Erstmal freischaufeln …wie schon am Ende des letzten Artikels über Yasin Elidemir von der Lackiererei Affalterbach angedeutet, präsentieren wir heute ein weiteres Auto aus der Spielzeugkiste des kreativen Lackierers. Das war aber diesmal nicht so einfach, denn das Objekt der Begierde stand zugeparkt gaaaanz hinten in der langen Halle. Die Halle ist eigentlich recht groß, aber gemessen an der Anzahl der Autos, die drinnen stehen ist sie zu klein. Man hatte Mühe, sich einen Weg zwischen den eng verschachtelt geparkten Autos hindurch zu bahnen. Yasins schlanke Mitarbeiter arbeiteten sich durch das Labyrinth zwischen den schwarzen Edelkarossen hindurch und fuhren eine nach der anderen hinaus. Da musste erstmal die 1000 PS-Corvette vor die Tür, dann die Viper, der Jaguar XJR, den Jaguar XK8R, dann kam man an den 500er Mercedes. Der musste fremd gestartet werden… Einige Autos später blockierte nur noch der Audi A8 den Mercedes 560 SEC. Beim Audi gab es ein Problem mit dem Zündschlüssel. Dann endlich stand das elegante Mercedes Coupé der Baureihe 126 nach 45 Minuten Rangieren und Probieren auf dem Hof im Freien.
Top of the Pops
Das Mercedes S-Klasse Coupé wurde von 1981 bis 1991 gebaut und war damals das Beste, was der deutsche Automarkt zu bieten hatte. Kein Wunder, dass Prominente wie Janet Jackson, Ayrton Senna, Johnny Cash, Nigel Mansel, Ivan Rebroff und auch Mario Adorf einen solchen fuhren. An Luxus und Statussymbol war der Wagen aus Deutschland nicht zu übertreffen. Wer viel Geld verdiente und im Rampenlicht stand, zeigte das auch gerne unterwegs. Stil, Komfort, stattliche Maße und die klassische Eleganz waren die Tugenden des Coupés ohne B-Säule.
"Ludenkarre"
Wer das Erscheinungsbild des 560 SEC übertreffen wollte, musste maßlos übertreiben und noch mehr Geld in die Hand nehmen. Es gab einige Tuner, die sich damals das S-Klasse-Coupé zur Brust nahmen. Das polarisierte. Der Umbau zum Cabrio von der Design und Technik GmbH war einfach aus der Not geboren. Es gab keine Oben-ohne-Version ab Werk. Das Resultat war auch sehr gelungen und von einer schlichten Eleganz. Eher protzig und mit Anabolika potenziert kamen dagegen die Breitbauten, wie zum Beispiel von Koenig Specials, oder Flügeltür-Versionen von SGS daher. Diese dekadent umgebauten 560SEC Fahrzeuge waren vor allem bei Scheichs, im Rotlichtmilieu und bei subversiven Elementen beliebt. Die Farbgebung reichte von außen rot bis zu weiß mit knallroter Innenausstattung. So geriet das Image des Mercedes 560SEC im Volk leider etwas ins Schwanken. Hardliner lassen sich davon aber nicht beeindrucken. Es gibt auch dezente Exemplare, wie das von Yasin.
TV- und Kinostar
In der TV Serie Dallas wurde ja viel Mercedes gefahren. Die Ewings besaßen natürlich auch einen Mercedes SEC mit dem Kennzeichen „Ewings 2“. Im Hollywood-Film „Roadhouse“ wurde Patrick Swayzes Mercedes erst wild beschossen, dann sprang das Coupé über einen Zaun und ging – Hollywood-typisch – in Flammen auf. Im deutschen Kultfilm „Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding“ war Ralf Richters Traumwagen der automobile Mittelpunkt des Films. Das Mercedes Coupé der Baureihe 126 prägte einfach die automobile Luxusklasse seine Zeit.
Schlachtschiff
Kein Wunder, dass sich Yasin Elidemir die Finger nach so einem epischen Kultexemplar leckte, um seine Version eines 560 SEC zu realisieren. 2019 bekam Yasin einen Tipp vom Kumpel eines Freundes. Ein Mercedes 560 SEC in Silber, letztes Baujahr 1991 mit 299 PS-Motor und nur 170.000km auf dem Tacho stand zum Verkauf. Im Originalzustand rollte der Wagen dann alsbald auf den Hof. Aber nur schwarze Autos kommen beim Affalterbacher Lackierer in die Garage. Außerdem gab es wie immer noch so einiges, was dem ästhetischen Wohlbefinden von Herrn Elidemir widerstrebte. Zuerst wurde das gute Stück auf die Schlachtbank gefahren und zerlegt. Ursprünglich sollte der Schlitten auf einen AMG-ähnlichen Widebody umgebaut werden. Aber die in Litauen bestellten Teile waren nach einem Jahr immer noch nicht da. So wurde ein dem normalen AMG-Bodykit ähnelndes Kit aus Kasachstan verbaut.
