Mercedes-Benz 600 (W100) von Leonid Breschnew (1906-1982)

From Russia with Mercedes-Love: Mercedes-Luxuskarosse vom Ex-Staatsoberhaupt der UDSSR

Mercedes-Benz 600 (W100) von Leonid Breschnew (1906-1982): From Russia with Mercedes-Love: Mercedes-Luxuskarosse vom Ex-Staatsoberhaupt der UDSSR
Erstellt am 18. Januar 2020

Ein Mercedes-Benz 600 ist immer etwas ganz Besonderes. Jeder der 2.677 in Handarbeit gefertigten Exemplare ist auf seine Art einzigartig und hat auch eine einzigartige Biographie. So wie dieses Exemplar mit Erstzulassung 1968 in Moskau. Halter war der sowjetische Geheimdienst KGB. Zugriff auf den noblen Stern hatte aber nur einer: Der Mercedes-Benz 600 gehörte nämlich 14 Jahre lang zum Privatfuhrpark von Leonid Iljitsch Breschnew, der von 1964 bis 1982 als Generalsekretär der KPdSU der mächtigste Mann in der UDSSR war.

Im Rückspiegel: das beste Auto der Welt

Die Präsentation des Typ 600 auf der Frankfurter IAA im September 1963 war eine Sensation. Konzipiert als exklusives Repräsentationsfahrzeug für höchste Ansprüche, war das neue Spitzenmodell serienmäßig mit technischen Besonderheiten ausgestattet, die in ihrer Summierung einzigartig waren und den damaligen Stand der Technik darstellten. Die Serienfertigung begann im September 1964. Außer der fünf- bis sechssitzigen Limousine mit 3.200-mm-Radstand wurden drei sieben- bis achtsitzige Pullman-Varianten mit 3.900-mm-Radstand angeboten: eine viertürige Pullman-Limousine mit Fondsitzen in vis-à-vis-Anordnung, eine sechstürige Pullman-Limousine mit Sitzbank im Fond und zusätzlichen Klappsitzen in Fahrtrichtung sowie ein Pullman-Landaulet. Der letzte 600er verließ im Juni 1981 seine Produktionsstätte im Werk Sindelfingen; während der 17jährigen Produktionszeit waren in Einzelanfertigung insgesamt 2.677 Fahrzeuge entstanden, davon 429 Pullman-Limousinen und 59 Landaulets.

Als Antriebsaggregat kam, erstmals bei Daimler-Benz, ein V8-Einspritzmotor zum Einsatz, der aus 6,3 l Hubraum 250 Pferdestärken mobilisierte. In Verbindung mit dem serienmäßig eingebauten Automatikgetriebe wurden sportwagenmäßige Fahrleistungen erzielt. Der immerhin fast zweieinhalb Tonnen schwere 600er (Gewichtsangabe ohne Panzerung) erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von über 205 km/h und ließ sich in 10 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigen.

VIP-Schaukel mit Stern

Unter den prominenten Besitzern des Mercedes-Benz 600 soll es arabische Königshäuser gegeben haben, die über 100 Exemplare in ihrem Fuhrpark hatten. Dagegen nahm sich der 600er Bestand von Schah Reza Pahlavi mit „nur" zwanzig Exemplaren geradezu kläglich klein aus. Der 600er fand sich auch im Fuhrpark von Gottkaiser Hirohito und Papst Paul VI. Aber auch Normalsterbliche, die es sich leisten konnten, fuhren ihn - so z.B. Liz Taylor, Gunther Sachs, Aristoteles Onassis, Elvis Presley und Udo Jürgens. Selbst im Sozialismus galt der Stern, der zu seiner Zeit unbescheiden als das beste Auto der Welt bezeichnet werden kann, als begehrte Krönung der automobilen Schöpfung: Mao Tse Tung besaß die Kleinigkeit von elf Fahrzeugen. Und auch Leonid Breschnew, von 1964-1982 Generalsekretär der KPdSU und damit der mächtigste Mann der UDSSR, fuhr diesen Wagen.

Autonarr Breschnew

Leonid Breschnew war ein Genußmensch und ein großer Autonarr. Seine Leidenschaft für Luxus lebte das Staatsoberhaupt freilich nur in seiner für Außenstehende verborgenen Privatspähre aus. Während sich Breschnew in seiner Heimat bei offiziellen Terminen und vor den Augen der Öffentlichkeit lediglich in sowjetische Repräsentationslimousinen wie ZIL oder Tschaika blicken und fotografieren bzw. filmen ließ, standen in der Garage des Kremlchefs für seinen privaten Fahrspaß Luxusautos der Marken Masarati, Cadillac, Rolls Royce und eben auch seit 1968 ein Mercedes-Benz 600 (Baureihe W100).

Goldenes Zeitalter im roten Rußland

Die Geschichtswissenschaftler sind sich in der Bewertung der historischen Bedeutung Breschnews nicht einig. Die einen kennzeichnen ihn als führungsschwach und profillos. Andere fokussieren auf seine Rolle als „kalter Krieger“, der das atomare Wettrüsten mit den USA beschleunigt hat. Und dann gibt es wiederum auch Stimmen, die über Breschnew urteilen, dass er die Sowjetunion durch ihre bis dahin stabilste Zeit, die in der Rückschau heute von vielen Russen als „goldenes Zeitalter" schwärmerisch vereehrt wird, führte. Nach den entbehrungsreichen Mangeljahren der Ära Stalin und Chrustschow machte er sich in der Tat dafür stark, der russischen Bevölkerung einen höheren Lebensstandard zu ermöglichen. Vieles von seinen Ankündigungen für ein besseres Leben unterm Sowjetstern blieb freilich nur Proklamation.

