Man mag darüber diskutieren, ob die heute in aller Munde befindliche S-Klasse ihre Geburtsstunde im W116 oder im W108 erleben durfte, für den echten Kulturgut-Bewahrer sind das alles Nebensächlichkeiten. Roland Völkl steht zu seiner S-Klasse. Was, wenn nicht die überdurchschnittlich lange Haltedauer von nunmehr 27 Jahren, spricht sonst für die Intensität dieser Zweierbeziehung mit dem gewissen Stern?
Als am 2. Januar 1979 dieser W116 das Licht der späten Siebziger-Welt erblickte, standen die Village People mit Y.M.C.A. auf Platz Eins der deutschen Musikcharts. Und auch sonst war einiges los in Deutschland und der Welt. Wer sich seinerzeit ein Auto kaufte, machte sich keine großen Gedanken um Sonderausstattungen.
30 Jahre sind doch kein Alter
In einer Zeit, wo ein Lenkrad und vier Türen bei vielen Automobilherstellern als ausreichend angesehen, fuhr man bei Mercedes das volle Programm auf. Elektrische Fensterheber und ein elektrisches Schiebedach zählten bei den Stuttgartern ebenso zur Ausstattung wie ein Drehzahlmesser, ein Tempomat und eine Scheinwerfer-Reinigungsanlage. Letztere kommt übrigens mit den kultig anmutenden Miniatur-Scheibenwischern zum Sauberhalten der Streuscheiben daher. Auch die Anzahl von vier Kopfstützen in einem Fahrzeug war für damalige Verhältnisse etwas Besonderes.
Allein der AMG-Frontspoiler dürfte heute eine Raritat sein!
Reisen statt Rasen!
Der Vorbesitzer orderte den heutigen Mercedes Youngtimer mit dem samtweichen Sechszylinder-Motor mit 2717 ccm Hubraum. Die K-Jetronic Einspritzanlage verteilt das kostbare Super recht großzügig auf die sechs Töpfe und verhilft dem Triebwerk so zu 185 PS Leistung. Reisen statt Rasen lautete auch damals das Motto kultivierter Fortbewegung.
Hochglänzende Qualitäten
Frei interpretiert nach dem Motto das Auge isst mit gönnte Roland dem Motor gleich nach dem Kauf eine optische Überarbeitung. Öffnet man die Motorhaube, stechen sofort die verchromten Oberflächen ins Auge. Der mit dem Galvanisieren beauftragte Betrieb aus Mannheim leistete ganze Arbeit, wenn man bedenkt dass der Chrom inzwischen über ein Vierteljahrhundert alt ist.
Koni-Fahrwerk
Die Arbeiten am Motor des Mercedes Klassikers führte Roland (wie übrigens sämtliche Umbauten auch) im ersten Jahr nach dem Kauf durch. Ein modifiziertes Koni-Fahrwerk legt den Wagen vorne um 60, hinten um 40 Millimeter tiefer.
Rial Felgen statt Schubkarren-Räder
Mit den originalen 14-Zoll Rädern sah die S-Klasse aus wie die vielzitierte Schubkarre. Kein Vergleich zu den Rial Felgen in 9x16. Hankook Reifen in 225/50 vorne und 245/45 hinten verleihen der Limousine einen satten Stand. Bei der Rad-/Reifenkombination mit Einpresstiefe 11 handelt es sich übrigens um eine Sonderabnahme, wie Roland betont. Im Gutachten war die Vorderachse nämlich mit acht Zoll breiten Rädern bestückt. Damit sich diese Kombination auch beim Einlenken und Einfedern berührungsfrei drehen konnte, erwärmte der Mertesheimer die Bördelkante in der Radhausmitte mit einem Heissluftfön und schlug sie nach leicht nach innen um.
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Ein Raubvogel gibt den (Farb-)Ton an!
Der attraktive Lack der Mercedes S-Klasse hört auf den Namen "Milanbraunmetallic" und befindet sich seit dem Tag der Produktion auf dem Fahrzeug. Trotz einiger kleiner Gebrauchsspuren weiß Roland die Qualität des damaligen Nitro-Farbauftrages zu schätzen und lehnt eine Neulackierung vehement ab. Der Mercedes Youngtimer wird ohnehin nicht mehr tagtäglich bewegt. Das Wort Winter ist für diesen W116 ein Fremdwort. Auch das dürfte ein Grund für den guten Zustand des ansonsten für seine Schwachstellen bekannten Blechs sein kein Salz, kein Rost.
Auch innen jung geblieben
Was in den Siebziger Jahren das Wort Qualität bedeutete, kann man heute (drei Dekaden später) am Gesamtzustand der Innenausstattung sehen. Die Bambus-Velours-Ausstattung befindet sich in einem beneidenswerten Zustand. Das nachgerüstete Raid Holzlenkrad passt gut zur Zebrano Holzausstattung. Ans Becker Classic schloss der Betriebsschlosser einen Pioneer Zweikanal-Verstärker und eine Pioneer Lautsprecheranlage an.
Silberhochzeit der besonderen Art
Die Weinbrandflasche im Kofferraum ist natürlich nur ein Gag. Tatsache dagegen ist, dass diese Mercedes S-Klasse im ersten Jahr nach seinem Kauf von Roland in den vorliegenden Zustand versetzt wurde und seit nunmehr 26 Jahren unverändert gefahren wird. Dagegen sieht auch ein teurer Single Malt ganz schön alt aus. Ein Tost auf Roland, den W116 und diese ganz besondere Silberhochzeit!
Text: Igor Vucinic
Fotos: Thomas Ebeling
Mercedes-Fans Facts
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Fotostrecke | S hat überlebt S-Klasse mit Kult-Status: Kulturerbe vor dem Verfall bewahrt: W116 280 SE als Schönwetterauto
Fahrzeugtyp: Mercedes-Benz 280 SE W116
Baujahr: 1979
Motor: 2,8 Liter Reihensechszylinder mit 136 kW/185 PS Leistung, K-Jetronic Einspritzanlage, viele Motorteile verchromt
Räder: Rial Tiefbettfelgen, rundum in 9x16 ET11 mit Hankook K104 Reifen, vorn in 225/50 R16, hinten 245/45 R16
Fahrwerk: Koni Fahrwerk mit 60/40mm Tieferlegung
Karosserie: vordere und hintere Radläufe gebördelt, Chromradläufe, Originallack Milanbraunmetallic von 1979
Innenraum: Raid Holzlenkrad, Zebrano Holzschalthebel, Original Bambus Velours-Innenausstattung
ICE: Becker Classic Radio, Pioneer GM 3000 2x150 Watt Endstufe, Pioneer Lautsprecher
2 Kommentare
Sterninator
19. März 2010 12:59 (vor über 14 Jahren)
HanSchopp
18. März 2010 21:09 (vor über 14 Jahren)
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