Slot Cars sind fast so alt wie das Auto selbst. Schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts boten einzelne Hersteller schlitzgeführte Pisten an, auf denen Blechautos um die Wette fahren konnten.
Für ein Rennbahn-Modell war die Carrera-Pagode sehr aufwändig detailiert mit separaten Scheinwerfern, Stoßstangen, aufgesetztem Chrom-Außenspiegel und filigranem Grill. Interessanterweise galt dies auch für die Konkurrenz von Scalextric, Stabo und Fleischmann.
Einer der Rennbahn-Pioniere war die Firma Marx. Märklin folgte in den Dreißiger Jahren. Den ungezügelten Siegeszug in Wohn- und Kinderzimmern erlebte die Autorennbahn jedoch erst in den 60er Jahren. Ein gewisser Fred Francis aus Großbritannien rüstete zwei Blech-Rennwagen mit einem kleinen Elektromotor aus, stellte sie auf eine fast gummiartige Rennpiste und ab ging die Post. Seine Idee erfreute sich eines gigantischen Erfolgs. Die Marke Scalextric war erfunden und sollte in punkto Autorennbahn bis heute auf dem Weltmarkt die Nummer 1 bleiben.
Wie dieser kurze Film von 1958 zeigt, war Rennfahrer Stirling Moss ein Racer durch und durch, sowohl in seinem Vanwall Rennwagen, als auch in seinem Scalextric-Ferrari, damals noch aus Blech.
Rennfahrerlegenden wie Sir Sterling Moss oder die Besetzung der Batman-Serie spielten öffentlichkeitswirksam im ebenfalls noch jungen TV mit der Scalextric- und Revell-Autorennbahn und es sollte nicht lange dauern, da traten die ersten Nachahmer auf den Plan. Der bekannteste von Ihnen ist bis heute speziell auf dem deutschsprachigen Markt die Marke Carrera.
1964 stellte die Fa. Neuhierl aus Nürnberg auf der Spielwaren-Messe die Carrera-Autorennbahn vor. Ein Jahr später bereicherten Porsche 911 und Mercedes 250 SL das Programm im Maßstab 1:32.
1965 ging Carrera mit dem Mercedes 230 SL an den Start
Ein Mercedes-Modell beschäftigte fast jeden Hersteller von Autorennbahnen, obwohl das Modell selbst im wahren Motorsport-Leben nicht besonders erfolgreich war. Die Rede ist von der Mercedes Pagode. Markenliebhaber erinnern sich vielleicht noch an ein rotes Modell mit Hardtop, das bei der Wettfahrt Spa-Sofia-Lüttich gestartet ist.
Zwei frühe Carrera Universal-Pagoden, gebaut zwischen 1965 und 1967. Das blaue Modell war nie im Katalog zu sehen und ist eine Carrera-Rarität.
Aber im Gegensatz zum Porsche 911, der ausgerechnet auch noch im benachbarten Stadtteil „erfunden“ und obendrein mit luftgekühltem Heckmotor in das Rennen um die Gunst des Kunden geschickt wurde, sollte sich die Pagode im Motorsport nicht durchsetzen. Das hielt aber weder Carrera noch Scalextric oder Stabo Car davon ab, dieses schöne Modell in mehreren Varianten zu produzieren und auch Grundpackungen damit zu bestücken.
Dieser SL Roadster stammt von Fleischmann und verfügt über einen Schalter für die Scheinwerfer
Carrera beispielsweise schickte die Pagode in der Packung Gran Turismo gegen einen Porsche 911 ins Rennen. Im Maßstab 1:32 war der Benz durchaus nicht chancenlos. Auch Scalextric und Fleischmann bestücken Grund- bzw. Startpackungen mit der Pagode. Fleischmann produzierte das Modell allerdings nur als Roadster. Dieser verfügte im Chassis über einen Schieberegler, der das Fahrlicht ein- oder ausschaltete. Interessanterweise konnte Fleischmann auf dem holländischen Markt größere Marktanteile erringen als in Deutschland und war der ärgste Konkurrent der britischen Marke Scalextric, die in Holland und in Frankreich im Gegensatz zum deutschen Markt sehr erfolgreich war.
