An sich dachte man, Mercedes hätte seine A-Klasse-Familie bereits komplett vorgestellt. Doch eines der wichtigsten Fahrzeuge namens GLA fehlte bisher im Angebot. Er zeigt bekannte Qualitäten und ein exzellentes Paket, doch die Karosserie hätte man sich etwas schärfer gewünscht.
Der Grund liegt auf der Hand, denn im Gegensatz zur Vorgänger-Generation als der betont sportlich positionierte GLA des einzige SUV auf der sehr beliebten Frontantriebsplattform war, gibt es nun den größeren GLB als Familien-SUV, der auf Wunsch sogar als Siebensitzer zu bekommen ist. Und da hätte man beim Styling des 4,41 Meter langen GLA durchaus etwas mehr riskieren können und ihn beispielsweise zu einem emotionalen SUV-Coupé machen können, um ein breiteres Kundenspektrum anzusprechen. Chance verpasst, was nichts daran ändert, dass der Mercedes GLA II H247 seine Fans finden wird. Er ist ein exzellentes SUV, wenn der Hausstand ein bis drei Personen hat und viel Platz nicht der Kaufgrund Nummer eins ist. Außen gibt es bekannte GLA-Proportionen mit einem Hauch Sportlichkeit und jeder Menge Selbstbewusstsein.
Den Innenraum kennt man nach bisher sieben gestarteten Modellen auf der Frontantriebsplattform nur allzu zu gut und die drei Zentimeter mehr Radstand tun insbesondere dem Fond gut. Dazu gibt es bequeme Sitze, das schicke Bediensystem MBUX, dessen beiden Bildschirme bei längerem Hinsehen gerne etwas größer sein könnten und jede Menge praktischer Ablagen. Das gilt auch für die zweite Reihe, doch während die auf Wunsch vollelektrischen Sitze nicht nur beheizt, sondern auch gekühlt werden können, gibt es hinten weder eine eigene Klimaregelung noch eine Sitzheizung, die einige Wettbewerber bieten, um die Aufenthaltsqualität im Fond zu heben. Immerhin lassen sich die hinteren Sitze um 14 Zentimeter in der Länge verschieben und die Rückenlehne variabel einstellen. Ebenso wichtig dürfte vielen Kunden die elektrische Heckklappe sein, die jedoch ebenso wie die verschiebbaren Rücksitze Aufpreis kostet und den Blick auf den Laderaum mit einem allemal ausreichenden Volumen von 435 Litern freigibt. Gut im Blick: das 1.180 Euro teure Head-Up-Display. Etwas unübersichtlich: das schicke Lederlenkrad mit den zahlreichen Bedienelementen.
Das Motorenportfolio des ab Ende April verfügbaren Mercedes GLA ist weitgehend identisch mit dem der anderen Plattformmodelle wie A-, B-, CLA-Klasse oder eben GLB sowie die Limousinenderivate. Wer betont sparsam unterwegs sein will und trotzdem die flotte Gangart liebt, dem sei mindestens der Mercedes GLA 220d empfohlen. Dabei sollte man gar nicht erst überlegen, ob der Allradantrieb für den GLA entbehrlich ist. Er gehört in dieser Fahrzeugklasse einfach dazu, ohne das Fahrzeug zu einer SUV-Mogelpackung zu machen. Wer sich für den Allradantrieb entscheidet, bekommt zugleich das so genannten Offroad-Technikpaket, das neben einem weiteren Fahrprogramm eine Bergabfahrhilfe und bei Ausstattung mit Multibeam-LED-Scheinwerfern eine spezielle Lichtfunktion fürs Gelände umfasst.
