Mercedes in die Wüste geschickt

Mercedes Tests: Seit genau 45 Jahren werden Prototypen und Vorserienmodelle im Death Valley “gequält“ -

Mercedes in die Wüste geschickt: Mercedes Tests: Seit genau 45 Jahren werden Prototypen und Vorserienmodelle im Death Valley “gequält“ -
Erstellt am 18. Oktober 2009

Mercedes hat einen Ruf zu verlieren. Nämlich den, die in vielerlei Hinsicht besten Autos der Welt zu bauen. Dass es soweit gekommen ist, liegt auch an einem Ort in Amerika mit dem wenig einladenden Namen „Death Valley“. Und tatsächlich hat das Tal des Todes in Sachen Lebensfeindlichkeit einiges zu bieten – beispielsweise Temperaturen von deutlich über 40 Grad; Straßen, die sich kurvenreich bis auf 1200 Meter in die Höhe schrauben und einen Wind, der statt Kühlung nur noch mehr Hitze bringt. Kurzum: Das Death Valley ist das Paradies für engagierte Versuchsfahrten – und die Hölle für jedes Auto.

Extreme von minus 86 bis plus 3000 Metern

Im Oktober 1974 brach ein Team von acht Mercedes-Versuchsingenieuren erstmals Richtung Death Valley auf. Der damalige Entwicklungschef Rudolf Uhlenhaut hatte das Tal wenige Wochen zuvor bei einer USA-Reise entdeckt und wusste sofort: Dies ist das ideale Terrain für Hitzetests! Denn neben brutal hohen Temperaturen glänzt das Death Valley mit einer nicht weniger brutalen Topografie: Der tiefste Punkt bei „Bad Water“ liegt 86 Meter unter dem Meeresspiegel, während der Gipfel des „Sentinel Peak“ an der 3000-Meter-Marke kratzt. Als Europäer mag man sich nun fragen, was diese automobile Schinderei soll. Die Antwort gaben seinerzeit Kunden aus Amerika und dem Orient: Sie hatten des Öfteren Motorprobleme bei extremer Hitze. Dem musste Mercedes auf den Grund gehen. Schließlich hatte man – siehe oben – einen guten Ruf zu verlieren.

Alles begann unter einer Plane

Wie alle Pioniere fing auch Mercedes bei den Hitzetests klein an: Das Basislager für die ersten Versuchsfahrten war der Straßenrand des Highway 95 sowie der Innenhof des El-Portal-Hotels, wo eine Zeltplane Schatten spendete. Für die mitgebrachten Testwagen kam es noch schlimmer: Sie wurden gnadenlos durch das Tal des Todes gehetzt, wobei sich die Mercedes-Ingenieure immer grausamere Fahrzyklen ausdachten. Berg-auf-Fahrten mit niedriger Geschwindigkeit, Stop-and-Go-Verkehr oder einfach das Laufenlassen der Triebwerke im Stand – wohlgemerkt bei voll aufgedrehter Klimaanlage. Eines der ersten Fahrzeuge, die diese Tortur über sich ergehen lassen musste, war ein Mercedes 450 SL mit V8-Motor. Er wurde geschunden, bis das Wasser der Scheibenwaschanlage zu kochen begann. Wer hätte gedacht, dass das überhaupt geht?

400 Messsensoren auf der Suche nach Schwachstellen

Bei den Death Valley-Tests wird aber nicht nur das Kühlsystem an seine Grenzen gebracht. Auch Fahrwerkskomponenten, elektronische Bauteile, Reifen, Lacke und Kunststoffteile müssen in der Gluthitze ihre Leidensfähigkeit unter Beweis stellen. Dabei stehen sie heute unter Beobachtung von rund 400 Sensoren, die ständig Messwerte sammeln. Diese Daten analysieren die Mercedes-Ingenieure mit modernsten Computern. Zum Vergleich:

Ein Formel-1-Rennwagen hat bei Testfahrten nur rund 120 Sensoren an Bord.

25 Jahre früher war mehr Recherche-Arbeit nötig. Doch schließlich fanden die Mercedes-Tester heraus, dass Dampfblasen im Benzin hauptverantwortlich für den Hitzekollaps ihrer Motoren waren. Fortan installierte Mercedes eine kraftstoffkühlende Pumpe in der Nähe des Tanks. Das ist heute nicht mehr nötig: Moderne Einspritzanlagen haben wegen ihrer hohe Arbeitsdrücke keine Probleme mit extremer Hitze.

Die schlimmste Qual: der „Idle-Test“

Das befahren des 1200 Meter hohen „Daylight-Passes“ ist für Autos schon unter normalen Alltagsbedingungen einer Tortur. Doch die Mercedes-Tester setzen noch eins drauf: Sie befahren den Pass gleich drei Mal hintereinander: Das erste Mal mit gerade einmal 40 Stundenkilometern. Beim zweiten Durchgang sind es 90 km/h, die ausschließlich im dritten Gang gefahren werden. Zum guten Schluss kommt dann eine „normale“ Runde, die so schnell wie möglich und erlaubt zu absolvieren ist. Schlimmer geht’s nimmer? Oh doch! Die „Höchststrafe“ für jeden Testwagen ist der so genannte „Idle-Test“. Er beginnt mit der bereits beschriebenen Fahrt über den Daylight-Pass und endet damit, dass der Wagen mit laufendem Motor und eingeschalteter Klimaanlage vor einer dunklen Mauer geparkt wird. Das ist ungefähr so, als würde man sich nach einem hochsommerlichen Dauerlauf in ein aufgeheiztes Camping-Zelt setzen. Zur Nachahmung nicht empfohlen …

Beatty – das Untertürkheim Nevadas

Direkt am Eingang des Death Valley liegt die Kleinstadt Beatty. Einst herrschte in der 1800 Seelen Gemeinde Goldgräberstimmung, heute treffen sich hier mehr oder weniger stark getarnte Automobile sämtlicher Hersteller. Die Mercedes-Mannschaft hat sich mittlerweile in der örtlichen Highschool einquartiert und nutzt, wohlgemerkt nur in der Ferienzeit, auch die zur Schule gehörende Werkstatt. Darin arbeiten 35 Mercedes-Ingenieure und -Testfahrer an der Planung und Auswertung der Hitzeschlachten. In den letzten 25 Jahren ist so einiges an Daten und Erfahrungen zusammengekommen, denn bisher haben rund 250 Prototypen und Vorserienmodelle zusammen etwa 400.000 Kilometer im Death Valley abgespult. Der einzige Mercedes, der in Beatty geschont wird, ist ein Mercedes 500 SL von 1989. Er ist ein Geschenk von Mercedes an die Highschool und dient zur technischen Ausbildung der Schüler.

14 Bilder Fotostrecke | Mercedes in die Wüste geschickt: Seit genau 25 Jahren werden Prototypen und Vorserienmodelle im Death Valley “gequält“ #01 #02

2 Kommentare

  • Mercedes-Fans.de

    Mercedes-Fans.de

    Danke für den Hinweis. Im Kopfrechnen waren wir nie die Besten. Wir haben den Fehler korrigiert.
  • mb-youngclassics.de

    Mb-youngclassics.de

    1974 - 2019 = 45 Jahre! Ist diese Bericht schon 20 Jahre alt oder worauf beziehen sich die 25 Jahre?

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