Heute stellte der Daimler das „Project Geländewagen“ offiziell vor. Es ist das erste Ergebnis aus der Zusammenarbeit von Mercedes-Benz und Virgil Abloh, dem Chief Creative Director und Gründer des Labels Off-White sowie Men’s Artistic Director von Louis Vuitton.
An Superlativen zur Lobpreisung des Resultats fehlt es von Daimler-Seite nicht: „Bei dem konzeptionellen Designprojekt unter Leitung von Mercedes-Benz Chief Design Officer Gorden Wagener und Abloh diente die Mercedes-Benz G-Klasse als Ausgangspunkt für die Erkundung neuer Wege, um etablierte Vorstellungen von Luxus aufzubrechen. Präsentiert wurde eine nie zuvor gesehene, eindrucksvolle Manifestation der G-Klasse." Lust auf noch mehr Eigenlob? Bitteschön: “Mit Project Geländewagen schaffen wir ein einzigartiges Kunstwerk, das zukünftige Interpretationen von Luxus und ein Begehren nach Schönheit sowie Außergewöhnlichem repräsentiert. Das Ergebnis ist irgendwo zwischen Realität und Zukunft angesiedelt”, wird Gorden Wagener, Mercedes-Benz Chief Design Officer zitiert. Und weiter lässt er sich vernehmen: “Die Zusammenarbeit mit Virgil vereint zwei unterschiedliche Designphilosophien, aus denen eine einzigartige Neuinterpretation der G-Klasse
hervorgegangen ist, die das Außergewöhnliche zelebriert.”
Boah, in Sachen Marketingsprech wird völlig unbescheiden dick und fett aufgetragen. Weil die Superlative aus jeder Zeile des Pressetextes quillen, wirkt es allerdings um so verstörender, dass das Project Geländewagen so originär gar nicht ist. Wenn die vielen Augen der Mercedes-Fans.de Redaktion nicht trügen, dann ist im Großen und Ganzen das, was den Exterieur-Look des Project Geländewagen (die G-Klasse wurde hier als Rennwagen interpretiert) nämlich schon mal ziemlich deckungsgleich von jemand anderen verwirklicht und der Welt auch gezeigt worden - und zwar nicht auf einer namenlosen Hinterhofveranstaltung irgendwo im nirgendwo der Tunerszene, sondern auf der SEMA Show 2019, der in Las Vegas stattfindenden weltgrößten Tuningmesse auf dem prominent platzierten Stand von Toyo Tires in Form einer extremen G-Klasse vom US-Tuner Sadistic Iron Werks.
(Mercedes-Fans.de berichtete im nachfolgenden Artikel von der G-Klasse des US-Tuners Sadistic Iron Werks auf der Sema 2019) Wider die Natur: G-Klasse Monstrum auf SEMA 2019 G-Klasse erreicht Tiefpunkt: Extrem versenkter Mercedes AMG G63
Künstlerglück und Künstlerpech
Nicht nur Mode und Fahrzeugdesign sind Kunstformen, auch die Literatur ist eine, die man kennen darf. Dem großen Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt haben wir zum Beispiel folgende Erkenntnis zu verdanken: „Was einmal gedacht wurde, kann nicht mehr zurückgenommen werden“, heißt ein zentraler Satz in dem Stück „Die Physiker“. Man könnte diese Aussage auch etwas anders formulieren und sagen: „Was einmal gedacht wurde, kann immer wieder gedacht werden.“ Künstlerpech sozusagen. Der Satz kann auch ein Trost für all jene sein, welche davon überzeugt sind, etwas Einzigartiges komponiert, geschrieben oder sonst wie künstlerisch erschaffen haben und dann aber in einem Nachgang feststellen müssen, dass sie doch nur zweiter Sieger sind.
Es stellt sich mit Blick auf "Project Geländewagen" aber nun die Frage: Hätte man, bevor man sich in turmhoher Wortakkrobatik versteigt und das Resultat als Unikat, einzigartig, originär, außergewöhnlich etc. preist, nicht mal besser vorab die Lage peilen sollen, was kreative Köpfe aus der ersten Liga im Tuningbereich so treiben? Um nicht falsch verstanden zu werden: De facto gefällt dem Autor das „Project Geländewagen“ eigentlich nicht schlecht. Aber es ist nicht das, was es vorgibt zu sein - nämlich - Zitat: „eine nie zuvor gesehene, eindrucksvolle Manifestation der G-Klasse.“ (Bilder: Daimler AG)
Autor: Mathias Ebeling
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