Meilensteine der Sicherheit

Die Geschichte der Experimental-Sicherheits-Fahrzeuge (ESF) bei Mercedes-Benz - oder auch Assistenzsysteme haben mal klein angefangen!

Meilensteine der Sicherheit: Die Geschichte der Experimental-Sicherheits-Fahrzeuge (ESF) bei Mercedes-Benz - oder auch Assistenzsysteme haben mal klein angefangen!
Erstellt am 22. Juni 2009

Als von Assistenzsystemen und kleinen faulen Engelchen noch nicht die Rede war, haben sich die Vorreiter der Mercedes-Sicherheitsforschung dennoch bereits Gedanken über ein sicheres Ankommen gemacht. Mercedes-Fans.de wirft einen Blick zurück auf die ersten ESF Experimental Sicherheits Fahrzeuge.

Wer anlässlich des neuen Experimental-Sicherheits-Fahrzeugs ESF 2009 beim Daimler in Möhringen in der Crashhalle war, der entdeckte da auch eine orange-lackierte große Heckflosse! Oder besser gefragt eine Crash-Flosse? Nein, das ist nicht etwa ein Überlebender, der die Tests hier unbeschadet überstanden hat, sondern wenn Sie so

wollen eine Replika zeitgenössischer Crash-Fahrzeuge", so der Leiter der Mercedes-Sicherheitsabteilung Ulrich Mellinghof. Aber die dort ebenfalls geparkten S-Klassen, das waren nicht wirklich S-Klassen, sondern tatsächlich echte Meilensteine der Mercedes-Benz-Sicherheitsforschung.

Nun lag deren Aufgabe und Los nicht darin an irgendeiner Betonwand zu zerschellen.

Vielmehr sollten sie damals aktuelle und kommende Sicherheitseinrichtungen demonstrieren und den Weg für Sicherheits-Innovationen wie ABS, Gurtstraffer und

Gurtkraftbegrenzer, Airbag und Seitenaufprallschutz ebnen.

In den 60er-Jahren waren die negativen Folgen der Massenmotorisierung nicht mehr zu verkennen. Immer mehr Menschen starben auf den Straßen. Die US-amerikanische Verkehrsbehörde (DOT) startete daher 1968 ein Programm

zur Entwicklung von Experimental-Sicherheits-Fahrzeugen und initiierte die internationale "Technical Conference on the Enhanced Safety of Vehicles" (ESV - Technische Konferenz für verbesserte Sicherheit von Fahrzeugen).

1970 wurden die ersten Anforderungen definiert, die von

Experimental-Sicherheits-Fahrzeugen erfüllt werden sollten. Dazu gehörten ein überaus anspruchsvoller Front- und Heckaufprall auf eine starre Barriere mit 80 km/h

und ein Seitenaufprall auf einen Mast mit 20 km/h. Die Versuchsträger sollten aber auch kleinere Unfälle mit 16 km/h ohne bleibende Verformungen an Front und Heck

überstehen. Außerdem glaubte man, den amerikanischen Verbrauchern das aktive Anlegen von Sicherheitsgurten nicht zumuten zu können, daher waren automatische Gurtsysteme vorgesehen, die sich selbsttätig nach dem Schließen der Türen um die Frontpassagiere legten. Schrecklich! Glücklicherweise wurde dieser "Gurt-Anlege-Assistent" (siehe Bild links) bald wieder zu den Akten gelegt!

Bei Mercedes-Benz wurde die Herausforderung, Fahrzeuge noch sicherer zu konstruieren, mit Begeisterung aufgenommen. Schließlich konnte man zu dieser Zeit

schon auf mehr als 20 Jahre kontinuierlicher Sicherheitsforschung zurückblicken. Und rund zehn Jahre zuvor, 1959, war die entscheidende Grundlage für alle künftigen Sicherheitsentwicklungen bei der Marke mit dem Stern bereits in Serie gegangen: Die Sicherheitskarosserie mit Aufprallenergie verzehrenden Knautschzonen vorn und hinten

und einer stabilen Fahrgastzelle dazwischen.

Die Sicherheitsforschung nimmt Methode an!

Ab Frühjahr 1971 kam das Projekt ESV in der 1969 als eigenständige Abteilung gegründeten Sicherheitsforschung bei Mercedes-Benz in Sindelfingen ins Rollen.

Insgesamt wurden in den folgenden vier Jahren 35 Fahrzeuge aufgebaut und erprobt.

Der erste Test fand am 12. März 1971 mit einem W114-Serienwagen, also der damaligen

Mittelklasse-Baureihe, statt: Er wurde bei einem Frontalaufprall mit 80 km/h gegen eine feststehende Wand geprüft. Zu den Crashversuchen gehörten unter anderem Front- und Heckaufprall-Versuche, Seitenaufpralltests gegen Masten und mit anderen Fahrzeugen, aber auch Falltests aus 0,5 Meter Höhe.

Doch nicht nur der Schutz der Insassen bei einem Unfall durch entsprechend optimierte Fahrzeugstrukturen und neuartige Rückhaltesysteme stand im Fokus der Entwickler. Auch vor fast vierzig Jahren galt schon der für Mercedes-Benz bis heute

typische ganzheitliche Sicherheitsansatz. Zur Äußeren

Sicherheit zum Schutz von Fußgängern und Zweiradfahrern besitzt das ESF 13 Front- und Heckstoßfänger mit geschäumten Seitenteilen, Regenleisten aus Gummi und abgerundete Türgriffe. Auch an die Feuersicherheit wurde gedacht: Kraftstoffbehälter über der Hinterachse mit großem Abstand zur Auspuffanlage, durch eine vom Motoröldruck abhängige Vorrichtung wird die Kraftstoffförderpumpe still gelegt, ein Ventilsystem verhindert das Auslaufen von Kraftstoff bei anomaler

Fahrzeuglage, die im Innenraum verwendeten Materialien sind schwer entflammbar und ein Feuerlöscher ist griffgünstig unten vorn am Fahrersitz montiert.