1992 gab es die erste Scalextric Vintage-Serie. Bis auf den Motor entsprach das Modell exakt dem Scalextric Klassiker und ist heute selbst ein gesuchtes Modell.
Auch in Spanien gab es eine Coupe- und eine Roadster-Version vom Mercedes SL. Der in Spanien beheimatete Scalextri-Ableger Scalextric-Exin produzierte beide Modelle in zahllosen Farbvarianten und das nicht nur für den spanischen Heimatmarkt, sondern auch in Mexiko für Südamerika. Mit dem Comeback der Autorennbahn schickten die Spanier – mittlerweile sehr zum Verdruß der Briten – ab 1992 auch auf anderen europäischen Märkten darunter auch Deutschland, den Niederlanden und die Kanalinsel selbst, erst eine Roadster-Version, dann auch das Hardtop als formschöne Repliken zurück ins Rennen um die Gunst der Kunden.
Zwillinge - aber nur äußerlich. Oben ein Stabo-SL, unten ein SL der ersten Serie von Carrera.
Wer die Slotcar Pagoden der 60er Jahre einmal vergleicht, könnte auf die Idee kommen, dass sich hier drei oder vier Hersteller eine Form geteilt haben. Weit gefehlt. Die Modelle sind sich zwar verblüffend ähnlich, unterscheiden sich dann aber doch im Detail. Das gilt insbesondere für die Technik. Während Carrera seine mit Fahrlicht ausgestattete Pagode durch fortschreitende Entwicklung erst mit einem maßgeschneiderten und dan später mit dem millionenfach produzierten, schwarzen Einheitschassis bestückte, setzte Stabo Car auf ein massives Fahrgestell aus Metall. Das Auto war deutlich schwerer, was sich beim Beschleunigen spürbar bemerkbar machte, verfügte anfänglich aber serienmäßig über eine lenkbare Vorderachse. Das brachte zwar keine Vorteile im Rennen, sah aber in engen Kurven toll aus und verführte den Platzhirsch Carrera zumindest eine lenkbare Vorderachse zum Nachrüsten anzubieten.
Beide SL laufen mit robusten Bühler-Motoren. Links die Carrera-Pagode, rechts das Stabo-Modell mit schwerem Metall-Chassis und Lenkachse.
Unterschiedliche Antriebskonzepte für mehr Tempo und Balance
Interessanterweise werden sowohl Carrera als auch Stabo Car Modelle vom gleichen Bühler Motor befeuert, der im sogenannten Inlineprinzip im Chassis verankert war. Hier drehte sich der Anker des Elektromotors parallel zur Fahrtrichtung und 90° zur Hinterachse. Die Antriebskraft musste also einmal über ein Zahnradpaar umgelenkt werden. Nicht so bei Fleischmann. Hier war der Motor quer zur Fahrtrichtung angeordnet und das Motorenritzel trieb ohne Umlenkung die Hinterachse an. Abgesehen von Vorteilen in der Balance hatte dieses AntriebsprInzip - der Fachleute sprechen vom Sidewinder- eine bessere Beschleunigung und höhere Enddrehzahl, weil geringere Reibungsverluste.
Spanische Pagode von 1967 aus Scalextric-Grundpackung
Der Fleischmann Roadster verfügte im Chassis über einen Schiebeschalter, mit dem sich das Licht an- und ausstellen ließ. Scalextric blieb beim ursprünglichen, aber sehr gut ausbalancierten Inliner-Setup, wechselte im Lauf der Produktion nur auf leistungsstärkere Motoren. Was die Rundenzeiten nicht immer verbesserte, denn der alte RX Motor erreichte zwar nicht die Höchstdrehzahl seiner Nachfolger, verfügte aber über erheblich mehr Drehmoment und eine sanftere Kraftentwicklung, was in harmonischeren Fahreigenschaften resultierte, durchaus ein Vorteil bei kurvigem Streckenverlauf mit kurzen Geraden.