Der variable Allradantrieb bietet dem Fahrer über einen Taster am Mitteltunnel die Möglichkeit, die Charakteristik des Allradantriebs analog dem Fahrprogramm anzupassen. Im normalen Fahrbetrieb ist für das Fahrprogramm „Eco/Comfort“ eine Verteilung von 80:20 (Vorderachse : Hinterachse) die Basis, im Sportprogramm verändert sich diese auf 70:30. Im Offroadmodus wird die Allradkupplung als Längssperre verwendet, wodurch die Basisverteilung bei neutralen 50:50 liegt. „Wir wollten ihm mitgeben, dass er im Gelände wirklich etwas kann“, erläutert Jochen Eck, Baureihenleiter der Daimler-Frontantriebsplattform, „weil das Fahrzeug als letztes der Baureihe kam, konnten wir die meisten Module natürlich schon bei den anderen Modellen testen.“ Die Fahrwerksabstimmung des Mercedes GLA 220d 4MATIC ist allemal stramm. Wer mehr Komfort liebt oder variabel unterwegs sein will, dem sei die 1.180 Euro teure Verstelldämpfung empfohlen, bei dem sich die Dämpfer ähnlich wie Lenkung, Motorelektronik und Getriebesteuerung am angewählten Fahrprogramm orientieren. Wer sich für diese Option entscheidet, bekommt vier Stoßdämpfer mit einem elektronischen Ventil, das den Ölfluss variiert. Durch die Regelung der Ölflussmenge verändert sich die Dämpfercharakteristik während der Fahrt, wobei die Spreizung zwischen den Programmen Sport und Comfort spürbar größer geworden ist.
Der zwei Liter große Commonrail-Diesel des GLA 220d 4MATIC ist gerade beim Kaltstart kein Lesetreter, sondern er kann trotz guter Dämpfungsmaßnahmen nicht überspielen, dass er ein Selbstzünder ist. Entsprechend kraftvoll und vehement ist jedoch sein Anzug, denn nach einem kleinen, aber spürbaren Turboloch liegt das maximale Drehmoment von 400 Nm bereits bei 1.600 Touren an und so gibt es aus dem Drehzahlkeller den Imagespurt 0 auf Tempo 100 in 7,3 Sekunden und eine autobahntaugliche Höchstgeschwindigkeit von 219 km/h. Zudem hat der Schwabe bis Tempo 140 / 150 noch immer Kraft für einen bulligen Zwischenspurt ehe es nennenswert dünner wird. Gut abgestimmt: das achtstufige Doppelkupplungsgetriebe, das die Fahrstufen dezent im Hintergrund wechselt. Die Lenkung arbeitet sehr leichtgängig, aber allemal präzise und gefällt somit besonders auch bei langsamer Fahrt in der Innenstadt oder gar beim Einparken.
Der Basispreis für den Mercedes GLA liegt für den GLA 200 bei 37.270 Euro. Der empfehlenswerte Mercedes GLA 220d startet als Fronttriebler bei 41.911 Euro. Mit dem mehr als empfehlenswerten Allradantrieb sind es rund 44.000 Euro. Bitter, dass in dieser Fahrzeugklasse bei einem kompakten Premiumfahrzeug Selbstverständlichkeiten wie LED-Scheinwerfer (987 Euro), Sitzheizung (345 Euro), Rückfahrkamera (398 Euro) oder eine elektrische Heckklappe (464 Euro) als teure Optionen geordert werden müssen. Auch eine beheizte Scheibenwaschanlage (136 Euro), der auf 51 Liter vergrößerte Kraftstoffbehälter (60 Euro) oder die verschiebbare Fondsitze (428 Euro) kosten nochmals extra ohne dass man das Gefühl hat, nach deren Bestellung in einem Luxusmodell unterwegs zu sein. Und das bei einem Hightech-Auto des Jahres 2020 die Smartphone-Integration nochmals 357 Euro und das digitale Radio weitere 238 Euro kostet, ist kaum noch ärgerlich zu nennen. Gleiches gilt für die meisten Fahrerassistenzsysteme, sodass der Preis eines gut ausgestatteten Mercedes GLA 220d 4MATIC kaum unter 55.000 Euro liegen dürfte.
22 Bilder Fotostrecke | Fahrbericht: Mercedes GLA 220d 4MATIC:
Technische Daten: Mercedes GLA 220d 4MATIC
Motor: Vierzylinder-Commonraildiesel
Hubraum: 1950 ccm
Leistung: 140 kW / 190 PS
Max. Drehmoment: 400 Nm ab 1.600 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 217 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h: 7,3 Sekunden
Normverbrauch: 5,0 – 5,3 Liter Diesel / 133 – 140 g CO2
1 Kommentar
Egide aus belgien
15. April 2020 21:10 (vor über 4 Jahren)
Schreibe einen Kommentar