Die heutige Hauptversammlung der Daimler AG in Berlin ist eine ganz besondere: Nach 43 Jahren in Daimler Diensten wird Dr. Dieter Zetsche seine Ämter als Daimler-Vorstandschef und als Chef der Marke Mercedes-Benz niederlegen. Er übernahm das Unternehmen in einer existentiellen Krise und führte es zu neuen Höhen, Rekordergebnissen und an die Weltspitze der Premiumautobauer. Mit dem Ingenieur Dr. Zetsche tritt der letzte große Car-Guy der deutschen Autoindustrie ab. An seinen Platz rückt der bisherige Entwicklungsvorstand Ola Källenius. Der möchte den Konzern auf Nachhaltigkeit ausrichten und hat das Ende des Verbrenners auf seiner Agenda. Mit dem Abgang von Zetsche ist klar: Eine Ära, an deren Anfang Daimler als älteste Autobauer der Welt steht, endet mit Dr. Zetsche. Auf den Punkt gebracht: Gas is the past.
Vor der heutigen Hauptversammlung gab Dr. Dieter Zetsche noch ein Exklusiv-Interview über die aktuellen Themen der Daimler AG und zu 13 erfolgreichen Jahren als Daimler-Vorstandsvorsitzender.
Herr Dr. Zetsche, 2006 haben Sie bei Ihrer ersten Rede vor den Aktionären gesagt: "Unser Anspruch ist es, das Unternehmen wieder ganz nach vorne zu bringen." Ist Ihnen das in den 13 Jahren als Daimler-Chef gelungen?
Dr. Zetsche: „Man ist nicht fertig und wir haben natürlich auch große Aufgaben, die vor uns liegen, aber wir sind beispielsweise bei den Pkw, wie es unser Ziel war, wieder ganz vorne im Premiumwettbewerb und darauf sind wir schon auch ein bisschen stolz.“
Als Sie 2006 die Verantwortung übernommen haben, ging es Daimler schlecht. Sie mussten den Konzern neu aufstellen, eine Sparrunde einläuten, die fast 15.000 Arbeitsplätze gekostet hat. Was waren die entscheidenden Schritte auf dem Weg zurück zum Erfolg?
Dr. Zetsche: „Man kann das vielleicht in drei Phasen aufteilen: In der ersten Phase haben wir, bis zu einem gewissen Grad, aufgeräumt. Wir haben uns wieder fokussiert auf das Fahrzeuggeschäft. Das können wir. Da wissen wir, wie wir Erfolg haben und das haben wir in den Mittelpunkt, in unseren Fokus gestellt und uns von anderen Aktivitäten getrennt. Dann sind wir in die zweite Phase gegangen, in der wir auf Angriff gespielt haben und uns eben zum Ziel genommen haben, mit Pkw wieder ganz vorne zu spielen, aber auch die Nummer-Eins-Position bei Trucks noch weiter auszubauen - und auch das ist vor dem angestrebten Zeitpunkt gelungen. Und jetzt befinden wir uns in der dritten Phase. Das ist die Phase der Transformation, in der wir die vier Hauptveränderungsrichtungen, die wir unter dem Akronym "CASE" zusammengefasst haben: Konnektivität [Connectivity], Autonomes Fahren, Sharing und Elektromobilität, angreifen und versuchen, in diesen Feldern uns auch in der Nummer-Eins-Position wieder aufzustellen.“
Es folgten glanzvolle Jahre. Ab 2010 haben Sie Jahr für Jahr neue Rekorde aufgestellt. Wie fällt Ihre letzte Bilanz des Jahres 2018 und des ersten Quartals 2019 aus?
Dr. Zetsche: „Mit dem Aktienkurs sind wir nicht zufrieden. Wir haben ein erstes Quartal schlecht angekündigt und auch schlecht geliefert. Das ist sicherlich nicht erfreulich, aber wir sind in unserem Unternehmen mit einer sehr guten, soliden Basis aufgestellt und haben gute Grundlagen gelegt für die Transformation, die vor uns liegt."
Transformation bedeutet Dinge zu verändern. Wie sieht die Strategie bei der Daimler AG bei der Elektromobilität aus?
Dr. Zetsche: „Ja, wir haben ja gesagt, dass wir bis 2022 mindestens zehn Fahrzeuge vollelektrisch im Markt haben wollen. Das beginnt jetzt mit dem EQC, der im nächsten Monat in die Kundenhände kommt. Natürlich hat Ola Källenius, mein Nachfolger, dort noch ausreichend zu tun, diese Aussagen dann auch tatsächlich umzusetzen, aber wir haben einen klaren Plan, wie wir letztendlich dann, wie von ihm jüngst angekündigt, bis '39 unser gesamtes Portfolio an CO2-neutralen Fahrzeugen ausliefern wollen.“
Sie werden auf der Hauptversammlung betonen, dass sich die Daimler AG dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet fühlt. Ein klares Bekenntnis, dass Daimler seinen Anteil zum Klimaschutz beiträgt. Was bedeutet das in der Praxis?
Dr. Zetsche: „Ich und die Kollegen sind der Überzeugung, dass das die größte Leistung war, die die Politik in den letzten zehn, 15 Jahren gezeigt hat, hier tatsächlich weltweit diesen Schulterschluss zu nehmen, der unserem Planeten zugutekommen wird. Da haben wir unseren Teil der Verantwortung, was den Transport angeht, auch tatsächlich das Ziel in 2050 CO2-frei zu sein und damit eben die Flotte ab 2040 nur noch mit CO2-neutralen Fahrzeugen zu befüllen, angenommen und als unser eigenes Ziel fest ins Auge gefasst.“
In wenigen Minuten beginnt Ihre letzte Hauptversammlung. Und das bedeutet Abschied nehmen nach 43 Jahren Daimler. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in Ihre letzte Aktionärsversammlung?
Dr. Zetsche: „Zum einen ist es die 15., ich glaube das ist eine ausreichende Zahl. Zum anderen haben wir gerade darüber gesprochen, dass das Unternehmen in seinen Fundamenten sehr gut aufgestellt ist - und am allerwichtigsten: Ich bin überzeugt, eine tolle Mannschaft unter der Führung von Ola Källenius übernimmt und wird dieses Unternehmen zu weiteren Erfolgen führen. Ich freue mich, das dann mit etwas mehr Distanz verfolgen zu können und gleichzeitig mehr Zeit für meine Familie, für meine Interessen aufwenden zu können. Ich freue mich darauf, insofern bin ich mit mir völlig im Reinen.“
Autor: Mathias Ebeling
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