London Calling: Pagode "Very British"

Daily Driver für die High Society: 230 SL (W113)

London Calling: Pagode "Very British": Daily Driver für die High Society: 230 SL (W113)
Erstellt am 16. November 2017

Fast sechzig Jahre ist es her, seit in Stuttgart der Startschuss für die Entwicklung des 190 SL Nachfolgers fiel. Überlegungen, den Vorgänger mit einer Sechszylinder-Maschine zu verstärken, und darüber eine modernisierte Karosserie zu schneidern, wurden zu den Akten gelegt, und das Lastenheft des Neuen ging ganz in Richtung "Moderne Zeit“. Schon bei der Linienführung führte die Entwicklung weg von den bisher runden Formen zu moderner Geradlinigkeit.

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Die "Inneren Werte" zählen.

Hauptgrund für das neue Konzept war die Verwendung der Bodengruppe des W 111, der Heckflosse, wobei der Radstand um 30 cm gekürzt wurde. Das überzeugte nicht nur äußerlich, sondern steigerte auch den "Inneren Wert" für Fahrer und Beifahrer durch einen nutzbaren Raumgewinn von etwa zwanzig Prozent bei Fahrgastraum und Gepäckabteil.  Wie der W 111 hat der W 113 eine steife Fahrgastzelle mit hinteren und vorderen Knautschzonen. Auch die für ihn namensgebende geschwungene Dachform beim Hardtop entsprang sicherheitstechnischen Überlegungen.

Bei der Motorisierung war zunächst an einen 220 SL Sechszylinder auf Basis des
M 127 gedacht. Damit wäre jedoch die Forderung nach einer Spitzengeschwindigkeit von 200 km/h nicht zu schaffen gewesen. Konsequent wurde dieser Block auf 2,3 Liter Hubraum aufgebohrt und der 230 SL war geboren.

Die Pagode wurde zu einer Motorsport-Legende.

Nicht nur sein äußeres Erscheinungsbild hatte zu überzeugen, auch die sportliche Leistungsfähigkeit sollte an alte Traditionen der SL Baureihe anknüpfen. Kein Risiko scheuend kam der 230 SL schon 1963, dem Jahr seiner Vorstellung, bei der damaligen Prestigerallye Spa-Sofia-Lüttich zum Einsatz. Die Nonstop Materialschlacht endete mit dem Gesamtsieg von Eugen Böhringer und Klaus Kaiser, der Nimbus eines neuen Sportlers unter dem Stern war entstanden. Der Weg zu weiteren spektakulären Erfolgen im damals höchst populären Rallyesport stand offen.

Auch in der britischen High Society, sofern sie sportwagenbegeistert, aber nicht unbedingt ein Freund von altenglischer Starrachsenhärte und womöglich Steckscheibenromantik war, erregte das neue Konzept des 230 SL Begehrlichkeiten. Selbst damalige Luxus- und Importsteuern konnten einen einmal infizierten Gentleman offenbar nicht davon abhalten, so etwas in seinen Fuhrpark zu stellen. Nach damals nicht ungewöhnlicher Lieferzeit war es im Oktober 1964 für den Erstbesitzer so weit, dass er seinen Traum mit dem Nummernschild ABM 390B zulassen konnte. Man gönnte sich eben etwas, einschließlich für bisheriges Sportwagenverständnis unüblicher Details wie Getriebeautomatik und Servolenkung.

Da nach August 1964 hergestellt, hat dieser rote 230er bereits Felgen von 5 1/2 Zoll statt der bisherigen 5 Zoll. Der Reservereifen steht aufrecht im Kofferraum und ist noch nicht, wie seit 1965 eingeführt, liegend angeordnet.   

Back to the roots: Der W113 ist zurück in London.

