Qualitytime im Stau? Geht jetzt mit dem Mercedes-Benz Drive Pilot

Endlich autonom: Wir testen Level-3-Fahren mit Mercedes

Qualitytime im Stau? Geht jetzt mit dem Mercedes-Benz Drive Pilot: Endlich autonom: Wir testen Level-3-Fahren mit Mercedes
Erstellt am 7. Mai 2022

Alle Welt redet über das autonome Autofahren. Viele können es gar nicht erwarten, beispielsweise im Stau endlich nicht mehr selbst ständig anfahren und abbremsen zu müssen. Einige Hersteller haben vollmundig irgendwelche „Autopiloten“ oder ähnliches versprochen, die von echtem Autonomen Fahren allerdings noch weit entfernt sind. Mercedes hat nun als erster Hersteller die Freigabe für Autonomes Fahren Level 3 in Deutschland erhalten und wir durften es in Berlin bereits ausprobieren.

Level 3 bietet Entspannung

Level 2, Level 3 – wer nicht tief in der Materie drinsteckt, tut sich meist schwer mit diesen Begrifflichkeiten. Eigentlich ist die Unterscheidung aber sehr einfach. Während im Level 2 der Fahrer jederzeit die Verantwortung behält und von den Systemen nur unterstützt werden soll, übergibt er im Level 3 die Verantwortung über das Fahrzeug dem Fahrzeug selbst und darf sich anderen Dingen zuwenden. Er muss nur jederzeit in der Lage sein, die Kontrolle wieder zu übernehmen. Schlafen fällt also aus. Aber sich im Stau einen Film über das Comand reinziehen? Geht! Ein wenig arbeiten und Handouts durchblättern? Geht auch. Selbst die Nutzung eines Handys während der Fahrt ist unter diesen Umständen erlaubt!!! Allerdings rät Mercedes dringend davon ab. Das liegt aber an Sicherheitsbedenken im Falle eines Crashs, da sich dann das Handy zwischen Airbag und Fahrer befindet und so erhebliche Verletzungen auslösen kann. Erlaubt ist es vom Gesetz her aber. Was uns bislang leider niemand beantworten konnte, ist die Frage, wie man es dem freundlichen Polizisten bei der Kontrolle beibringt, dass dieses Fahrzeug in der Lage ist, diese gesetzlichen Vorschriften zu erfüllen. Das wird noch spannend.

Einfach und sicher

Weniger spannend, als vielmehr entspannend ist die autonome Fahrt. Vom Gefühl ist gar nicht so viel anders als zuvor mit der Distronic+. Denn auch die konnte im Stau bereits autonom ihrem Vordermann folgen, die Spur halten und auch selbst wieder anfahren. Nur musste man in regelmäßigen Abständen mittels Lenkradberührung signalisieren, dass man noch wach ist. Das entfällt nun. Wenn die Voraussetzungen für Level 3 erfüllt sind, leuchten LEDs im umgestalteten Lenkrad weiß und mittels Druckes auf die Taste aktiviert man den Drive Pilot. Mehr ist nicht zu tun. Nun signalisieren petrolfarbene LED die Funktion und man kann sich abwenden. Das ist zunächst extrem ungewohnt, weil man dies einfach nicht gewohnt ist. Aber bereits nach wenigen Minuten schöpft man Vertrauen in das System, denn es funktioniert sehr gut. Selbst rechts überholende Fahrzeuge auf der Einfädelungsspur werden erkannt und bei Bedarf sogar reingelassen. Und wenn die Situation für Level 3 endet, wird dies optisch und akustisch signalisiert und die Kontrolle wieder dem Fahrer übergeben.

Noch eingeschränkter Einsatzzweck

Ein kleiner Wehrmutstropfen sind die angesprochenen Bedingungen für den autonomen Betrieb. Momentan ist dafür nämlich eine Stausituation bei unter 60 km/h nötig, die zwangsweise auf einer Autobahn stattfinden muss. Zudem muss die Fahrbahn halbwegs trocken sein und die Lichtverhältnisse gut. Natürlich wäre das System zu deutlich mehr in der Lage, aber die gesetzlichen Rahmenbedingungen erlauben nur diese Betriebssituationen. Es ist aber absehbar, dass hier in Zukunft noch deutlich ausgeweitet wird. Die Mercedes-Ingenieure wollen dafür auch die Erfahrungen aus dem laufenden Betrieb nutzen.

Mächtig Aufwand für Funktionssicherheit

Um diese Voraussetzungen zu schaffen, reicht es bei weitem nicht aus, die Distronic+ einfach freizuschalten, wie viele vielleicht meinen. Da das Fahrzeug und damit der Hersteller bei Level 3 Fahren die volle Verantwortung über das Fahrverhalten und auch sämtliche Folgen trägt, hat Mercedes hier einen extrem hohen technischen Aufwand betrieben. Schließlich geht es um Menschenleben! Die ohnehin umfangreiche Sensorik wurde nochmals verstärkt, so dass man nun auf eine dreifache Redundanz vertrauen kann. Neben der verbesserten Stereokamera in der Frontscheibe, die besonders gut verschiedene Verkehrsteilnehmer unterscheiden kann, hat der Frontradar die Aufgabe, bei schlechten Sichtbedingungen zuverlässige Daten zu liefern.

Ein zusätzlicher Lidar (Laser) hingegen ist dafür zuständig, hochauflösende Daten auch in großen Entfernungen zu liefern. Zusammen verschaffen sie dem System einen umfassenden Überblick über das Verkehrsgeschehen. Dazu kommen noch Seitenradarsensoren, Feuchtigkeitssensoren in den Radkästen, Ultraschallsensoren sowie eine Fahrerkamera, die überwacht, ob der Fahrer einschläft. Um die Fahrzeugposition zentimetergenau bestimmen zu können, wurde unter dem hinteren Dach eine leistungsstarke GPS-Antenne integriert, was durch den Buckel in der Dachhaut gut zu erkennen ist.

Auf in die Zukunft!

Die Zukunft ist also angekommen. Das Schöne daran ist, dass der Drive Pilot bei all seiner Komplexität derart unauffällig und perfekt funktioniert, dass man ihn ziemlich schnell gar nicht mehr wahrnimmt und wie selbstverständlich nutzt. Und genau so sollte ein solches System ja auch funktionieren. Was dieses System kann, zeigt übrigens das Versuchsprojekt am Stuttgarter Flughafen, wo der Drive Pilot sogar nach Level 4 autonom fahren kann und darf. Level 4 bedeutet, dass gar kein Fahrer mehr nötig ist und das System auch nicht während der Fahrt überwacht werden muss. In Stuttgart gestaltet es sich so, dass der Kunde seine S-Klasse mit Drive Pilot vor einem bestimmten, dafür ausgestatteten Parkhaus abstellt und sich die S-Klasse selbstständig eine freie Parklücke im Parkhaus sucht. Nach der Reise fordert man sein Fahrzeug mittels App an und der Mercedes kommt selbstständig aus dem Parkhaus gerollt. Michael Knight mit seinem K.I.T.T. hat es uns ja vor 30 Jahren vorgemacht…

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