Tugend forscht
Wer hats erfunden? Während die Schweizer ein eckiges Hustenbonbon für sich reklamieren, so ist es das unbestreitbare historische Verdienst von Mercedes-Benz, das Automobil ins Rollen gebracht zu haben. Auf den Lorbeeren ruhen sich die Stuttgarter freilich nicht aus. Im Gegenteil: Mit den Forschungsfahrzeugen der sogenannten F-Reihe bleibt Mercedes seinem Pioniergeist treu und entwickelt Trends für die mobile Zukunft. Jüngstes Beispiel dafür ist der atemberaubende F 800 Style. Nicht minder wegweisend waren bzw. sind die automobilen Konzepte seiner Vorgänger F 100 bis F 700.
Die stolze Reihe jener wegweisenden Concept Cars dokumentiert, wie vorausschauend Mercedes-Benz die sich wandelnden Anforderungen an die Mobilität analysiert, um hernach innovative Lösungen für die Zukunft zu entwickeln. Dabei geht es Mercedes weniger um technologische Gedankenspiele aus purem Selbstzweck als vielmehr um effektive Grundlagenforschung, die in der Großserie nutzbringend Verwendung findet. Etliche Features aus den sogenannten Forschungsfahrzeugen, die seinerzeit noch als revolutionär galten, sind bei Mercedes-Benz im Serieneinsatz.
Hightech satt: Mercedes-Benz F 100
1991 begründete der F 100 die imposante Ahnengalerie der Mercedes F-Reihe. Herausragend sind der einzeln in der Mitte angeordnete Fahrerplatz und ein Bordcomputer, der zwischen drei Sicherheitsprioritäten unterscheidet. Für Aufsehen sorgen die Sprachbedienung, der Abstandsradar, der automatische Notruf, die Solarzellen auf dem Dach und der quer über die Scheibe geführte Parallelwischer.
Diese Innovationen galten 1991 noch als ziemlich extravagant. Heute sind sie vielfach Realität und bestätigen die Bedeutung engagierter Forschungsarbeit für technischen Vorsprung.
Der Mercedes-Benz F 100 im Überblick
Zielsetzung: Neuartiges Sitz- und Türenkonzept, passive und aktive Sicherheit, Ergonomie
Antrieb: Viertakt-Ottomotor mit 6 Zylindern, 2,6 Liter Hubraum, 143 kW (194 PS), Frontantrieb, 3-Gang-Automatikgetriebe
Technische Highlights: Zentraler Fahrersitz, hohe Crash-Sicherheit, Lenkrad mit feststehendem Pralltopf, Telefonbedienung mit Lenkradtasten, neuartiges Türkonzept, ausgefeiltes Ergonomiekonzept, Abstandsregeltempomat, Radarsystem zur Überwachung des hinteren Verkehrs, Solarzellendach
Schöne neue Welt: F 200 Imagination
Als Nummer zwei der Forschungsfahrzeuge realisiert Mercedes 1996 den F 200 Imagination. Mit ihm präsentiert Mercedes ein avantgardistisches liniertes Coupé, dessen Fahrgastraum von einer atemberaubenden Glaskuppel überspannt wird. Via Drive-by-Wire-Fahrdynamiksystem lenkt und bremst der Fahrer mit einem der Side-Sticks, die auf der Mittelkonsole und in der Türinnenverkleidung platziert sind.
Weitere Innovationen sind das aktive Fahrwerk Active Body Control (ABC), Videokameras anstelle der Rückspiegel, sich automatisch öffnende Türen auf Befehl einer Magnetkarte - Vorläufer des Keyless Go-, Seiten-Airbags, den späteren Windowbags und das heute ebenfalls zur Serienreife gelangte aktive Kurvenlicht.
