Ganz schön flashy: Mercedes-Benz SLS AMG geschossen mit der Hipstamatic-App fürs iPhone
Fürs öffentliche Befinden ist das Thema E-Mobilität ungefähr so sexy wie ein Zahnarztbesuch. Jeder weiß, es muss irgendwann sein, aber am liebsten würde man sich drumherum drücken. Dass elektrisch gepowerte Fortbewegung durchaus faszinierend sein kann, ist seit der Erfindung des Tesla Roadsters freilich keine unbekannte Größe mehr, aber eine gewisse Skepsis bleibt. Und die fuhr anfangs auch mit, als uns Mercedes-Benz zu einer Testfahrt mit dem SLS AMG E-CELL einlud!
Statt "Weltverbesserer" jetzt Faszinator!
Voll unter Strom: E-Mobility macht Spaß - mit 533 PS und 800 Nm katapultiert sich der Lumilectric lackierte SLS AMG E-CELL in die Liga der Supersportwagen
Die bisherigen Verfechter der E-Mobility werden es nicht gern hören. Aber ein kleines bisschen sind sie selbst daran Schuld, dass wir alle eher skeptisch auf die Autos geschaut haben, die uns den geliebten Verbrennermotor streitig machen wollen. Wobei "wollen" in diesem Zusammenhang nicht ganz stimmt. Sie werden es früher oder später tun müssen.
Naja, und eben genau das bereitet vielen Auto-Begeisterten Kummer. Oft haben die meisten Elektroautos zwar den spröden Geschmack des Weltverbesserers versprüht, selten aber den Charme der Faszination. Mit dem folgerichtigen Ergebnis beim jeweiligen Adressaten: "Och nö, lieber nicht!"
Wer im Auto nur ein umweltverpestendes notwendiges Übel sah bzw. sieht, bejubelte dagegen den technologischen Fortschritt der E-Autos; Zeitgenossen jedoch, die mit dem Auto immer mehr verknüpften als nur bloße Fortbewegung, sahen bekümmert auf das nicht vorhandene Design, die zu kurzen Reichweiten und den mickerigen Fahrspaß. Wer sich ein bisschen historisch mit dem Thema befasst, der erinnert sich vielleicht an einen alten Mercedes Transporter aus den Siebzigern, der auf einem Hanomag basierte, Oma Ducks E-Mobil und vielleicht noch an einige Studien, von denen man als Ästhet hoffte, sie mögen niemals Wirklichkeit werden.
Zugegeben, das war noch die Kinderstube der E-Mobilität, aber es fehlte diesen Versuchen an leichtherziger Aufmüpfigkeit. Vielleicht auch, weil die Batterien einfach zu groß und zu schwer waren?
Der SLS MG E-CELL ist ein elektrisierender Botschafter
Es fehlte bislang das elektrisierende Vorbild. Beim SLS AMG E-CELL ist das anders. Ganz anders. Da bedauerst du, dass er nicht in der heimischen Garage steht. Zumindest jetzt noch nicht. Denn wie die aktuelle A-Klasse E-CELL auch, will Mercedes-Benz den SLS AMG E-CELL in die Hände privater Kunden geben. Es gab auch schon Fahrtermine für einige ausgewählte AMG-Kunden, denen der matt-neongelb lackierte Flügeltürer detailliert vorgestellt wurde. Einer davon war Peter Seidenberg, Kopf der AMG-Freunde. Und in dieser Eigenschaft natürlich angefixt von der Leistungsfähigkeit eines AMGs und begeistert von dessen sattem Sound. Der Autor dieser Zeilen war natürlich baff, als Peter Seidenberg anrief und sagte: Thomas, ich bin SLS E-CELL gefahren, das ist so geil, das glaubst du nicht! Und das nicht nur für die Stadt, sondern gerade auch über Land! Und natürlich war der Autor überrascht, denn Peter Seidenberg betreibt als AMG-Freund auch Motorsport. Wenn so einer sagt, dass der SLS AMG antörnt... Aber zugegeben, ein bisschen Skepsis blieb.
"Ich schwor mir, mich weder von der Form noch von der matt-gelben fluoreszierenden, "Lumilectric" getauften Farbe oder anderen Kinkerlitzchen ablenken zu lassen."
