Mercedes Youngtimer verschandelt oder cooler Look?

Dieser 85er Mercedes 500 SEC ist eine "Ratte".

Mercedes Youngtimer verschandelt oder cooler Look?: Dieser 85er Mercedes 500 SEC ist eine "Ratte".
Erstellt am 5. Februar 2016

Oft muss man nicht „ratten“, um das leichte Rätsel zu lösen, welchen Style Stephan Lepera an einem Auto am liebsten sieht. Fix und vierzig wird der noch 39-Jährige in seinem V8 gepowerten W126 Benz in diesem Jahr unterwegs sein. Fix und fertig - so sagen andere – wird das dann ausschauen, denn der bekennende MIB ist mit einem Mercedes-Benz 500 SEC W126 Baujahr 1985 im Rat-Style unterwegs.

500 SEC als Ratte?

Statt schön benzig sieht der 85er Mercedes 500 SEC recht ranzig bzw. richtig rattig aus. Soll das so? Braucht das einer, oder kann das weg? „Nee, der bleibt mal schön hier bei mir“, sagt Stephan Lepera, denn der Mercedes-Benz ist, so wie er ist, ganz sein Ding und entspricht eben jenem Independent-Drivestyle, auf den er total abfährt.

Luxuscoupé als Schmuddelkind

Nicht viele macht der einstmals in der Tuningszene durchaus schwer angesagte und akzeptierte Rat-Style heute noch wuschig. Stephan Lepera dagegen schon. Logisch für den MIB, der als Logistiker sein Geld verdient. Denn ohne viel Tamtam und mit vergleichsweise wenig Aufwand lässt sich mit dieser Art der individuellen Differenzierung zweifellos ein enorm hoher Aufmerksamkeitswert erreichen

Verkommen statt vollkommen

Der Hinguckereffekt ist da. Er ist rattig. Er ist riesig. So weit, so richtig. Aber auch so gut? Darf man einen Mercedes-Benz der Oberklasse – einen einstmals stolzen und souveränen Straßenkreuzer - zum schmuddeligen Kellerkind degradieren? „Warum denn nicht?“, fragt der MIB und nennt auch die Antwort: „Fahrspaß ist schließlich (m)eine ganz persönliche Angelegenheit!“

Like oder dislike?

Im Mercedes-Benz Fahrerlager dürfte es allerdings keine große Mehrheit geben, die Stephans Einstellung teilt. Dabei war Rat-Style vor gar nicht allzu langer Zeit schwer beliebt – besonders zahlreich tummelten sich die Ratten übrigens im Volkswagen-Fahrerlager. Dass die „Rattenplage“ mittlerweile allgemein stark nachgelassen hat, werten nicht nur diejenigen, welche – um die jungfräuliche Reinheit von beigefarbenem Nappaleder an Lenkrad und Bestuhlung zu bewahren - schon mal auf Handtüchern sitzend und blütenweiße Baumwollhandschuhe tragend im Auto anzutreffen sind, als Wohltat für Augen und Geschmack.

Es stimmt schon: Den 110 prozentigen Schöngeistern unter den Automobilisten ist eine Ratte so willkommen wie Pest und Cholera. Sie werden auch mit dem rau und und roh wirkenden Look des mattschwarz lackierte Mercedes-Benz 500 SEC nicht anfreunden können. Die Ansehnlichkeit der 16-Zoll-Stahlfelgen – auch wenn es sich an der Hinterachse sogar um rassige Cragar-Felgen handelt – vermag sie nicht positiv einzunehmen. Überhaupt liegt das mit Dragster-Elementen und entsprechenden Stickern eher grob als fein abgeschmeckte Rattenmenü nicht auf ihrer sensitiven Linie.

 

Ich fahre, also bin ich!

Auch wenn Außenstehende es aufs erste Hören nicht recht glauben können, so hat sich der Fahrer des W126 bei dessen Outfit etwas gedacht. Das Bekenntnis zum Rattenlook war eine ganz bewusste Entscheidung: „Ich habe den Wagen schon in diesem Look im Jahr 2014 gekauft. Warum? Ich wollte einen Mercedes, den nicht jeder fährt und einen Look, den nicht jeder Benz hat.“

Pro und contra

Der SEC ist anders. Sein Aussehen polarisiert. Aber das findet Stephan gut: „Die einen finden den Rat-Syle pfui-bah, die anderen ziemlich klasse. Und ich sage: Tja, leider geil dieses Mercedes. Eingefleischte Oldtimer-Enthusiasten, für die Originalität alles bedeutet, sehen das freilich anders...und sie teilen mir ihre Kritik auch mit.“