37 Bilder Fotostrecke | Weihnachtsspecial: Mercedes-Pagode für die Autorennbahn: Ode an die Pagode
Schade nur, dass es etwas Tüftelei bedarf, um die Pagoden der unterschiedlichen Hersteller gegeneinander antreten zu lassen. Am besten, man entscheidet sich für eine 2-Leiterbahn von Carrera, Scalextric oder Revell und rüstet die klassischen Carrera Modelle auf einen 2-Leiter-Leitkiel um, den es von Carrera auch als Original-Ersatzteil zu kaufen gab. Oder man steigt auf die neuen digitalen Systeme von Carrera oder Scalextric um, muss dann aber die klassischen Fahrzeuge mit einem Decoder nachrüsten. Egal ob analog oder digital, der Umstieg auf ein 2-Leiter-System hätte auch noch andere Vorteile. Denn die Liste an Mercedes Slotcars für die 2- Leiterbahnen ist lang. Sie reicht vom W154 bzw. W196 Silberpfeil von Airfix/MRRC und Carrera über den 300 SL Gullwing von Revell bis zur Roten Sau von Carrera. ,Wer nun Lust bekommen hat, mit einer Pagode ein paar Runden auf der Heimbahn zu drehen, die gute Nachricht lautet: Dank Ebay ist das Angebot fast unerschöpflich.
Mercedes-Fans können auf ein reichhaltiges Angebot an schnellen Sternen zurückgreifen - aktuelle Modelle oder Klassiker.
Pagoden für die Autorennbahn: Was kostet der Spaß?
Auch hier gilt es zu unterscheiden zwischen Markt- und Liebhaberpreisen. Am teuersten sind die raren Klassiker von Carrera und Scalextric. Die Stabocar Mercedes - obwohl gestalterisch nicht weniger aufwändig und technisch ebenso hochwertig - sind oft deutlich günstiger. Ein SL Roadster von Fleischmann liegt ungefähr auf dem Niveau der Carrera Pagoden in Rot mit schwarzem Hardtop und Einheitsfahrwerk, also irgendwo zwischen 80-100 Euro. Völlig vogelwild verläuft die Preisgestaltung bei den Faller ams Pagoden. Das hier in blau gezeigte Modell sollte für unter 50 Euro zu haben sein. Wäre da ein grünes Hardtop drauf, kann der geforderte Preis auch um 200 oder 300% ansteigen. Hier muss der Sammler jedoch auf Fälschungen achten.
Die Mercedes-Modelle von Stabo Car waren in der Ur-Serie nicht weniger detailiert als die von Carrera, wurden aber vermutlich aus Kostengründen nach und nach "entfeinert"
Bei Standard-Modellen von Stabo liegen die Basispreise für sehr gute Exemplare bei rund 60 Euro, Standard-Modelle bei Carrera starten bei 80-100 Euro. Rare Modelle und Farbvarianten wie ein komplett orangefarbenes oder blaues Modell mit intaktem Chrom können schon mal über 300 Euro kosten. Das gilt auch für die Scalextric-Modelle der Sechziger. Rare Farbvarianten liegen ebenfalls bei 300 Euro und darüber, eine weiße Pagode mit schwarzem Dach gibt es für 150 Euro. Allerdings sind von der Scalextric-Pagode - mit und ohne Dach - diverse, lizensierte Neuauflagen auf dem Markt wie das in diesem Artikel gezeigte sandbeige Modell. Wenn man eines davon auf Ebay findet, sind selten mehr als 40 Euro zu bezahlen. Aber es gibt auch Ausnahmen. Als 1992 in Spanien eine Scalextric Vintage-Serie aufgelegt wurde, war auch ein roter SL Roadster dabei. Das Modell ist mittlerweile selbst ein Klassiker und schlägt nicht selten mit 100 Euro und mehr zu Buche.
Findige Bastler und Spezialisten bieten heute von Reifen über Chromteile und Schleifer ein beruhigendes Ersatzteilangebot an. So können die Slot-Klassiker guten Gewissens über die Piste gefahren werden. Und tatsächlich spürt man am Handregler beim Fahrverhalten der Klassiker einen Unterschied zu den aktuellen Modellen. Happy Racing. Eines kann der Autor hier versprechen: Diese Art der Elektromobilität macht einen Höllenspaß.
Wer Spaß am landschaftlichen Gestalten oder gar Städtebau hat, kann auf die Faller ams-Modelle zurückgreifen. Aber Vorsicht, die Winzlinge machen süchtig und es gibt vermutlich mehr Varianten als auf einen Küchentisch passen.
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