autobahn ab einer gewissen Geschwindigkeit die Luft auszugehen, dennoch macht der R6 einen sauberen, souveränen Job. Aber mal ganz ehrlich… In so ein Auto gehört doch einfach ein 8-Zylinder, oder? Ein Fahrzeug mit diesem Look, ein Fahrzeug mit diesem Charakter, ein Fahrzeug mit dieser DNA – da muss einfach die komplette Kapelle an den Start gehen. Mit dem 6-Zylinder-Triebwerk fehlt es dem GT 53 4MATIC+ Coupé einfach an Magie. Auch wenn die Magie in diesem Fall ein Preisunterschied von gut 40.000 Euro ist. Denn soviel kostet der GT 63 in der Basis mehr als der GT 53.

Das rote AMG-Coupé wird für uns in zweierlei Hinsicht zu einer Herzensangelegenheit. Binnen zwei Wochen haben wir GT ins Herz geschlossen und hätten ihn am Ende gerne gar nicht mehr zurückgegeben. Dennoch fehlen dem 53 zwei Herzklappen, um aus einem geilen Mercedes einen magischen AMG zu machen.

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Bilder: Mercedes-Fans.de & TBSGTE-Productions

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