Der Mercedes-Benz F 200 im Überblick
Zielsetzung: Erprobung neuer Ergonomiekonzepte auf Basis von Drive-by-Wire-Technik, Cockpit-Design
Antrieb: Viertakt-Ottomotor mit 12 Zylindern, 6,0 Liter Hubraum, 290 kW (394 PS), Hinterradantrieb, 5-Gang-Automatikgetriebe mit elektronischer Steuerung
Technische Highlights: Sidesticks statt Lenkrad: Drive-by-Wire, Zukunftsweisende Fahrdynamikregelung, Active Body Control (ABC), Scheinwerfersystem mit variabler Lichtverteilung, Window-Airbag, Videokameras statt Rückspiegel, Elektrotransparentes Glasdach, Schwenkflügeltüren
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F 300 Life-Jet: Fahrspaß auf drei Rädern
Rasantes Zweirad-Feeling bietet 1997 der dreirädrige F 300 Life-Jet. Er verblüfft Publikum wie Fachwelt mittels seiner aktiven Wanksteuerung Active Tilt Control (ATC) der Vorderräder, mit deren Hilfe sich der Hightech-Kabinenroller wie ein Motorrad in die Kurve legt. Fahrer und Beifahrer steigen durch normale Türen ein und sitzen wie beim Motorrad hintereinander.
Das Cockpit des Life-Jet gleicht dem eines Flugzeugs. Für den pfeilschnellen Vortrieb sorgt der hinter dem Fahrgastraum platzierte A-Klasse Motor, dessen Kraft auf das einzelne Hinterrad wirkt. Der computergesteuerte Reflektor des Scheinwerfers folgt stets dem Straßenverlauf, so dass es keine dunklen Löcher bei Kurvenfahrt gibt.
Der Mercedes-Benz F 300 im Überblick
Zielsetzung: Fahrerlebnis und Kurvendynamik eines Motorrads, verknüpft mit der Sicherheit und dem Komfort eines Autos
Antrieb: Viertakt-Ottomotor mit 4 Zylindern, 1,6 Liter Hubraum, 75 kW (102 PS), Hinterradantrieb, elektrohydraulisch gesteuertes 5-Gang-Schaltgetriebe mit sequenzieller Gangwahl
Technische Highlights: Aktive Wanksteuerung (ATC, Active Tilt Control), aktiv gesteuerter Rotationsscheinwerfer, Lichtsensor, Elektrohydraulisches Handschaltgetriebe (Shift-by-Wire), neu entwickelte Reifen
Sport pur: Mercedes-Benz F 400 Carving
2002 folgt der F 400 Carving: ein kompromisslos puristischer Speedster mit lang gestreckter, extrem flacher Motorhaube, kurzem Heck und maßgeschneidertem, witterungsresistentem Interieur für zwei Passagiere. Auch bei ihm steht Fahrdynamik im Vordergrund: durch Active Tire Tilt Control (ATTC), der aktiven Sturzwinkelverstellung der Räder beider Achsen bei Kurvenfahrt oder starker Bremsverzögerung. Die jeweils kurvenäußeren Räder können sich computergesteuert variabel mit einem maximalen Winkel von 20° zur Seite neigen.
Die neuartigen, revolutionären Reifen mit asymmetrischem Profil laufen dabei nicht auf der inneren Kante, sondern auf den speziell für die Kurvenfahrt angelegten Laufstreifen mit besonders hohem Reibwert. Die kurveninneren Räder und die Karosserie bleiben in Normalposition. So wird, in Abhängigkeit von Geschwindigkeit und Kurvenradius, ein neues Maß für Spurstabilität, Fahrsicherheit, Tempo und Dynamik erzielt. Weitere Besonderheiten sind die elektronische Steer-By-Wire-Lenkung, das elektronische Shift-By-Wire-Schaltsystem über Lenkradtasten und das 42-Volt-Bordnetz.
