135 Millionen Euro: Das teuerste Auto der Welt ist ein Mercedes-Benz

Mercedes verkauft sein Tafelsilber und trennt sich vom 300 SLR Uhlenhaut Coupé – Wer ist der anonyme Käufer?

135 Millionen Euro: Das teuerste Auto der Welt ist ein Mercedes-Benz: Mercedes verkauft sein Tafelsilber und trennt sich vom 300 SLR Uhlenhaut Coupé – Wer ist der anonyme Käufer?
Erstellt am 20. Mai 2022

Nun ist es offiziell! Gut eine Woche hielt man sich in Stuttgart bedeckt und wollte mit der Sprache nicht so richtig rausrücken. Hat Mercedes-Benz tatsächlich das legendäre 300 SLR Uhlenhaut Coupé verkauft? „Unmöglich, das muss eine Ente sein“, sagten die einen. „Warum nicht? Mercedes hat doch zwei davon“, erwiderten die Anderen. Fakt ist: Mercedes-Benz hat es getan und mit dem Verkauf des Uhlenhaut Coupés nicht nur sein Tafelsilber, sondern auch einen bedeutenden Teil seiner Geschichte verkauft. Natürlich nicht ganz ohne Hintergedanken…

Das 1955er Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut Coupé gilt als die Mona Lisa unter den Autos. Warum trennt sich Mercedes-Benz, der Erfinder des Autos, also von so einem Schatz? Das Geld dürfte kaum der Grund sein, denn im ersten Quartal 2022 konnte der Konzern seinen Gewinn um 11 % auf 5,2 Milliarden € steigern. Da sind 135 Millionen Euro letztlich….Peanuts. Es muss also noch einen bedeutsameren Grund geben, warum Mercedes den legendären 300 SLR verkaufen wollte. Ging es einzig und allein um den Claim „Das teuerste Auto der Welt ist ein Mercedes-Benz“? Mercedes-Benz Boss Ola Källenius will schließlich die Luxusstrategie verschärfen, höhere Margen durchsetzen, die Kompaktklassen zusammenstreichen und am liebsten ganz wenig Autos für ganz viel Geld verkaufen. Das passt es geradezu perfekt ins Konzept, dass nun das teuerste Auto der Welt ein Mercedes ist. Das hat zweifellos Strahlkraft! Bislang war übrigens ein Ferrari 250 GTO das teuerste Auto der Welt Die italienische Diva wurde 2018 für umgerechnet 67 Millionen Euro verkauft. Der SLR hat nun das doppelte eingebracht.

Warum trennt sich Mercedes vom Uhlenhaut Coupé?

Offiziell gibt Mercedes-Benz einen anderen, etwas sympatisch klingenderen Grund an. Mit dem Geld eines Klassikers (von dem man zwei hat), will man helfen, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Mit den eingenommen 135 Millionen Euro soll ein „Mercedes Benz Fund“ eingerichtet werden, durch den Bildungs- und Forschungsstipendien in den Bereichen Umweltwissenschaften und Dekarbonisierung für junge Menschen ermöglicht werden. Aber wäre das nicht auch ohne den Verkauf des Uhlenhaut Coupés möglich gewesen? Bei einem Gewinn von über 5 Milliarden Euro? Oder ist es am Ende doch nur ein symbolischer Akt? Alt gegen neu? Das wird wohl nur Ola Källenius selber einschätzen können:

"Ein Mercedes-Benz ist mit Abstand das wertvollste Auto der Welt"

Auf dem Foto: Ola Källenius, Vorsitzender des Vorstands der Mercedes-Benz Group AG und Renata Jungo Brüngger, Mitglied des Vorstands der Mercedes-Benz Group AG für Integrität und Recht vor dem Mercedes-Benz 300 SLR Uhlenhaut Coupé bei „The Economics of Desire“ an der Côte d’Azur

„Die 300 SLR Uhlenhaut Coupés sind Meilensteine der Sportwagen-Entwicklung und wichtige historische Eckpfeiler unserer Marke. Die Entscheidung, einen der beiden einzigartigen Sportwagen zu verkaufen, wurde wohl überlegt getroffen zugunsten eines guten Zwecks. Den höchsten Preis zu erzielen, der jemals für ein Fahrzeug gezahlt wurde, ist eine Ehre und ein Auftrag zugleich: Ein Mercedes-Benz ist mit Abstand das wertvollste Auto der Welt. Mit dem Erlös aus der Auktion wird ein weltweites Stipendienprogramm finanziert. Mit dem „Mercedes-Benz Fund“ möchten wir eine neue Generation ermutigen in die innovativen Fußstapfen von Rudolf Uhlenhaut zu treten und großartige, neue Technologien zu entwickeln, insbesondere zu Dekarbonisierung und Ressourcenschonung“, sagt Ola Källenius, der Mercedes Benz Group AG.