Breschnew war auch ein MIB

Für sich persönlich hatte Breschnew das Ziel eines höheren Lebensstandards nicht erst für ein irgendwann in der Zukunft vorgesehen, sondern schon zu Lebzeiten erfüllt. ‚Nicht warten, sondern starten‘ lautete da wohl sein Credo - insbesondere, wenn es um seine Leidenschaft für luxuriöse Automobile ging. Dass Breschnew ein Auto-Enthusiast war, wollte sich die damalige deutsche Bundesregierung unter Führung von Bundeskanzler Willy Brandt zunutze machen. Die Regierung Brandt bemühte sich nach Jahren eines Nichtverhältnisses zum Osten um eine Annäherung an die DDR und die übrigen Staaten des Warschauer Paktes - wohlwissend, dass der entscheidende Puppenspieler im Marionettentheater des Ostblocks Leonid Breschnew war. Mit bloßer diplomatischer Überredungskunst soll Willy Brandt die Ohren Breschnews nicht geöffnet haben, heißt es in der Analyse einiger Journalisten heute. Bei dem schließlich entstandenen recht vertraulichen und für alle Seiten sehr gedeihlichen Verhältnisses zwischen Genußmensch Brandt und Genußmensch Breschnew sollen gerüchteweise Wein, Weib und Gesang eine Rolle gespielt haben. Ganz bestimmt kam dabei der Liebe des Kremlchefs zu Mercedes-Benz eine Bedeutung zu. Breschnew war also ein echter MIB - 2018 sollte sein Mercedes 600 dann auch bei der 4. MIB-Rallye starten. 2019 war der Breschnew 600er einer der Stars des Mercedes-Festivals SCHÖNE STERNE in Hattingen.

Es geschah 1973: Ein russischer Staatslenker pilotiert sich ins Abseits

Auf dem Petersberg: Leonid Breschnew (2.v.r) und Bundeskanzler Willy Brandt (l). (1973).
Foto: Auto-Medienportal.Net/Steigenberger

Dass der starke Mann der Sowjetunion die schönen Personenwagen von Mercedes-Benz sehr mochte, blieb der Informationsabteilung der Bundesrepublik Deutschland nicht verborgen. Und also bekam der Kremlchef 1973 von Bundeskanzler Willy Brandt anlässlich eines Staatsbesuchs in Deutschland ein Mercedes-Benz Coupé des Typs 450 SLC geschenkt. Lang währte die Freude an der guten Gabe aber nicht für Schenker und Beschenkten, denn bei einer spontanen nächtlichen Probefahrt auf der Serpetinenstraße zum Hotel Petersberg in Königswinter-Bonn (dem damaligen Gästehaus der Bundesrepublik Deutschland) fuhr Breschnew den neuen Benz zu Schrott. Mit seinem 600er ging er sorgsamer um.

Deutschland-Comeback für einen Superstar

Nach Beschnews Tod im Jahr 1982 verblieb der Mercedes-Benz 600 im Fuhrpark des KGB. Dann wurde der Wagen im Juli 1991 von einem russischen Privatmann erworben, der ihn noch im selben Monat nach Deutschland exportierte und an einen Käufer in Berlin übergab. Dieser ließ den in die Jahre gekommenen 600er im Jahr 1992 sehr aufwendig mit originalen Ersatzteilen restaurieren. Die enorme Summe von 390.000 D-Mark (etwa 200.000 Euro) ließ sich der Berliner die Wiederherstellung von Glanz und Gloria und makelloser Stattlichkeit kosten.

Unterm Hammer ohne Sichel

Der Mercedes-Benz 600 ist ein Automobil mit vielen herausragenden Eigenschaften - seinen Besitzern auf allen Wegen Glück zu bringen, gehört aber offenbar nicht zu diesen. Ende 1997 wurde der W100 vom Finanzamt Potsdam im Zuge eines Vollstreckungsverfahrens nämlich gepfändet und im April 1998 stillgelegt. In den Jahren zwischen 1998 und Anfang 2008 war es den gesamten Zeitraum über in Obhut der Finanzbehörden abgestellt. Anfang 2008 wurde der Dauerparker im Rahmen einer Zoll-Auktion im Internet zum Kauf angeboten. Am 1. Februar erging der Zuschlag an einen Bieter aus NRW. Der Kilometerstand betrug zum Zeitpunkt der Versteigerung am 01.02.2008 exakt 90.082 km.
Neun Jahre später, im Sommer 2019, als der Mercedes-Benz Brechnew zu den Attraktionen des Mercedes-Benz-Teffens von SCHÖNE STERNE 2019 gehörte, hatte der 600er nur wenig mehr, nämlich 91.400 km auf der Uhr. Viele haben die Luxuslimousine, die jetzt übrigens wieder einen Käufer sucht, bestaunt. Kann man nur zu gut verstehen: Dieser Mercedes-Benz 600 war, ist und bleibt ein einzigartiges Statement. Und nicht viele Autos haben eine so außergewöhnliche Geschichte zu erzählen wie dieses Exemplar. (Fotos: Janosch Gruschczyk; www.janosch-fotografie.de)

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Autor:‭ ‬Mathias Ebeling

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