Der Mercedes-Benz F 400 im Überblick
Zielsetzung: Erprobung neuartiger Fahrdynamiksysteme
Antrieb: Viertakt-Ottomotor mit 6 Zylindern, 3,2 Liter Hubraum, 160 kW (218 PS), Hinterradantrieb, elektrohydraulisch gesteuertes 5-Gang-Schaltgetriebe
Technische Highlights: Aktive Sturzverstellung, elektronisches Lenksystem (Steer-by-Wire), elektronisches Bremssystem (Brake-by-Wire), Bremsscheiben aus kohlefaserverstärkter Keramik, aktive Hydropneumatik mit neuartiger Active Body Control (ABC), Aluminium-Spaceframe mit CFK-Karosserie (kohlefaserverstärkter Kunststoff), Xenon-Scheinwerfer mit Glasfasertechnik, zusätzliche Scheinwerfer für die Kurvenfahrt, die gleichzeitig die Aufgaben von Nebelscheinwerfern übernehmen
Hybridantrieb in Bestform: Mercedes-Benz F 500 Mind
2003 stellt sich der Mercedes-Benz F 500 Mind der Weltöffentlichkeit vor. Die Branche staunt, denn der als moderne Schrägheck-Limousine konzipierte Viertürer dient als rollendes Forschungslabor und zeigt mehr als ein Dutzend zukunftsweisender Technologien für Sicherheit, Antrieb und Komfort künftiger Mercedes-Benz Personenwagen. Ein besonderes Highlight ist der Hybridantrieb, der im Vergleich zu herkömmlichen Motoren bis zu 20% weniger Treibstoff verbraucht, vor allem im Stadtverkehr, und gegenüber einem herkömmlichen Antrieb deutlich geringere Emissionswerte aufweist.
Ein weiteres wichtiges Forschungsthema ist die Entwicklung innovativer Assistenzsysteme zur Entlastung des Autofahrers. Dazu zählen ein Nachtsichtsystem, ein neuartiges Bedien- und Anzeigekonzept mit Multivisionsdisplay und ein Fahrer-Informationssystem auf Ultraschallbasis. Als rollendes Forschungslabor ist der Innenraum des F 500 Mind mit einem nach hinten klappbaren Labortisch inklusive Computer ausgestattet. So kann der im Fond mitreisende Forscher während der Versuchsfahrten alle Systeme überwachen, steuern und Messungen durchführen.
Der Mercedes-Benz F 500 im Überblick
Zielsetzung: Erprobung des Hybridantriebs, neuartiges Türen- und Innenraumkonzept, elektronisches Fahrer-Informationssystem
Antrieb: V8-Dieselmotor (4,0 Liter Hubraum, 184 kW/250 PS) in Kombination mit einer Elektromaschine (50 kW/68 PS)
Technische Highlights: Hybridantrieb (Kombination aus Diesel- und Elektromotor), variables Türkonzept mit zwei verschiedenen Öffnungsmöglichkeiten, elektronische Pedale für Gas und Bremse, elektronisch gesteuerte Lenkung, Nachtsichtsystem mit Infrarot-Laserscheinwerfern, neuartiges Bedien- und Anzeigekonzept, Multivision-Display, Computer zum Überwachen der Fahrzeugsysteme
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Wasser Marsch! Mercedes-Benz F 600 HYGENIUS mit Brennstoffzelle
In dem 2005 vorgestellten F 600 HYGENIUS arbeitet eine Brennstoffzelle, die Wasserstoff mit hohem Wirkungsgrad in elektrische Energie umwandelt. Sein Wasserstoffverbrauch entspricht einem Energie-Äquivalent von 2,9 l Diesel, die Reichweite beträgt gut 400 km. Der F 600 HYGENIUS ebnet den Weg in die mobile Zukunft, denn Wasserstoff kann ökologisch unbedenklich hergestellt werden.
Doch der F 600 HYGENIUS kann noch mehr. Er ist ein mobiles Kraftwerk, dessen 66 kW Leistung ausreichen würde, mehrere Einfamilienhäuser mit elektrischer Energie zu versorgen. Über eine 110/220-Volt-Steckdose in der Heckklappe lässt sich Strom für verschiedene Elektrogeräte entnehmen.
