Standhaft bleiben. Aufrecht gehen. Kante zeigen. Bei Mercedes-Benz genießt die Sicherheit der Fahrzeuginsassen von jeher oberste Priorität. Und es ist gut zu wissen, dass man in Stuttgart seine ehernen Prinzipien und Überzeugungen nicht so schnell über Bord wirft, wie das die EU-Kommission in Sachen Kältemittel wohl erwartet. Die EU hat das neue, umweltfreundlichere R1234yf als Ersatz für das alte Kältemittel Tetrafluorethan in Autoklimaanlagen beginnend mit Januar 2013 verpflichtend vorgeschrieben. Doch Daimler macht da nicht mit und verfüllt weiterhin das bewährte, nicht entzündliche Kältemittel R134a.
Einer gegen alle?
Ganz Europa macht bei der neuen Kältemittelverordnung mit. Ganz? Nein. Die Schwaben verweigern sich einem blinden EU-Gehorsam und widersetzen sich dem Feind, der aus dem neuen Kältemittel kommt. Aber nicht aus unbotmäßigem Trotz, sondern weil die Vernunft ein anderes Kältemittel als das verordnete empfiehlt. Hinter den Mauern der Brüsseler Basta-Politik-Türme schäumt man deswegen offenbar vor Wut. Man fordert. Man klagt. Man droht. Und man ist in Brüssel in dieser Sache umso verstimmter, seitdem aufgrund einer parlamentarischen Anfrage der Fraktion Die Linke Anfang Juni an die Bundesregierung offenbar wurde, dass bei Mercedes seit dem Inkrafttreten der neuen Kältemittelverordnung zum Januar 2013 die Klimaanlagen von etwa 50.000 Mercedes-Benz-Fahrzeuge mit dem alten "verbotenen" Kältemittel R134a befüllt worden sind. Dass Daimler für die Nichtbefolgung der neuen Kältemittelverordung sehr gute Gründe vorzuweisen vermag, hat die EU-Kommission nicht veranlasst, ihre Haltung in dieser Sache zu überdenken.
Daimler ist trotzig? Nein, Daimler ist standhaft, verweist auf Fakten und Erkenntnisse und bleibt seiner Überzeugung, dass die Sicherheit der Insassen an oberster Stelle stehen muss, treu. Umgekehrt wird in diesem Streit ein Schuh daraus: Die Hartleibigkeit der EU im Kältemittelstreit ist schon eher mit der Bockigkeit eines kleinen Kindes und ihre Dünnhäutigkeit ob des Stuttgarter Widerspruchs mit dem Tatbestand der Majestätsbeleidigung gleichzusetzen.
Der Feind, der aus dem Kältemittel kam
Bekanntlich haben interne Studien und Versuche bei Daimler ergeben, dass die von der EU favorisierte klimaverträgliche Chemikalie alles andere als sicher ist. Das neue Kältemittel wurde bei Daimler in einem so genannten Real Life Prüfverfahren getestet, welches weit über die gesetzlichen Vorgaben hinausgeht. Das Resultat: Das Kältemittel R1234yf ist unter Umständen im Falle eines Unfalls leicht entflammbar. Und Daimler zog aus den Tests seine ganz eigenen, Prinzipien treuen Konsequenzen: Als einziger Hersteller in Deutschland ignoriert Mercedes-Benz die Vorgaben der EU. Dafür kam dann zwischenzeitlich auch schon ein blauen Brief vom Kraftfahrt-Bundesamt angeflattert. Immerhin: Für die neue S-Klasse konnte sich Mercedes-Benz sogar schon eine Ausnahmegenehmigung für die Verwendung des alten Kältemittels beschaffen. Doch im Hintergrund bringt die EU schon grobes Geschütz in Stellung: Der zwangsweise Produktionsstopp liegt als Drohung in der Luft.
Zündende Idee: Das Kraftfahrtbundesamt lässt es jetzt krachen
Mercedes-Benz mag sich derweil wie einer gegen alle fühlen. Alle anderen Autohersteller sind nämlich im Kältemittelstreit in Deckung gegangen. Sie wollen offenbar den Zorn der EU nicht auf sich ziehen. Aber womöglich wird die Widerstandsfront auf der Seite der Vernunft schon bald etwas breiter. Wie die Zeitschrift auto motor und sport berichtete, haben nämlich bei TÜV Rheinland Anfang Juni die zwischenzeitlich vom Kraftfahrt-Bundesamt in Auftrag gegebenen Crashtests mit Fahrzeugen, die das neue Kältemittel 1234yf an Bord haben, begonnen. Die Vorgaben für die Crash-Tests, bei denen Fahrzeuge verschiedener Hersteller zum Einsatz kamen (Hyundai i30, Mercedes B-Klasse, Opel Mokka, Subaru Impreza) legte das KBA fest. Weitere Testversuche in punkto Ausstömverhalten des neuen Kältemitterls sollen noch anstehen. Die Resultate der Versuchsreihe (Ende Juli/Anfang August sollen sie vorliegen) und die Reaktion aus Brüssel darauf bleiben nun abzuwarten.
Autor: Mathias Ebeling
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