Letzte Ausfahrt Friedhof. Sind die Meter zu unserer ewigen Ruhestätte der Weg hin zu einem besseren Leben im Jenseits? Hmh, warum sich erst im Da und Dann wie im Himmel fühlen, wenn auch das Hier und Jetzt - zumindest zum Schluss - mit Glanz und Gloria garniert werden kann? Dieser Gedanke ist es vielleicht, welcher der Existenz dieses besonders außergewöhnlichen Bestattungswagens auf Basis eines Mercedes-Benz 250 TD W124 zugrunde liegt. Man möchte meinen, dass dieser prunkvoll drapierte Leichenwagen Kaisern und Königen als würdiger Weggefährte hin zum Gottesacker gedient haben mochte. Der goldene Schein und die kostbar anmutende Fassade sind dazu angetan, auf diese falsche Fährte zu führen. Tatsächlich durfte man auch als Normalsterblicher bei dem italienischen Bestatter Maurizio Cerrato in La Montorese in der Nähe von Neapel mit diesem Benz auf fürstliche Art den Abgang machen.
Abgefahren - aber anders
Wer hierzulande den üppig und überladen wirkenden Bestattungswagen sieht, wundert sich womöglich über so viel Opulenz. Ja klar, man kann sich auch weitaus bescheidener zur Gruft geleiten lassen. Doch wer die Operette, das große Schauspiel mit ganz viel Geste und überbordender Theatralik liebt - und das sind in Italien viele - der liegt in diesem Mercedes-Benz am Ende richtig. Oder besser gesagt: Er lag. Denn die Chance sich in diesem Mercedes-Benz 250 TD mit Baujahr 1990 hochherrschaftlich auf rotem Samt gebettet und von güldenem Glanz umgeben, für immer zu verabschieden, ist ja perdü.
Denn Christian Heide aus Deutschland ist der derzeitige Besitzer des ungewöhnlichen Zweitürers. Wer als MIB mit Blick auf den Benz der Gedanke in den Kopf kommen sollte, dass er so eines Tages mal abtreten möchte, dessen Wunsch bleibt, was diesen Bestattungsbenz betrifft, leider unerfüllt. Denn Christian ist kein Bestatter, sondern Sparkassen-Mitarbeiter. Eine ganze Zeit lang schlug das Herz des heute 52-Jährigen übrigens für US-Cars. Doch dann ging auf einmal der Stern in seinem Fahrerherzen auf und überstrahlte alles, was zuvor darin war.
Kult oder Kneipe?
Der Bestattungswagen ist seinerzeit über einen Zwischenhändler von Italien nach Deutschland gekommen. Der Zweck des Imports: Der prunkvolle Leichenwagen sollte hier zu einer fahrenden Bar umgebaut werden. Wer lässt sich denn so etwas einfallen? Morbide Gruftis? Club Mate gluckernde Hipster? Eine pietätlose Party Nation? Egal, denn die Idee, den Mercedes zur skurrilen Theke herabzuwürdigen, wurde durch Christians beherztes Eingreifen unterbunden und sofort beerdigt.
Spirituell statt spirituosiell
Der Gedanke, dass der Leichenwagen als Abfüllstation von Schluckspechten dienen sollte, fand Christian gelinde gesagt sehr unpassend. Verhindern ließ sich die Entweihung des Wagens aber nur dadurch, dass er, der ausgewiesene US-Car-Fan, den Wagen kaufte. Quasi aus der Notlage des Benz heraus ward so ein neuer MIB geboren. Als neuer Besitzer beschloss Christian, den Benz-Bestattungswagen so zu erhalten, wie er bei dem italienischen Karosseriebauer „Carrozzeria Forlano“ einstmals gefertigt worden war.
Als der Mercedes im Mai 1990 als viertürige Limousine vom Band lief, war er mit Schiebedach ausgestattet. Beim italienischen Karosseriebauer Carrozzeria Forlano wurde der W124 dann ab B-Säule komplett umgebaut. Seitdem sind nicht nur die hinteren Türen, sondern auch das Schiebedach Geschichte.
Für seine Bestimmung als Bestattungswagen erhielt der Benz ein Hilfsgestell; der Tank wurde längs eingebaut.
Üppiges Drumherum
Der an der Karosserie angebrachte Messingschmuck aus Verzierungen, Symbolen und Ornamenten aus der christlichen Religion ist ziemlich opulent, pompös und gewichtig ausgefallen. Allein die vier an den Ecken des hinteren Aufbaus angebrachten Lampen - jede misst in der Höhe 140 cm - wiegen 20 Kilogramm pro Stück.
Bestattungswagen mit Ballast
Ab Werk brachte der Mercedes-Benz 250 TD im Jahr 1990 gut 1.410-kg-Leergewicht auf die Waage. Als Bestattungswagen mit dem üppigen Messingschmuck und dem gesamten übrigen Drum und Dran bringt er es ohne Insassen auf 1.970 Kilogramm - er hat also mehr als eine halbe Tonne zugelegt.
W124 mit dem besonderen Etwas
„Wie man sich bettet, so liegt man“, heißt es. Wenn das wahr ist, dann durften sich die im Mercedes-Benz Aufgebahrten auf ihrer Fahrt extrem edel und plüschig von roten Samt, goldenen Knöpfen und Samt-Volants mit güldenen Bömmelkes umgeben in einer First-Class-Luxuslounge wähnen. Dass der Verstorbene seine letzte Reise in bescheidener Demut und eher gedeckten Farben antrat, ist in dieser Bestattungswagen-Ausführung nicht vorgesehen. Wer hier lag, den konnte man für eine hochgestellte Persönlichkeit halten. Einerseits. Andererseits: Die Farbe Rot besitzt in der katholischen Kirche/Liturgie ja eine ganz eigene Bedeutung: Rot ist die Farbe des Blutes, des Feuers, der Liebe und sie ist Sinnbild des Heiligen Geistes. Feuriges Rot ist denn auch die liturgische Farbe für die Trauerfeierlichkeiten für einen verstorbenen Papst. Freilich muss man kein Papst gewesen sein, um in diesem Benz die letzte Reise anzutreten.
An diesem Benz ist was dran
Mit seinem 126 PS starken Fünfzylinder Diesel besitzt der Mercedes-Benz 250 TD ein recht agiles Aggregat. Es beschleunigte die Limousine auf eine Spitzengeschwindigkeit von 198 km/h. Beim italienischen Auftraggeber des Mercedes-Umbaus dürfte der Turbodiesel freilich die meiste Zeit im Schongang bewegt worden sein. Die Mitfahrer im Fond hatten es ja nicht mehr eilig. Apropos eilig: Wer einmal die Chance haben sollte, Christians Bestattungswagen mit Stern aus nächster Nähe zu betrachten, sollte nicht zögern. So ein Kuriosum sieht man nicht alle Tage.
Bildergalerie: Carrozzeria Forlano Bestattungswagen auf Basis Mercedes-Benz 250 TD W124
Text & Fotos Mathias Ebeling
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