Dabei war ich ja vorgewarnt. Voluntär Luca Felshart hatte bereits den Tesla Roadster gefahren und kam auch mit aufrichtiger Begeisterung zurück. Super Beschleunigung, tolle Optik, schon nicht schlecht! So und nun durfte ich den SLS AMG E-CELL in Valencia über die Rennstrecke schicken. Ich schwor mir, mich weder von der Form, noch von der matt-gelben, fluoreszierenden "Lumilectric" getauften Farbe oder anderen Kinkerlitzchen ablenken zu lassen. Wir hatten den normalen SLS AMG bereits in der Redaktion (Fahrbericht folgt), und wenn der SLS AMG E-CELL die Latte auf dem Papier so hoch legt, dann sollten wir uns auch nicht mit weniger zufrieden geben! Vergiß es..! Alles graue Theorie! Alles zum Teufel!
Bitte lesen Sie weiter auch Seite 2!
The Bullshit stops, after pushing the knobs!
Vom benzingetriebenen SLS AMG unterscheidet sich das Interieur in einigen wesentlichen Details. So findet sich im oberen Bereich der Mittelkonsole ein cleverer Touchscreen für zahlreiche Funktionen wie Audio, Klima usw.
Der Shifter für das 7G-Tronic-Schaltgetriebe fehlt, stattdessen gibt es in der Mittelkonsole lediglich drei Knöpfe D, P und R , deren Bedeutung wohl nicht nur Automatikfahrern geläufig ist. Ja, Freunde und was soll man sagen? The Bullshit stops, after pushing the knobs!
Das von vier Elektromotoren angetriebene E-CELL Geschoss benötigt auf Tempo 100 gerade 4 Sekunden - viel länger braucht es auch nicht, um vom Zweifler zum begeisterten Beobachter zu konvertieren. Junge, Junge, das geht aber ab! Der elektrische Supersportwagen schießt dank 533 PS mit einer Vehemenz von dannen, dass es eine wahre Freude ist. Kunststück, die besagten radnah untergebrachten Elektromotoren produzieren 800 Nm, und mit dieser Gewalt geht es auch voran. Da klingt in den Ohren noch nach, was Dr. Thomas Weber vorher unterstrichen hatte, Wir sind mit den Elektroautos so weit, dass wir sie guten Gewissens in Kundenhände geben können, aber verglichen mit der Entwicklung des Benzinmotors stehen wir erst am Anfang! Wenn der nächste Entwicklungsschritt so ausfällt, dass ähnliches Fahrvergnügen auch in einem Mercedes SLK E-CELL oder CLS E-CELL zu erwarten ist, dann hört sich das doch erstmal gut an. Übrigens, wir haben jetzt in Windeseile die 170 km/h überschritten. Bei 250 km/h regelt der SLS E-CELL ab, aber die erreichen wir hier nicht.
E-Mobility auf dem Dragstrip?
Ob sich die Strategen bei AMG jemals mit dem Gedanken befasst haben, den E-CELL auf die europäischen Dragstrips zu bringen? Ein abstruser Gedanke? Nicht wirklich! Allein bei den NitrOlympx in Hockenheim dürfte ein solcher Auftritt mit einem Schlag 50-70.000 Skeptiker überzeugen. Wenn der SLS auch in keine Klasse passt, so finden sich sicherlich einige Teams, die sich an den Demonstrationsläufen beteiligen würden. Daimler verspricht Faszination, das wäre Faszination hoch zehn. Und wenn AMG den Paradigmawechsel vom Achtzylinder zum E-Antrieb vollzieht, dann sollte auch ein Auftritt auf dem Dragstrip kein Sakrileg mehr sein. Ich leg' mich fest, das Interesse wäre riesig. Vielleicht sogar weltweit! Und E-Antrieb made by Daimler wäre auf einen Schlag auch in den Augen der Skeptiker zumindest nicht mehr uncool.
Und während ich noch diesem faszinierenden Gedanken nachhänge wirft uns eine unsichtbare Hand ein paar Verkehrshütchen entgegen.
