Luden-Karre: Mercedes 380 SEL von „Inkasso Henry“

Mercedes Kiez-Klasse

Luden-Karre: Mercedes 380 SEL von „Inkasso Henry“: Mercedes Kiez-Klasse
Erstellt am 22. November 2024

Der Stern von Mercedes-Benz steht für vieles - zum Beispiel für Seriosität. Weil die Marke Mercedes-Benz Prestige, Robustheit und Komfort wie keine zweite bot, wurde sie in den 1980er Jahren auch für alles andere als seriöse Mitmenschen wie etwa Zuhälter und andere Mitglieder der Rotlichtszene zur ersten Wahl, . Ein Mercedes war in den 80ern sofort erkennbar: sein Design, die großen Kühlergrills, und die insgesamt wuchtige, dennoch elegante Erscheinung machten ihn im Straßenbild auffällig. Dies passte gut zum Selbstverständnis vieler Kiezgrößen, die ihren Status betonen wollten. Ludenkarre und S-Klasse: Für die Hamburger Kiez-Größe „Inkasso-Henry“ aka Henry Hübner, dessen Bekanntheitsgrad infolge viele TV-Berichte weit über die Grenzen der Reeperbahn hinausreichte. 2017 verstarb Henry Hübner. Doch was wurde aus seinem 81er Mercedes-Benz 380 SEL (W126) hier auf Erden? Die zypressengrüne S-Klasse gehört heute Mikael Can. Das Auto hat es ihm angetan und eine Art verklärte St-Pauli-Luden-Romantik irgendwie auch. Als „Schöner Mika“ hat er es sich zur Aufgabe gemacht, auf seinen Social-Media-Kanälen das Andenken an „Inkasso Henry“ und dessen Mercedes S-Klasse zu bewahren. Mercedes-Fans.de erzählte er seine Geschichte.

Der „Schöne Mika“ und der W126 von Kiezgröße „Inkasso Henry“

„Meine Liebe zu der Baureihe W126 wurde durch meinen Großvater geweckt. Er besass wie Inkasso Henry einen zypressengrünen W126.“ Dieser Wagen wurde später von der Familie veräußert - ein Verlust, den Mika so sehr quälte, dass er den Wagen später zurückkaufte und wieder auf Vordermann brachte.

Den Luden-Benz von Inkasso-Henry entdeckte Mika erstmals als Verkaufsangebot auf der Auktionsplattform eBay im Jahr 2018. Damals allerdings kam er zu spät, um sich diesen Wagen an Land zu ziehen. Der Wagen war bereits an einen Höchstbietenden verkauft.
Doch Mika sollte sich eine zweite Chance bieten. Allerdings erst sechs Jahre später.

Man begegnet sich immer zweimal im Leben

Da Mika ein W126-Enthusiast ist, durchforstet er regelmäßig die einschlägigen Verkaufsportale im Internet nach Exemplaren dieser S-Klasse-Limousine. Im Januar 2024, als er interessehalber sich wieder einmal durch die W126-Offerten klickte, entdeckte er den Mercedes 380 SEL von Inkasso Henry. Standort des Autos war Hamburg.

Mika konnte es kaum glauben und kontaktierte sofort den Verkäufer. Nachdem der Kontakt hergestellt war, fuhr der Recklinghausener unverzüglich zusammen mit seinem Vater Oktay, auf dessen Unterstützung er stets bauen kann, in die Hansestadt, um sich den Wagen anzuschauen.

In Hamburg angekommen, erkannte Mika auf den ersten Blick, dass der 380 SEL von Inkasso Henry alles andere als eine Augenweide war. „Der Motor ging nach dem Starten nach ca. 60 Sekunden immer aus. Aus dem Motorraum drangen seltsam ungesund klingende metallische Geräusche. Und auch der Rost hatte sich in der S-Klasse an vielen Stellen eingenistet“, berichtet Mika vom üblen Zustand des W126.