Sicherheit zählte mittlerweile selbstverständlich zum Entwicklungsumfang neuer Autos, in rascher Folge flossen die im Rahmen des ESF erstmals umgesetzten Ideen in

die Serie ein. Meilensteine dafür waren unter anderem:



1978: ABS geht in Serie

1980: Weltpremiere von Fahrerairbag und Gurtstraffer

1995: Gurtkraftbegrenzer und Seitenairbags gehen in Serie

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Crash-Test-Klassiker: ESF 5:

Entwickelt wurde der ESF 5 auf Basis der Baureihe W 114 ("Strich-Acht"), präsentiert auf der 2. Internationalen ESV-Konferenz vom 26. bis 29. Oktober 1971 in Sindelfingen



a.. Ausgelegt für Aufprallgeschwindigkeit 80 km/h

b.. Fünf Dreipunkt-Gurte mit je drei Kraftbegrenzern, Gurte vorn selbstanlegend

c.. Fahrer- und Beifahrer-Airbag, zusätzlich je ein Airbag in den Rücken-lehnen der Vordersitze für die außen sitzenden Fondpassagiere. Dadurch Steigerung des

Gewichtes der Sitze vorn auf je 63 kg (Serie: 16 kg).

d.. Umfangreiche strukturelle Versteifungen im Vorderwagen und seitlich

e.. Leergewicht fahrfertig: 2.060 kg (665 kg mehr als Serie)

f.. Gesamtlänge 5.340 mm (655 mm mehr als Serie)

g.. Radstand gegenüber Serie um 100 mm verlängert, um trotz voluminöserer Sitze Platzangebot im Fond zu erhalten

h.. Vorbauverlängerung inkl. hydraulischer Pralldämpfer: 370 mm

i.. V6-Versuchsmotor, um Verformungsraum vorn zu gewinnen

j.. Armaturentafel mit Blechaufprallkörper im Beifahrerbereich

k.. Alle in Frage kommenden Aufprallbereiche im Innenraum mit Polyurethanschaum abgepolstert, insbesondere Türen, Säulen und Dachrahmen

l.. Türen ohne Drehfenster, elektrische Fensterheber

m.. Leuchtenwischer, Leuchtweitenregelung, Heckscheiben-Parallelwischer

n.. Seitliche Begrenzungsleuchten, Heckleuchten mit Stillstandrelais und Kontrolleinrichtung

o.. Front- und Heckscheibe aus Verbundglas, geklebt

p.. Pedale mit abgerundetem Unterteil

q.. ABS-Bremse

Crash-Test-Klassiker: ESF 13

ESF 13: Stilistisch überarbeitete Variante des ESF 5, präsentiert auf der 3.

Internationalen ESV-Konferenz vom 30. Mai bis 2. Juni 1972 in Washington (USA)

a.. Rückhaltesysteme und weitere Details wie beim ESF 5

b.. Leergewicht fahrfertig: 2.100 kg (705 kg mehr als Serie)

c.. Gesamtlänge 5.235 mm (550 mm mehr als Serie)

d.. Vorbauverlängerung inkl. hydraulischer Pralldämpfer: 420 mm

e.. Die Änderungen der Außenabmessungen ergaben sich in erster Linie durch die Neugestaltung von Bug und Heck. Die Stoßfänger waren nun unterfahrbar angeordnet,

der Verformungsweg blieb gleich. Bug und Heck wurden verlängert, um den Stoßfängerüberhang auf ein stilistisch vertretbares Maß zu reduzieren.

Crash-Test-Klassiker: ESF 22

ESF 22: Auf Basis der Baureihe W 116 (S-Klasse 1971), präsentiert auf der 4. Internationalen ESV-Konferenz vom 13. bis 16. März 1973 in Kyoto (Japan)

a.. Ausgelegt für Aufprallgeschwindigkeit 65 km/h

b.. Vier Dreipunktgurte mit je drei Kraftbegrenzern und einem Gurtstrammer

c.. Fahrer: Airbag statt Gurtstrammer

d.. Leergewicht fahrfertig: 2.025 kg (287 kg mehr als Serie)

e.. Gesamtlänge 5.240 mm (280 mm mehr als Serie)

f.. Vorbauverlängerung inkl. hydraulischer Pralldämpfer: 245 mm

g.. ABS-Bremse

Crash-Test-Klassiker: ESF 24

ESF 24: Modifizierte S-Klasse (W 116), präsentiert bei der 5. Internationalen ESV-Konferenz vom 4. bis 7. Juni 1974 in London (Großbritannien)

a.. Rückhaltesystem wie ESF 22

b.. Leergewicht fahrfertig: 1930 kg (192 kg mehr als Serie)

c.. Gesamtlänge 5.225 mm (265 mm mehr als Serie)

d.. Vorbauverlängerung inkl. hydraulischer Pralldämpfer: 150 mm

e.. ABS-Bremse





Damit waren die Grundlagen für das heutige Sicherheitsniveau der Autos mit dem Stern gelegt. Zitat aus dem zusammenfassenden Versuchsbericht (1975): "Das ESF 24 ist als Abschluss des Projekts zu betrachten, da mit diesem Fahrzeug ein optimaler Kompromiss zwischen den ursprünglichen ESV-Anforderungen und unseren heutigen

Serienwagen vorliegt."

Alles über den neuen ESF 2009 auf S 400 Hybrid-Basis...

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