Der Mercedes-Benz F 600 im Überblick
Zielsetzung: Erprobung des weiterentwickelten Brennstoffzellenantriebs, familiengerechter Innenraum, innovatives Bedienkonzept, erweitertes PRE-SAFE System
Antrieb: Brennstoffzelle mit Elektromotor, Spitzenleistung 85 kW (115 PS), Dauerleistung 60 kW (82 PS)
Technische Highlights: Weiterentwickelter Brennstoffzellen-Hybridantrieb, Familiengerechte Innenausstattung, Fahrersitz mit automatischer Anpassung an die Körperkontur und aufwendiger Entlastung der Bandscheiben, raumsparende Vordertüren, die schräg nach oben schwenken, Hochleistungs-Leuchtdioden für alle Lichtfunktionen, erweiterter PRE-SAFE Schutz, Videokameras für gefahrloses Aussteigen und sicheren Spurwechsel, innovatives Bedienkonzept mit virtuellem Display
Komfort und Effizient: Mercedes-Benz F 700
Der F 700 aus dem Jahr 2007 verbindet hohe Umweltfreundlichkeit mit guter Fahrleistung und exzellentem Komfort. Das Geheimnis: Der DIESOTTO-Antrieb der Limousine verknüpft die Stärke des emissionsarmen Ottomotors mit der Sparsamkeit des Dieselaggregats. Aber dieses Zukunftsmobil hat noch mehr zu bieten: Das PRE-SCAN-Fahrwerk des F 700 ist eine Weltneuheit. Es tastet die Fahrbahn vor dem Auto mit zwei Laserscannern auf Unebenheiten ab und gleicht sie höchst sensibel aus.
Neue Maßstäbe setzt auch der REVERSE-Sitz, der individuelle Sitz- und Ruhepositionen sowohl in Fahrt- als auch in Gegenrichtung ermöglicht. Ein weiteres Highlight ist ein virtueller Avatar, der als elektronischer Assistent auf dem SERVO-HMI-Display erscheint. Er hilft unter anderem bei der Navigation, beim Telefonieren oder bei der Suche nach einem Radiosender.
Der Mercedes-Benz F 700 im Überblick
Zielsetzung: Kombination von überragendem Fahrkomfort mit hoher Umweltfreundlichkeit und guten Fahrleistungen bei ungewöhnlich niedrigem Verbrauch
Antrieb: Vierzylinder-DIESOTTO Motor (1,8 Liter Hubraum, 175 kW/238 PS) in Kombination mit einem Hybridmodul (15 kW/20 PS)
Technische Highlights: DIESOTTO-Motor, der die Stärken des emissionsarmen Ottomotors mit dem Verbrauchsvorteil des Dieselantriebs vereint, weiterentwickelter Hybridantrieb, PRE-SCAN-Fahrwerk, PRE-SCAN-Tür, SERVO-HMI: neuartiges Bedienkonzept, innovatives großzügiges und flexibles Interieurkonzept inklusive REVERSE-Sitz im Fond, Fahr- und Tagfahrlicht mit Leuchtdioden, umlaufendes Konturlicht
Flexibilität und Intelligenz: Der Mercedes-Benz F 800 Style
Jüngste Krone der Schöpfung ist der F 800, der mit atemberaubender Linienführung und variablem Antriebskonzept die internationalen Fachwelt begeistert. Professor Herbert Kohler, Leiter des Bereichs "E-Drive & Future", sieht Mercedes auf einem dreispurigen Weg in die Zukunft fahren. Dazu gehören neben optimierten Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor diverse Hybridantriebe und Elektroautos mit Batterie oder Brennstoffzelle. Wie ernst es Mercedes mit den Öko-Antrieben ist, zeigen die Ankündigungen: Schon 2011 kommt mit dem E 300 BlueTEC Hybrid der erste Diesel-Vollhybrid der Marke. Dieser soll mit 4,5 Liter auf 100 Kilometer zufrieden sein. In der nächsten S-Klasse-Generation (ab 2012) wird es außerdem einen S 500 Plug-in-Hybrid geben. Womit bewiesen wäre, dass die Forschungsfahrzeuge weit mehr sind als bloße PR-Produkte, die auf internationalen Autoshows für imageträchtige Furore sorgen sollen. Vielmehr stellt jedes Modell auf seine Weise einen technologischen Meilenstein auf dem Weg in die automobile Zukunft dar.
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