Im Klassiker-Sektor des MIB-Fahrerlagers steht der Strich-Acht üblicherweise hoch im Kurs. Mittlerweile betätigen sich aber immer mehr Tuning-Begeisterte als Tiefstapler, sobald sie einen W114/W115 in die Finger kriegen. Und dann heißt es: „Nieder mit ihm!“ Auch Ronalds 69er 250.6 ist dank Luftfahrwerk ganz weit unten auf der Straßen gelandet.
Im Rückspiegel
Vor genau 50 Jahren, am 9. und 10. Januar 1968, stellte Mercedes-Benz in Sindelfingen die völlig neu entwickelten Limousinen der oberen Mittelklasse vor. Sie sind aufgeteilt auf die Baureihen W 115 (Vier- und Fünfzylindermotoren) und W 114 (Sechszylindermotoren). Die Modellreihe aus der Ahnenreihe der E-Klasse überzeugt mit klarer Formensprache sowie einem gegenüber der Oberklasse eigenständigen Design. Der Erfolg des „Strich-Acht“, wie Fans diese Fahrzeuggeneration nach dem Zusatz „/8“ in der Typenbezeichnung später nennen, ist überwältigend: Erstmals werden mehr als eine Million Exemplare einer Mercedes-Benz Fahrzeugfamilie verkauft. Zu ihr gehören neben den Limousinen auch Coupés, Limousinen mit langem Radstand und Fahrgestelle für Sonderaufbauen. Heute ist der „Strich-Acht“ eine begehrte klassische Baureihenfamilie der Stuttgarter Marke.
Zu den Mercedes-Fans, welche den Strich-Achte für eine begehrliche Haut halten gehört auch Ronald Annies, Seit September 2017 besitzt er den 69er 250.6. Mercedes-Fans.de erzählte er seine Liebesgeschichte, die davon handelt, warum er ausgerechnet diesen Benz sein Eigen nennen wollte und wieso er vor gut einem Jahr ein Luftfahrwerk in dem Strich-Acht verbaute.
„Ich schraube seit meinem 12. Lebensjahr an Autos herum. Meine Großmutter betrieb einen Autohandel; ich bin quasi mit dem Auto-Hobby groß geworden und machte schon früh auf ihrem riesigen Privatgrundstück meine Erfahrungen hinterm Steuer. Mein erstes Auto mit 18 Jahren war ein VW Polo 86c, dem mehrere Honda folgten. Etliche Jahre und vielen Autos später bin ich schließlich bei Mercedes-Benz gelandet, chauffierte ML, CLK, W211 und ein W123 Coupé.“
Der Traum nimmt seinen Anfang
„Am Anfang meines Traums vom Strich-Acht stand eigentlich das Coupé. Das Auto sollte so original wie möglich sein und als einzige Modifikation ein Luftfahrwerk besitzen. Dieser Wunsch kam in mir auf, nachdem ich einmal ein Sourkrauts-Video mit einem W114 Coupé auf Luft gesehen hatte. Seitdem wollte ich unbedingt ein Strich-Acht Coupé mit den Dreiecksfenster der ersten 05er Serie, Lenkradautomatik und Teillederausstattung haben. Aber das war leichter gesagt als besorgt.“
18 Monate suchte Ronald nach seinem Wunschauto- und zwar in jeder Ecke unserer Republik. Quer durch Deutschland führte ihn die Fahndung nach dem gesuchten Typ. Viele Fahrzeuge sah er sich an, aber der ersehnte Treffer war nie darunter. „Ich fand nichts, was mit bezüglich der Substanz und der Ausstattung zugesagte.“
Liebe auf den zweiten Blick
„Während meiner Suche begegnete mir auch auf einem Internet-Autoportal meine spätere Strich-Acht Limousine. Aber es war keine Liebe auf den ersten Blick. Trotzdem parkte ich diesen Fund auf meiner Merkliste. Dann verlor ich diesen Strich-Acht erst einmal aus den Augen und dann aus dem Sinn. Als ich die Liste einige Zeit später einmal durchforstete, kam mir die hier hinterlegte Strich-Acht Limousine wieder ins Gedächtnis. Obwohl es sich bei dem Strich-Acht um kein Coupé handelte und die Fotos in der Online-Annonce eher schlecht als recht gelungen waren, entschied mich dennoch das Auto einmal persönlich in Augenschein zu nehmen."
