Klartext oder Kauderwelsch: CEO-Reden 2021 unter der Lupe

Daimler-Chef Källenius gehört zu den verständlicheren Rednern

Klartext oder Kauderwelsch: CEO-Reden 2021 unter der Lupe: Daimler-Chef  Källenius gehört zu den verständlicheren Rednern
Erstellt am 12. August 2021

Spitzenmanager im Verständlichkeits-Check: Die Reden deutscher CEOs sind etwas unverständlicher als im Vorjahr. Dies ist das Ergebnis einer Studie der Universität Hohenheim in Stuttgart. Prof. Dr. Frank Brettschneider und sein Team untersuchen seit 2012 wie verständlich die Vorstandsvorsitzenden der DAX-30-Unternehmen auf den Hauptversammlungen ihrer Unternehmen sprechen. Im Schnitt erreichen die Reden in diesem Jahr 14,9 Punkte auf einer Skala von 0 bis 20. Das sind 0,6 Punkte weniger als in den beiden letzten Jahren (15,5), aber 5,1 Punkte mehr als im Jahr 2012 (9,8).  Mit Hilfe einer Analyse-Software fahnden Prof. Dr. Brettschneider und sein Team unter anderem nach überlangen Sätzen, Fachbegriffen, Fremdwörtern und zusammengesetzten Wörtern. Anhand dieser Merkmale bilden sie den „Hohenheimer Verständlichkeits-Index“. Er reicht von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich).

Nach dem Hohenheimer Verständlichkeitsindex hielt Nikolai Setzer (Continental) bei seiner Premiere mit 20,0 Punkten die formal verständlichste Rede. Damit löst er den Vorstandsvorsitzenden der Telekom ab. Timotheus Höttges lag in den letzten sechs Jahren immer auf Platz 1. In diesem Jahr erreicht er mit 19,7 Platz 2. Auf dem dritten Platz folgt Stephan Sturm: Mit 19,6 Punkten bietet der CEO von Fresenius SE zum wiederholten Mal eine Top-Leistung. Das Gleiche gilt für Dr. Theodor Weimer von der Deutschen Börse mit 19,4.


Automobil-Branche mit deutlichem Verständlichkeits-Plus

„Insbesondere bei den drei Automobil-Herstellern VW, Daimler und BMW haben wir wesentlich verständlichere Reden als in den Jahren zuvor. Damals wurden ungünstige Botschaften – etwa rund um den Diesel-Skandal – in unverständliche Schachtelsätze gepackt. Jetzt versuchen die CEOs, mit positiven Botschaften rund um die Elektromobilität wieder in die Offensive zu kommen. Und diese Botschaften formulieren sie deutlich verständlicher“, sagt Prof. Dr. Brettschneider. Den größten Anstieg bei allen Rednern gibt es bei Dr. Herbert Diess (VW). Die Verständlichkeit seiner Rede stieg um 5,5 Punkte auf 13,1 Punkte. Auch Ola Källenius (Daimler) hat zugelegt: +3,1 auf 17,0. Und bei Oliver Zipse (BMW) beträgt der Anstieg 2,0 Punkte (auf 18,7 Punkte).

„Die Vorstandsvorsitzenden nutzen die Hauptversammlung für Reden, die auch für eine breitere Öffentlichkeit verständlich sind. Viele Redner bemühen sich, Fachsprache so zu übersetzen, dass auch Laien den Inhalt der Rede verstehen. Für den Auf- und Ausbau von Reputation ist dies sinnvoll“, so Prof. Dr. Brettschneider.

Verständlichkeits-Hürden: Bandwurmsätze, Fachbegriffe, Wortungetüme

„Am meisten schmälern Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe die Verständlichkeit einiger Reden“, erklärt Claudia Thoms, Mitarbeiterin am Institut für Kommunikationswissenschaft. Aber: Überlange Sätze werden seltener, immer weniger Reden enthalten zusammengesetzte Wortungetüme.

Die Vorstandsvorsitzenden greifen immer seltener auf komplizierte Fachausdrücke zurück, die höchstens die Experten im Publikum verstehen. Vor allem Anglizismen kommen inzwischen insgesamt vergleichsweise selten vor.

HINTERGRUND: Der Hohenheimer Verständlichkeitsindex

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Brettschneider und sein Team berechnen den Hohenheimer Verständlichkeitsindex mit Hilfe der Verständlichkeits-Software „TextLab“. Sie berechnet verschiedene Lesbarkeitsformeln sowie Textfaktoren, die für die Verständlichkeit relevant sind (z.B. Satzlängen, Wortlängen, Schachtelsätze und den Anteil abstrakter Wörter). Aus diesen Werten setzt sich der „Hohenheimer Verständlichkeitsindex“ zusammen. Er bildet die Verständlichkeit von Texten auf einer Skala von 0 (schwer verständlich) bis 20 (leicht verständlich) ab. Zum Vergleich: Doktorarbeiten in Politikwissenschaft haben eine durchschnittliche Verständlichkeit von 4,3 Punkten. Hörfunk-Nachrichten kommen im Schnitt auf 16,4 Punkte, Politik-Beiträge überregionaler Zeitungen wie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Welt oder der Süddeutschen Zeitung auf Werte zwischen 11 und 14.

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