Mercedes-Benz setzt wie die meisten anderen Autohersteller längst auf Elektroantriebe. Problem: das langjährige Aushängeschild der Marke – die S-Klasse – ist mit einem Elektroantrieb gar nicht zu bekommen. Das macht uns gar nichts, denn der Mercedes S 400d zeigt, wie perfekt ein Selbstzünder in das Luxusmodell passt. Der Luxus ist weit beeindruckender als im elektrischen EQS.
Meckern auf hohem Niveau: Es fehlt etwas an Dampf
Der S 400d ist eine perfekte Langstreckenlimousine und passt doch aktuell nicht so recht ins Bild des schwäbischen Autobauers. Mercedes proklamiert unter dem EQ-Label die neue Elektromobilität und eine zugegeben zeitgemäße Luxusstrategie. Welches deutsche Auto ist mehr Luxus als die Mercedes S-Klasse? Die verzichtet jedoch auf einen Elektroantrieb und setzt auf etablierte Verbrenner mit und ohne Stecker. Für ebenso verwöhnte wie wohl betuchte Kilometerfresser gibt es eine geradezu perfekte Alltagslösung: den Mercedes S 400d 4MATIC. Denn wer einmal ein paar Tage mit dem großen Diesel in der S-Klasse unterwegs war, der wird lange nach einem echten Makel suchen müssen. Okay, er könnte für ambitionierte Fans der Luxusklasse noch mehr Dampf bieten, denn an den Tatendrang des mittlerweile auch bei BMW ausgelaufenen Vierfach-Dieselturboladers, der in den großen Modellen wie 7er und X7 so perfekt seine Arbeit mit 400 PS verrichtete, kommt der Reihensechszylinder-Diesel aus Stuttgart zugegeben nicht heran. Und das ist ein offenes Geheimnis. das weiß der Mercedes-Spezialist im Ruhrgebiet ebenso wie der Autoankauf in Hannover.
Möglichst schnell und möglichst komfortabel reisen
Das Triebwerk hat zum Vorbild aus München zwar ein stattliches Leistungsdefizit von 51 kW / 70 PS, doch die 243 kW / 330 PS unter dem Sternenbanner beeindrucken ebenso wie das maximale Drehmoment von 700 Nm und die Laufruhe des Selbstzünders unter der Motorhaube. Der macht gerade bei engagierten Leistungsabfragen zugegeben keinen Hehl daraus, dass er ein Diesel ist. Er kann obenherum nicht die Drehfreude eines aufgeladenen Benziners bieten und verwöhnt weder Insassen noch Umgebung mit sonor bassigem Klang. Doch was will jemand, der in einer Luxuslimousine wie der Mercedes S-Klasse tagtäglich auf Kilometerjagd geht? Zumeist legt der Chauffeur lange Strecken mit überaus flottem Tempo zurück und will dabei so entspannt wie möglich ankommen.
Der S 400 d beeindruckt mit einem niedrigen Verbrauch
Das geht kaum lässiger als in einer Mercedes S-Klasse, einem Audi A8 oder einem Siebener BMW. Leider wurde das Tankvolumen in der Topliga in den vergangenen Jahren reduziert, sonst wären noch längere Strecken ohne Tankstopp drin, doch der 65-Liter-Behälter und ein normal ausgeprägter Gasfuß sorgen dafür, dass bis zum nächsten Halt an der Zapfsäule locker 800 bis 900 Kilometer vergehen. Je nach Fahrweise lag der Realverbrauch bei 7,5 bis 8,2 Litern Diesel auf 100 Kilometern – das ist für ein 2,1 Tonnen schweres Luxusschlachtschiff mit allem Zipp und jeder Mange Zapp, breiten Reifen und Allradantrieb ein exzellenter Wert. Dabei schiebt der Schwabe aus nahezu allen Drehzahl- und Tempobereichen bullig an und lässt einen nur über das Instrumentendisplay erkennen, wie schnell man wirklich unterwegs ist. Auf Wunsch bis zu 250 km/h.
Nicht alles perfekt, dennoch zwei Klassen besser als der EQS
Das Fahrgefühl im mindestens 122.308 Euro teuren Mercedes S 400d 4MATIC ist entsprechend. Exzellente Lederstühle mit Seitenhalt und Massage nach Gusto, ein angenehm geringes Geräuschniveau und in der mehr als empfehlenswerten Version mit langem Radstand vorne wie hinten jene Platzverhältnisse, die man von einer Luxuslimousine der Neuzeit erwartet. Mögliches Kritikpotenzial ist rar gesät. Man mag darüber streiten, ob die zahlreichen Lüftungsdüsen im Armaturenbrett derart auffällig in Szene gesetzt werden mussten. Das geht auch dezenter und weniger zahlreich. Zudem können die Instrumente nicht vollends überzeugen. Das digitale Informationspaket hinter dem Steuer wirkt im Vergleich zu so manchem Wettbewerber wie eine kleine Postkarte und kommt auch nicht an das große Hochkant-Tablet in der Mitte der Armaturentafel heran. Zudem fehlt ein Beifahrerdisplay, das in dieser Liga zumindest gegen Aufpreis verfügbar sein sollte. Ändert nichts am grandiosen Wohlfühlcharakter der Mercedes S-Klasse und speziell der Langversion, die ganz nebenbei auch besser aussieht. Hinten lassen sich die belederten Sessel ebenso vielfältig verstellen, beheizen, kühlen und mit unsichtbaren Massagehänden zu elektrisch verdunkelbaren einer Reiseoase machen, die ihresgleichen sucht und zwei Klassen mehr Komfort bietet als der hier nur mäßig überzeugende Elektrobruder des Mercedes EQS. Der Kofferraum fasst 540 Liter – mehr braucht niemand.
Jeder Kilometer ist pure Entspannung
Während die Insassen den Komfort auf langen wie kurzen Strecken genießen, geht es dem Fahrer nicht anders. Jeder Kilometer ist pure Entspannung und es fällt nicht leicht auszusteigen – auch weil neben den exzellenten Sitzen die rechte Musik aus dem beeindruckenden Soundsystem tönt und sich die 5,29 Meter lange Mercedes S-Klasse ganz nebenbei ein bis zwei Klassen kompakter fährt, weil die mitlenkende Hinterachse gefühlt 30 Zentimeter Fahrzeuglänge abgeknabbert hat. Die Lenkung könnte je nach Fahrprogramm etwas mehr Gefühl von der Fahrbahn vermitteln und die zahllosen Touchfelder auf den Speichen zur Bedienung der Fahrzeugfunktionen sind leider alles andere als überzeugend. Das gilt übrigens auch für die Fahrerassistenz, denn die lange Zeit versprochene Stufe drei übernimmt das Steuer nur bis zu Tempo 60 im Stau auf deutschen Autobahnen. Da hoffen wir einfach einmal auf schnelle Besserung, genießen die nächsten 800 Kilometer bis zum nächsten Tankstopp und federn über alles weg, was sich einem so in den Weg stellt.
Technische Daten: Mercedes-Benz S 400d 4MATIC
Motor: Sechszylinder, Reihe, Comonrail-Diesel
Hubraum: 2.925 ccm
Leistung: 243 kW / 330 PS
Max. Drehmoment: 5,6 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
Beschleunigung 0 – 100 km/h:
Normverbrauch: ab 6,7 Liter Diesel / 175 g CO2 / 100 km
Leergewicht: 2.080 kg
Ladevolumen: 540 Liter
Getriebe: Neungang-Automatik
Antrieb: Allrad
Keine Kommentare
Schreibe einen Kommentar