Weil aber der Kaufpreis akzeptabel war, schlug Mika dennoch zu und ließ den 380 SEL auf einem Hänger nach Recklinghausen in seine Werkstatt schleppen. Schon bald ging es an die Arbeit, um Inkasso Henry und dessen Benz ein fahrendes Denkmal zu setzen, Mika berichtet: „Die Idee ist, den Benz wieder auf die Straße zubringen und die Restaurierungsfortschritte auf Social Media zu teilen, um alle Fans daran teilhaben zu lassen.“ Gesagt. Getan: Via TikTok, YouTube und Co. gibt es unter dem Pseudonym „Der schöne Mika“ die komplette Instandsetzung zu sehen. Der Zuspruch und das Interesse an den Videos ist bemerkenswert hoch, worüber sich Mika freut: „Das ganze Projekt ist ein voller Erfolg, denn es gibt reichlich positiven Zuspruch.“

Die Aufmachung des 380 SEL ist originalgetreu und authentisch - und dürfte wohl ganz dem Geschmack von Inkasso Henry entsprechen: So findet sich auf der Hutablage ein Herrenmagazin aus dem Jahr 1981 und auch das Nummernschild ist mit RE-IH 380 (IH steht für Inkasso Henry; 380 für den Mercedes 380 SEL) eine Verbeugung vor der ehemaligen Reeperbahn-Rotlicht-Größe.

Übrigens: Wer Inkasso Henry nicht kennt, dem sei das Anschauen des nachfolgenden Videos empfohlen. Es zeigt Inkasso Henry mit seinem Mercedes 380 SEL Benz in der Waschstraße - der Film hat es schon auf über 228.000 Klicks gebracht.

Video: Inkasso Henry mit seinem Mercedes in der Waschstraße


Mehr über Inkasso Henry: Hamburgs Kiez-Legende und König des Geldeintreibens

Hamburgs St. Pauli hat über die Jahrzehnte zahlreiche Figuren hervorgebracht, die im Viertel rund um die Reeperbahn für Aufsehen gesorgt haben. Einer der bekanntesten Namen der Szene ist „Inkasso Henry“. Der gebürtige Hamburger Henry Hübner (10. Juli 1952 - 08. Mai 2017), besser bekannt unter seinem Spitznamen, wurde in den 1980er und 1990er Jahren als Geldeintreiber und Kiezgröße bekannt und machte sich einen zweifelhaften, aber unverkennbaren Namen.

Henry Hübner, ein Mann, der weder groß noch besonders muskulös war, wusste, wie er mit seiner Erscheinung und seinem Ruf Menschen beeindrucken konnte. Mit seinem markanten Schnurrbart, oft in Lederjacke und mit entschlossenem Blick unterwegs, galt er als „Inkasso Henry“ vielen als die erste Adresse, wenn es darum ging, offene Schulden in den Kiez-Kneipen oder von zahlungsunwilligen Kunden einzutreiben. Sein Stil war direkt und unmissverständlich – eine Eigenschaft, die ihm in der Szene Respekt verschaffte und ihn zugleich zu einer der gefürchtetsten Figuren der Hamburger Unterwelt machte.

Ein Mann der klaren Worte

„Inkasso Henry“ hatte seinen eigenen Stil, wie er Forderungen eintreiben konnte. Seine Methoden waren im Milieu gefürchtet, gleichzeitig aber so durchdacht, dass er nur selten die Grenze zur Illegalität überschritt. Wer ihn engagierte, wollte meist ein klares Signal senden: Die Zeit der Ausreden war vorbei. Für viele St. Paulianer war Hübner der Mann für den „letzten Versuch“, bevor gerichtliche Schritte eingeschaltet wurden. Sein Vorgehen war jedoch selten handgreiflich – Henry Hübner wusste, dass Worte oft wirkungsvoller sein konnten als die Faust. „Ich rede mit den Leuten, dann verstehen sie schnell, dass es besser ist, zu zahlen“, soll er einmal gesagt haben.

Der Mythos um Inkasso Henry

In den Augen der Polizei galt er als eine der „besseren“ Größen im kriminellen Milieu. Inkasso Henry blieb meist auf Distanz zu den wirklich gewalttätigen Gruppen der Szene. Vielleicht war es sein Instinkt oder sein kalkulierter Umgang mit der Grenze des Gesetzes, aber Hübner war darauf bedacht, seinen „Job“ ohne übermäßige Gewalt auszuführen. Diese Grauzone und sein über die Jahre entstandener Ruf als „Gentleman der Geldeintreiber“ machten ihn zu einer Person, die man gerne in Geschichten über St. Pauli erwähnt. Die Medien porträtierten ihn teilweise als eine Art Antihelden des Kiezes.

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