Nein, die Kollegen von AMG haben offenbar ein paar Hütchentore aufgestellt. Klar, zum einem sollen wir auf dem Kurs nicht zu schnell fahren und das Einzelstück bei einem Abflug ruinieren, zum anderen aber möchten uns die Affalterbacher auch vom Handlingspotenzial des SLS AMG E-Cell überzeugen. Die Lenkung erfordert Zupacken, aber die von einer geänderten, mit liegenden Federbeinen bestückten Vorderachse dirigierten Räder nehmen willig und zielgenau die Spur auf. An der Fahrdynamik gibt es nichts auszusetzen. Im Vergleich zum Benziner fühlt sich der SLS AMG E-Cell vielleicht ein bisschen massiger an. Aber das ist bei der Flut von Eindrücken, die das Auto auf seinen Piloten einstürzen lässt, nicht entscheidend. Der Flügeltürer liefert in jeder Situation Schub ohne Ende, auch bei 170 km/h bringt ein Druck auf das Gaspedal noch mehr Schub!
Futuristische Rundinstrumente
Gaspedal? Vollgas? Werden wir uns von solchen Begriffen verabschieden müssen? Ich glaube nicht. Aber andere Dinge werden hinzukommen. Beim SLS AMG E-CELL kann der Pilot via "AMG Drive Unit" auch wählen, mit welcher Charakteristik die E-Motoren zur Sachen gehen sollen. Moderat (City Modus) bei möglichst optimaler Batterieschonung, oder kompromisslos zupackend auf Kosten der Reichweite der 324 Lithium-Ionen-Zellen, die in je zwei Blöcken vorn und hinten unter der Haube sowie im Mitteltunnel untergebracht sind. Was offenbar auch der Balance gut tut!
Neu auch die Funktion der Lenkradpaddel: Runterschalten ist ja nicht mehr, stattdessen kann der Fahrer den Grad der Motorbremsung wählen und variieren. Was sich ganz im Sinne einer sportlichen Fortbewegung nutzen lässt und obendrein auch positive Auswirkung auf die Energierückgewinnung hat. Und so jagen wir über den Asphalt des Circuito Urbano de Valencia (Valencia Street Circuit) und haben dabei kaum Zeit auf die neugestalteten Rundinstrumente zu schauen. Stattdessen lauschen die überraschten Ohren einem eigentümlichen Sound!
Schöne Grüße aus Affalterbach
Sound? Was verleitet den Autor dieser Zeilen beim Klang eines Elektroautos von Sound zu sprechen. Zumal der AMG-Kunde in diesem Punkt sicherlich klare Vorstellungen hat! Und diese vom C63 bis hin zum G55 auch optimal bedient werden. Glaub es oder glaub es nicht, lieber Leser, dieses Auto hat einen Sound! Natürlich nicht das Grollen eines V8, aber ein Klangerlebnis ganz eigener Natur, das vielleicht ein wenig nach Düsenflugzeug klingt. Und ein wenig nach Turbine. Ohne Dröhnen oder Brummen, aber durchaus kraftvoll. Verheißend.
Vom smart bis zum SLS AMG E-Cell, Daimler hat schon heute die weltweit vielfältigste Elektroflotte
Die maximale Reichweite des Mercedes SLS AMG E-CELL - zwischen 150-180 km - loten wir an diesem Tag leider nicht mehr aus. Das Fahrerlebnis ist viel zu kurz. Vielleicht auch deswegen, weil es so beeindruckend ist. Der SLS E-CELL ist unmißverständlich AMG!, hatte Peter Seidenberg nach seinem Fahrerlebnis berichtet und dem ist nichts hinzuzufügen!
Entwicklungsvorstand Dr. Thomas Weber hatte anläßlich des Fahrtermins angekündigt: Elektroautos müssen auch faszinieren! Wenn es gelingt, die Essenz des Mercedes SLS AMG E-CELL in kommende Elektro-Mercedes weiterzugeben, dann trifft so manchen Skeptiker der Schlag!
2 Kommentare
Mercedes-Fans.de
20. Januar 2011 10:16 (vor über 13 Jahren)
Miemelauer
20. Januar 2011 09:21 (vor über 13 Jahren)
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