Die geheime Auktion – 10 handverlesene Bieter

Der Verkauf des 300 SLR Uhlenhaut Coupés fand am 5. Mai bei einer Auktion im Mercedes-Benz Museum in Zusammenarbeit mit dem renommierten Auktionshaus RM Sotheby’s statt. Eingeladen waren unter anderem ausgewählten Mercedes-Benz Kunden und internationale Auto- und Kunstsammler, die die Unternehmenswerte von Mercedes-Benz teilen. Dabei soll es sich um eine Gruppe von circa zehn potenziellen Käufern gehandelt haben. Das versteigerte 300 SLR Uhlenhaut Coupé war Teil der nicht-öffentlichen Fahrzeugsammlung von Mercedes-Benz Classic. Ersteigert wurde das Fahrzeug vom britischen Experten Simon Kidston, der im Auftrag eines nicht genannten Kunden agierte. Wobei wir davon ausgehen, dass Mercedes-Benz natürlich den dahinter steckenden Bieter kennt. Kidston hatte den Vorstand von Mercedes-Benz nach eigenem Bekunden über 18 Monate lang bearbeitet, den Verkauf des Wagens - der niemals verkauft werden würde - zu erwägen. Simon Kidston konnte sein Glück kaum fassen:

Simon Kidston fungiert als Strohmann

„Wenn man Oldtimer-Experten und Top-Sammler des letzten halben Jahrhunderts nach dem begehrtesten Auto der Welt gefragt hätte, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit immer dasselbe Modell herausgekommen: der Mercedes-Benz 300 SLR. Es ist eine Kombination aus exotischer Technik, der Geschichte des Rennsports, der Kraft des dreizackigen Sterns und der Tatsache, dass noch nie ein Exemplar verkauft worden war. Viele Sammler haben es versucht, alle sind gescheitert. Aber die Zeiten ändern sich, und wenn man nicht fragt, wird man es nie erfahren. Eine langjährige Beziehung zum Mercedes-Benz Museum war hilfreich, aber selbst nach 18 Monaten geduldiger Lobbyarbeit wussten wir nicht, ob und wie sie den 300 SLR aus der Gefangenschaft entlassen würden. Für alle Beteiligten und insbesondere für den neuen Besitzer, den wir vertreten haben, war dies eine einmalige Chance, die Mona Lisa unter den Autos zu kaufen."

Wo taucht der 300 SLR wieder auf?

Kidston war also nur der Strohmann. Der eigentliche Käufer und Neu-Besitzer bleibt vorerst unbekannt. Dennoch munkelt man hinter vorgehaltener Hand, wer der neue Besitzer sein könnte. Einen entscheidenden Hinweis gibt Mercedes-Benz Ola Källenius selbst: „Über die Jahre haben wir viele Anfragen von Sammlern, Museen und anderen Interessenten bekommen, die ein Uhlenhaut Coupé kaufen wollten. Das 300 SLR Uhlenhaut Coupé ist von einem privaten Sammler für die absolute Rekordsumme von 135 Millionen Euro ersteigert worden. Der Käufer hat zugestimmt, dass das Auto der Öffentlichkeit zu besonderen Anlässen zugänglich gemacht wird.“

Ist der geheime Käufer Evert Louwman?

Während angesichts der aktuellen Weltlage einige Kandidaten aus den osteuropäischen Ländern als potenzielle Käufer ausscheiden, drängt sich gleichzeitig der Gedanke auf, dass das Auto in Europa geblieben ist. Und wenn die Prämisse, dass das Auto der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll, konsequent zu Ende gedacht wird, dann käme uns Evert Louwman in den Sinn. Der Holländer ist im Besitz der weltgrößten Privatsammlung an herausragenden Automobilen und betreibt in Den Haag das Louwman Museum. Wobei der Begriff „Museum“ den Sachverhalt nur leidlich trifft. Manche sagen Evert Louwman habe dem Automobil da eine Kathedrale gebaut. Evert Louwman wurde die Begeisterung für das Automobil bereits in die Wiege gelegt, sein Vater Piet Louwman war in den 30ern Dodge-Händler, die Louwman-Gruppe war vor der Daimler-Chrysler Hochzeit neben anderen Marken wie Toyota auch Chrysler und Jeep-Importeur.

Trennt sich Mercedes auch vom zweiten Uhlenhaut Coupé?

Auf dem Foto: Marcus Breitschwerdt, Executive Vice President Mercedes-Benz AG und Leiter Mercedes-Benz Heritage

„Wir freuen uns, dass wir dank unserer historischen Sammlung diesen Erlös in unsere Ausbildungsinitiative einbringen können, und so die Vergangenheit mit der technologischen Zukunft und der Dekarbonisierung verbinden“, sagt Marcus Breitschwerdt, Leiter Mercedes-Benz Heritage. „Der private Käufer hat zugestimmt, das 300 SLR Uhlenhaut Coupé auch nach dem Verkauf für die Öffentlichkeit zu besonderen Anlässen zugänglich zu machen. Das zweite originale 300 SLR Coupé bleibt im Firmenbesitz und wird weiterhin im Mercedes-Benz Museum in Stuttgart ausgestellt.“