Zehn Jahre Repräsentation mit sportlicher Note waren dann für den Halter wohl genug. Nach zwei weiteren Wechseln war 1980 beim nächsten Käufer in London die erste, allerdings nur im kleinen Stil erforderliche Restaurierung fällig. Für zwölf Jahre blieb der 230er in gleicher Hand. Danach wurden die Mechanik einschließlich Maschine und Getriebe sowie die Karosserie generalüberholt und der W 113 ging seinem Oldtimerstatus entgegen. Er kam nach Irland und wurde dort unter seinem heutigen historischen Kennzeichen CUI 825 in Londonderry zugelassen.

2010 ging es dann langsam wieder in Richtung Süden nach Surrey bei London zu Zahid, seinem jetzigen Besitzer. Der ist ein Liebhaber genüsslicher Ausfahrten in ländlicher Umgebung. Mit den nahe gelegenen Surrey Highlands bot sich für ihn ein adäquates Betätigungsfeld mit immer wieder neuem Fahrspaß. Im November 2014, erinnert sich Zahid, war jedoch oberste Gemütlichkeit angesagt, als es zum London-Brighton Run mit mehr als 600 Veteranenfahrzeugen ging, alle bis 1905 gebaut!  Ältestes Familienmitglied unseres 230 SL war dort ein Daimler von 1897.

Cruisen und flanieren - Das kann die Pagode.

Im nächsten Jahr gab es danach noch einmal eine Herausforderung für den 230er. Auf Achse ging es auf einen "kleinen Sprung" von 2000 km, übrigens ohne irgendwelche Zwischenfälle, nach Marbella, wo Zahid seinen Zweitwohnsitz hat. Die dortige mondäne Umgebung mit Häfen wie Puerto Banus und anderen angesagten Treffpunkten der High Society, dachte Zahid wohl, sei  für den 230 SL ein  angemessener Hintergrund. Schön wie er ist, passt er genau dort hin und wird überall, wo er erscheint, bewundert.

Zahid belässt es jedoch nicht nur beim Promenieren, auch ausgedehnte Touren durch die Bergwelt Andalusiens stehen oft auf seinem Programm. Besonders die Serpentinen haben es ihm offenbar angetan, kein Wunder bei der anerkannt guten Straßenlage und den Sportgenen seines Schmuckstücks. "Jedes Mal, wenn ich vor solchen Touren das Garagentor öffne, steht mir ein Lächeln im Gesicht" erzählt er dem Verfasser begeistert.

53 Jahre "alt" und noch kein Stück müde.

Mittlerweile hat das Auto 78 000 Meilen auf dem Tacho. Nicht viel bei über fünfzig Jahren Autoleben. Das Klima an der Costa del Sol und den auch heutigen Ansprüchen genügenden Komfort des SL genießend, hat Zahid sein Cabrio im täglichen Einsatz. Das gilt natürlich nicht für auch in  Marbella gelegentlich auftretendes schlechtes Wetter. Die Zuverlässigkeit ist keine Frage und der Fahrspaß ganz gewiss nicht!   Wenn es zwischendurch ´mal wieder etwas britisch werden soll, geht´s  eben um´s Eck nach Gibraltar …  Da passt dann auch der Rechtslenker wieder.

Technikkasten

Baureihe: W 113

Fahrzeugtyp: 230 SL

Baujahr: 1964

Motor: 6 / Reihe, Hubraum: 2306 ccm; Leistung:150 PS bei 5500 U/min 

Sonderausstattung: 4-Gang-Automatikgetriebe, Servolenkung, Sicherheitsgurte vorn, Notsitzbank hinten

Bremsen: Zweikreis- Servobremssystem        

Räder: Stahlfelgen 5,5 Zoll mit verchromten Radkappen und Zierringen

Reifen: Michelin MXV 185 R14 90 H   

Fahrwerk: Vorn: Doppel-Querlenker mit Schraubenfedern und Drehstabstabilisator. Hinten: Eingelenk-Pendelachse mit Ausgleichsfeder, Schraubenfedern

Karosserie: Selbsttragende Sicherheits-Ganzstahlkarosserie auf Rahmenbodenanlage

Innenraum: Leder beige, Radio Becker Europa TR

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