In Zeiten des Downsizing zu immer kleineren Motoren und dem allmählichen Übergang zur Hybrid- und Elektro-Mobilität macht der Erfinder des Automobils nach wie vor die wildesten Träume von Autofans wahr. Dieter Losskarn erfuhr zwei gehobene, relativ brutal aussehende Mercedes-Modelle.
Entgegen hartnäckiger Vorurteile beweist der Mercedes-Benz G 500 4x4² ganz eindeutig, dass deutsche Ingenieure einen Sinn für Humor haben. Es war Liebe auf den ersten Blick. Seit ich das erste Video des grell-gelb-grünen ‘Baby 6x6’ Big-Foot-Mercedes, der durch die isländische Botanik pflügt, gesehen hatte, wollte ich diesen Über-G selbst erfahren.
Das Sondermodell kann noch bis Ende Oktober bestellt werden: Produktion des limitierten G 500 4x4² läuft aus
Der erste Monster-Merc war der auf 150 Exemplare limitierte G 63 AMG 6x6, basierend auf einem recht unbedeutend aussehenden australischen Armee-Geländewagen mit drei Achsen. Verantwortlich für die charakteristische enorme Bodenfreiheit und die beeindruckenden Offroad-Fähigkeiten sind die Portalachsen, die Unimogs zu solch erstklassigen Offroadern machen. Im Unterschied zu konventionellen Achsen befinden sich hier die Räder nicht auf Höhe der Achsmitte, sondern liegen durch die Portalgetriebe an den Achsköpfen wesentlich weiter unten.
Und jetzt stehe ich vor meinem Traumwagen. Es ist nicht der grelle Gelbgrüne aus dem Video, sondern eine eher zurückhaltend metallicblau lackierte Version. Um reinzukommen, muss ich hochklettern. Es sieht übrigens deutlich cooler aus, sich am Griff oberhalb der Türe hochzuziehen, als am Lenkrad. Sobald ich Platz genommen habe, befinde ich mich oberhalb des aktuellen Verkehrsgeschehens. In meiner Position könnte ich anderen SUVs problemlos aufs Dach spucken. Die Straβenpräsenz ist enorm. Andere Verkehrsteilnehmer bewundern den 4x4² mit ungläubigem Staunen. Ich schaue über alles. Begleitet vom tiefen Grollen des V8 fühle ich mich unbezwingbar. Ein Auto, das man nach Afrika schicken möchte, um dort ein kleines Land zu invadieren.
Momentan ziehe ich jedoch das kurvige Asphaltband südlich von Stuttgart vor. Im Gegensatz zum normalen ‚G‘ benimmt sich der Groβe mit der 30 cm breiteren Spurweite dynamisch überraschend gut. Keinerlei Wankneigung. Ein solches Monster flott zu bewegen, fühlt sich falsch an, macht aber richtig Spass. Und falls man mal von der Straβe abkommen sollte, einfach weiter Gas geben. Nichts scheint den Dreitonner stoppen zu können.
Ich kann es mittlerweile kaum erwarten ihn im Gelände auszuprobieren. Es gibt in der näheren Umgebung wohl kaum einen besseren Platz als den Steinbruch, auβerhalb der historischen Stadt von Biberach. Mercedes-Benz teilt ihn sich mit einem Kieswerk. Hier werden G-Modelle und Unimogs zelebriert. Ich tauche mit dem G 500 4x4² buchstäblich in das Gebiet ein. Mit 22-Zoll-Geländebereifung, einer Bodenfreiheit von knapp einem halben Meter und einer Wattiefe von einem, gibt es kein Hindernis, das groβ genug ist, um den King Kong G zu bremsen. Tiefe schlammige Rinnen, bodenlose Drecklöcher, steile Hänge und loser Sand – her damit, das Vergnügen ist ganz meinerseits.
Am Steinbruch-Eingang steht mittlerweile ein weiterer, ungewöhnlicher Mercedes. Die Nachmittagssonne akzentuiert die matt-silbern und matt-schwarz gehaltene Folierung der Karosserie, in die dieser maskuline E-Class-Kombi auf Steroiden eingewickelt ist. Sein Erzeuger steht direkt daneben. Jürgen Eberle mit seiner rahmenlosen Brille sieht so gar nicht aus wie der typische Geländewagen-Abenteurer, eher wie ein schlauer Wissenschaftler. Der 40jährige studierte Fahrzeugtechnologie an der Hochschule Karlsruhe und ist seit 2008 bei Mercedes-Benz.
Die Portalachsen des G 500 4x4² taten es ihm an und er und sein Team von 20 Leuten entschieden sich diese für den E-Class All-Terrain-Kombi zu adaptieren. Während die Gs Starrachsen besitzen, hat die E-Klasse eine moderne Mehrlenkeraufhängung. Mit viel Hilfe von anderen Konzernabteilungen wurde das Projekt schlieβlich realisiert. Die breiteren Kotflügeln spuckte ein 3D-Drucker aus und die Antriebswellen-Geometrie entwickelte ein AMG-Mitarbeiter, der selbst Schrauber ist.
Das Ergebnis ist der wildeste E-Klasse, den es je gab. Mit 420 mm hat er mehr als doppelt so viel Bodenfreiheit wie das Serienmodell. Die Wattiefe liegt bei 500 mm. Ist damit näher an den 600 mm des G als am normalen All-Terrain mit 280 mm. Das Beste für mich ist der Genuss des gewohnten E-Klasse-Komforts im Inneren, während ich den Wagen durch lehmige Rinnen und über Steinbrocken prügle. Der E 400 4x4² bietet beides – Luxus und Abenteuer. Und die Chance, dass der Prototyp in Serie gehen wird, stehen sehr gut. Nicht nur das, ergänzt Jürgen, mit dem perfektionierten Unterbau, passt dieser theoretisch unter jede E- oder C-Klasse. Ein GLE 4x4² wäre also überhaupt kein Problem. Die Zeit vergeht wie im Flug, wenn man Spass hat. So beenden wir unseren Trip am Marktplatz von Biberach, wo ich mir den Stairway from heaven im G 500 4x4² nicht verkneifen kann. Für mich persönlich sind diese Monster-Mercs genauso cool wie die Tatsache, dass sich mein Namensvetter Daimler-Boss Dr. Dieter Zetsche in letzter Zeit meist krawattenlos und in Sneakers in der Öffentlichkeit präsentiert. Und damit noch weiter zum Cool-Faktor von Mercedes-Benz beiträgt.
Mercedes E-Class 400 All-Terrain 4x4²
Motor: 3.5-l. 6 Zyl.-Turbo, gepaart mit einer 9-Gang Automatik; 245 kWund 480 Nm
Mercedes G 500 4x4²
Motor: 4.0-l. V8-Turbo, gepaart mit einer 7-Gang Automatik; 310 kW und 610 Nm
Höchstgeschwindigkeit: 210 km/h
0-100km/h: 7.4 Sekunden
Verkaufspreis: 246.000 €
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