Rudolf Uhlenhaut im Rückspiegel

Rudolf Uhlenhaut, der seit 1931 als Designer und Ingenieur bei der Stuttgarter Marke beschäftigt war, leitete die Forschung vieler eindrucksvollster Silberpfeile. Der Einfluss dieses Mannes auf die Entwicklung von Mercedes-Benz nach der schrecklichen Tragödie von Le Mans im Jahr 1955 darf nicht unterschätzt werden. Vor allem Uhlenhauts 300 SLR wurde als äußerst konkurrenzfähiges Auto gefeiert, das die Entwicklungsfähigkeiten und die Stärke der von Mercedes-Benz hergestellten Rennwagen verkörperte. Optisch ähnelt der 300 SLR zwar zwei weiteren bemerkenswerten Entwürfen Uhlenhauts - dem W194, der 1952 in Le Mans siegte, und dem 300 SL Flügeltürer, der zu dieser Zeit in Straßenspezifikation für die Serienproduktion vorbereitet wurde -, doch die Basis des 300 SLR ist am engsten mit dem W196 verbunden, mit dem Mercedes-Benz 1954 und 1955 in der Formel 1 erfolgreich war.

Mythos 300 SLR Uhlenhaut Coupé

Der 300 SLR, der vom Mercedes-Benz Werksteam als reines Rennauto eingesetzt wurde, war nach dem Unfall in Le Mans fast überflüssig geworden. Die verbliebenen Fahrgestelle waren jedoch nicht unbrauchbar. Uhlenhaut hatte bereits vor dem Unfall in Le Mans mit den Plänen für eine Blechversion des 300 SLR begonnen und den Bau von zwei Fahrzeugen auf Basis des W196-Chassis in Auftrag gegeben, die an der Carrera Panamericana teilnehmen sollten. Der unerwartete Rückzug des Unternehmens aus dem Spitzenrennsport machte alle Pläne für die Produktion des 300 SLR Coupé in größerem Umfang zunichte, ermöglichte es Uhlenhaut jedoch, das inzwischen beerdigte SLR Coupé-Projekt vom Rennwagen in einen Prototyp für die Straße zu verwandeln.

Trotz Einsatz im Straßenverkehr, war das 300 SLR Coupé unter der Haut eindeutig vom Rennwagen abgeleitet. Seine kompromisslose Sitzposition, die über die innovativen Flügeltüren erreicht werden konnte, zwang die Insassen dazu, sich in die richtige Position zu falten - die meisten Fahrer mussten das Lenkrad mit Schnellverschluss abnehmen, um hineinzupassen.

Eine Meisterleistung der Ingenieurskunst

Die innenliegenden Trommelbremsen sind im Motorraum untergebracht, um die ungefederten Massen zu reduzieren. Das Gaspedal ist mit Leder überzogen, um ein Abrutschen der Füße während der Fahrt zu verhindern. Ein großer Kraftstofftank füllt den Kofferraum, der von zwei Reserverädern gekrönt wird. Das Gewicht des 300 SLR Uhlenhaut Coupé wurde ab Werk mit nur 998 kg angegeben - eine unglaubliche Ingenieursleistung.
Der 3,0-Liter-Reihenmotor ist mit einem der markantesten Merkmale des Wagens verbunden: zwei Auspuffrohre, die über seitlich angebrachte Kiemen auf halber Länge des 300 SLR austreten. Wenn der Motor zum Leben erwacht, dröhnt er durch diese fast ungedämpften Rohre, und man sagt, dass Uhlenhaut wegen des Lärms seiner furchteinflößenden Coupé-Kreation im späteren Leben schwerhörig wurde. In der Tat war der in England geborene Konstrukteur nicht gerade schüchtern, wenn es darum ging, den Wagen zu fahren. Von den beiden gebauten Fahrzeugen übernahm er eines als Dienstwagen. Uhlenhaut fuhr den 300 SLR regelmäßig, und es wird erzählt, dass er - als er zu spät zu einem Meeting kam - die Leistung des 300 SLR auf der Autobahn voll ausnutzte und die rund 230 km zwischen Stuttgart und München in weniger als einer Stunde zurücklegte.

Die einmalige Chance

Der SLR mit der Chassis-Nummer 196.110-00008/55 hat ohne Zweifel eine unvergleichliche Bedeutung für Mercedes-Benz und ist vielleicht das einflussreichste Fahrzeug, was jemals versteigert wurde. Es gibt keinen anderes 300 SLR Uhlenhaut Coupé in Privatbesitz, und die Chance, ein solches Auto direkt aus Firmenbesitz zu erwerben, wird sich sicherlich nie wieder bieten.

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2 Kommentare

  • egide aus belgien

    Egide aus belgien

    Das ist ein Riesen-Schande!!!
  • Martin-K

    Martin-K

    Irgendwann werden Nazi-Ola und seine Vasallen dafür zur Rechenschaft gezogen.

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