Stephan reagiert unbeeindruckt und provokant auf an ihn adressiertes Wehklagen: „Heul nicht, gib Gas du Memme!“ ist seine kecke Reaktion, die ihre Wurzeln in der klassischen Motorraver Fahrkultur hat und im Innenraum des Benz einen deutlich sichtbaren Niederschlag in großen Fuzzy-Dices findet. Wer s nicht weiß: Die im Innenraum baumelnden Plüschwürfel waren beim Aufkommen der Motorraver-Kultur in den USA, das „heimliche“ Erkennungszeichen an andere Draufgänger mit dem Signal „Ich bin zu einem Straßenrennen bereit!“ Heutzutage dienen die Fuzzy Dices oftmals nur als dekoratives Element. In Stephans SEC indes sind sie mehr als anderswo ein Statement.

It`s my drive!

Wenn Stephan Gas gibt, dann zeigt ihm ein Lorinser-Tacho mit 300-km/h-Markierung das Tempo an. Ein großer Drehzahlmesser mit Shiftlight, der auf dem Instrumententräger keck aufgepflanzt ist, signalisiert den richtigen Moment für Gangwechsel – ein Vorgang, den im 500 SEC allerdings die Automatik (hier mit T-Shifter) automatisch übernimmt. Aber die Optik ist schon cool! Die Geschicke seines W126 lenkt Stephan mit einem Raid-Volant, das mit seinem Holzkranz klassisch-sportliche Atmosphäre versprüht.

Aus die Maus?

Wer meint, dieser Mercedes sieht aus wie das Ende auf Rädern, täuscht sich. Mal so gesagt: Diese Zitrone hat noch viel Saft. Im Ruhrgebiet würde man mit Blick auf den Benz nicht wenige Autofans so reden hören:„Dat hat wat!“ Und ganz falsch liegen sie mit ihrem rustikalen Geschmack ja auch nicht, denn irgendwie cool ist der 500 SEC ja doch auf seine Art. Hand aufs Herz: Der substantielle Zustand des W126 war leider - vor der Transformation zur Ratte - nicht derart, dass man einen Schönheitspreis hätte gewinnen können. Da haben die Vorbesitzer keine gute Arbeit und Pflege geleistet. Weil der Wagen halt ziemlich vom Zahn der Zeit attackiert worden war, funktionierte ihn Stephans Vorlenker seinerzeit zur Ratte um.

Um den fahrbereiten Zustand zu erhalten, wurde der W126 mittlerweile komplett geschweißt und die Auspuffanlage erneuert. Ferner ist die Vorderachse neu gelagert worden. Bremsen und Elektrik sind ebenfalls komplett überarbeitet worden. Das Ziel dieser Arbeiten war Verkehrsicherheit und Alltagstauglichkeit. Nicht mehr, Nicht weniger. Und Stephan gefällt das Resultat: „Mir macht es Spaß mit meinem Mercedes-Benz 500 SEC zu cruisen – zumal Fahrkomfort und Fahrleistungen des 5-Liter-V8 gepowerten Sterns immer noch über jeden Zweifel erhaben sind.“

 

Text & Fotos: Mathias Ebeling

36 Bilder Fotostrecke | Rat Pack: Mercedes-Benz 500 SEC: Im Ratten-Style fährt der 85er Mercedes 500 SEC vor #01 #02

Technische Daten Mercedes-Benz 500 SEC

Baujahr: 1985

Motor: V8, Hubraum: 4.973 ccm, 245 PS

Getriebe: Automatik

Bremsen: Serie

Räder: 16-Zoll-Stahlfelgen, vorne Mercedes-Benz, hinten Cragar

Fahrwerk: Tieferlegungsfedern

Karosserie: Lackierung in mattschwarz, Rat-Style mit Dragster-Look

Innenraum: Raid-Lenkrad, Drehzahlmesser mit Highlight, Zusatzinstrumente im Radioschacht, Lorinser-Tacho bis 300 km/h, T-Stifter

2 Kommentare

  • BirgerS

    BirgerS

    Sehr geil, genau mein Ding! Wobei der für ne "Ratte" ja fast noch zu edel daher kommt ;)
  • thenze

    Thenze

    Sau cool. Jeder darf aus seinem Auto machen was er will und vor allem was ihm gefällt. Ich gehe mal nicht davon aus, das Stephan hier einen SEC in Zustand 1+ als Basis genommen hat. Grundsätzlich bleibt ein tolles Auto auf der Straße. Mir gefällt's - genauso wie die "geleckten".

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