Clean the Queen
Die ohnehin schlichte Königin der Coupés wollte Yasin noch dezenter. „Also ran ans Werk“, dachte er sich. Er hatte eine genaue Vorstellung, wie der Wagen hinterher aussehen sollte. Die mehrteilige Heckstoßstange wurde zusammenlaminiert und ist nun einteilig. Auch an der Frontstoßstange wurden die Einzelteile, wie zum Beispiel das Frontschwert, einlaminiert. Yasin hat mit seinen Karosseriebauern das Auto also etwas „gecleant“, was bedeutet, dass unnötige Fugen, oder Anbauteile entfernt wurden. Auch die Saccobretter am unteren Bereich der Seitentüren mussten dran glauben und wurden überarbeitet. Die Chromleisten wurden entfernt, und die Türpaneele aus Kunststoff wurden geglättet. Ein Dorn im Auge waren dem Meister auch die Scheinwerferwischanlagen; also wurden sie kurzerhand entfernt, um die pompöse Anmutung der Front nicht zu stören.
Black Beauty
Sämtliche sonstigen Chromteile bekamen eine Ladung schwarzer Farbe aus der Sprühpistole ab. Das flache Mercedes-Logo auf der Haubennase und das 560 SEC-Logo am Kofferraumdeckel wurden natürlich auch schwarz getüncht. Black ist eben beautiful! An die Füße bekam der Straßenkreuzer H&R Topline Felgen vorne 10x18 Zoll und hinten 11x18 Zoll. Die ähnlichen Felgen von Mercedes gab es nicht in 18 Zoll. Die Maße der Hankook Reifen sind vorne 225 40 18 und hinten stolze 255 35 18. Die horizontalen Block-Rücklichter wurden rot lackierte, um monolithischer zu wirken. Das streckt optisch das Heck in die Breite. Obwohl viel an der Karosserie verändert wurde, blieb der Innenraum jedoch unangetastet.
Volle Hütte
Ausstattungsmerkmale, die heute selbstverständlich erscheinen, waren 1991 in der letzten und ausgereiftesten Serie des 560 SEC erhältlich und für die Allgemeinheit noch purer Luxus. Schiebedach, elektrische Fensterheber, Heckscheibenrollo, Reiserechner, Tempomat, Servolenkung, elektrische Sitzverstellung… Eine Alarmanlage wurde nachträglich von Yasin eingebaut. Mit diesen inneren Werten kann der Benz heute nicht mehr wirklich punkten. Es sind eher die optisch majestätische Erscheinung, sein glamouröses Image aus einer früheren Ära und der aus heutiger Sicht dezente Understatement-Look, die den Charme dieses Oldies ausmachen.
So unterschiedlich Yasins Autos auch sind, eines haben sie alle gemeinsam: Das Airride-Luftfahrwerk. Dank des Umbaus kann man den Wagen im Stand absenken, bis der Gummi der Reifen im Radkasten verschwindet und nur noch die Felgen zu sehen sind. Die Steuerung des Airride im Innenraum wird noch ausgetauscht und sauber verbaut. Außerdem werden noch Digitalanzeigen für den Luftdruck eingebaut.
Gute Resonanz
Die eingetragene Edelstahl-Spezial-Auspuffanlage von Brecht sorgt für gekonnt klangvolle Untermalung dieser zu Blech gewordenen Symphonie aus Erotik und Eleganz. Wer will denn so ein schwarzes Schlachtschiff nicht in der Garage haben?! Noch heute gibt es eine Fangemeinde, die zu einem großen Teil aus Sternanbetern besteht, die 1991 noch nicht einmal auf der Welt waren.
Fortsetzung folgt
Vielen Dank, Yasin, dass Du uns den Blick in Deine heiligen Hallen gewährt hast und Du Dir die Mühe gemacht hast, den SEC ans Tageslicht zu holen. Ausfahrten mit seinen Schätzen sind leider selten. Die Lackiererei hält Yasin in Atem. Seine Flotte wächst, aber wird leider kaum bewegt. Wir dürfen schon jetzt verraten, dass wir den Lackiermeister noch einmal besuchen werden. Welches Auto dann unter die Lupe genommen wird, verraten wir jedoch noch nicht. Aber welche Farbe es hat, könnt Ihr Euch schon denken. Genug Stoff für weitere Stories hat er auf jeden Fall in petto bzw. in seiner Garage.
34 Bilder Fotostrecke | Nobelhobel im „Trauergewand": Mercedes-Benz 560SEC individuell
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