Es geschah an einem Sonntag
„Die Reise zur Strich-Acht-Besichtigung trat ich an einem Sonntag gut gelaunt und bei bestem Wetter an. Nachdem wir an dem etwas weiter entfernten Zielort angekommen waren und mit dem Besitzer einen kurzen Schnack gehalten haben, kam der Moment der Wahrheit. Der Vorbesitzer holte den Benz aus der Garage. Im herrlichsten Sonnenlicht glänzte der grüne Benz wunderbar. Da war es um mich geschehen und das Coupé vergessen. Dann kam es so, wie es kommen musste: Optischer Check (bestanden), Probefahrt (technisch top), eine Nacht drüber schlafen (herrlich geträumt), Besitzer anrufen und Kauf finalisieren. Eine Woche später konnte ich den Strich-Acht abholen. Übrigens fiel mir beim Durchsehen der picobello Fahrzeugdokumentation in den Papieren auf, dass sechs Sitzplätze für den Strich-Acht eingetragen waren."
Ronald geht ans Werk
Wenige Monate, nachdem der Strich-Acht bei Ronald auf dem Hof stand, machte sich Ronald an die Arbeit um den Stern auf Vordermann zu bringen. Ein bisschen was, war ja doch zu tun: Das Differential wurde neu abgedichtet und neue Simmerringe zwischen Differential und Antriebswellen kamen zum Einsatz. Kurz darauf waren die Antriebswellen neu gefettet, die Bremsanlage überholt und diverse Flüssigkeiten gewechselt. Als Neuteile wurden u.a. Antriebsmanschetten, Ölwanne und Ölwannendichtung verbaut.
Noch ist die Luft nicht aus dem Benz raus
Während das Benz-Projekt durch Ronalds aufmerksame Pflege- und Instandsetzungsarbeiten von Tag zu Tag eine anstandlose Fahrtüchtigkeit zurückerlangte, setzte sich der MIB mit Firmen in Verbindung, die Luftfahrwerke im Programm hatten- leider mit einem unbefriedigenden Ergebnis: „Für den Strich-Acht waren nur Airrides ohne TÜV-Gutachten oder nur mit erheblichen Veränderungen an der Karosserie (Schweißen, Bohren etc.) erhältlich. Das eine wie das andere war für mich aber nicht akzeptabel. Auf der Essen Motor Show 2017 bot allein TA-Techniks ein Luftfahrwerk für den Strich-Acht an, bei dem nach Auskunft des Herstellers ein TÜV-Gutachten in der Mache war. Da ich unbedingt ein Airride mit Segen des TÜV haben wollte, beschloss ich mit dem Kauf des Luftfahrwerks solange zu warten, bis die „amtliche“ Freigabe erteilt war. Das hat dann immerhin nochmal 18 Monate gedauert. Als TA-Techniks dann via Instagram bekannt machte, dass der Segen des TÜV für das Strich-Acht-Luftfahrwerk erteilt worden ist, habe ich das Airride sofort bestellt. Zwei Wochen später kam das Paket mit dem Teil an. Für mich war das wie Weihnachten, Ostern und Geburtstag an einem Tag."
Luftlos glücklich
Beim Einbau des Luftfahrwerks gab es keinerlei Probleme oder Schwierigkeiten, berichtet Ronald: .“Ich habe mir allerdings die Mühe gemacht, alle Luftleitungen innen hinter der Verkleidung zuverlegen, wofür die komplette Innenausstattung ausgebaut werden musste.“ Die Leitungen der linken Achsseite sind auf der linken Seite verlegt, die Leitungen für rechts liegen auf der rechten Seite - so sind die Leitungen gleichlang und das Heben und Senken des Benz gelingt auf beiden Seiten völlig gleichmäßig. Es versteht sich von selbst, dass der Kompressor, den Ronald bei Grinds erworben hat, sauber und ordentlich im Kofferraum verbaut ist. „Nach den Testläufen, ob alles funzt“, wie es soll, habe ich den Fahrersitz eingebaut und sofort auf die Straße eine Runde gedreht. Was soll ich sagen: Ich grinste mir einen Muskelkater ins Gesicht.“ (Fotos: Alexander Frohberg)
Bildergalerie: 69er Mercedes-Benz 250.6 42 Bilder Fotostrecke | Luftiger W114-Traum: 69er Strichacht mit Airride ist an seinem Tiefpunkt angekommen
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