Einst als vielversprechende Zukunftstechnologie gefeiert, tritt das autonome Fahren auf der Stelle. Die Politik schafft es nicht, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, die Automobilhersteller rudern technologisch zurück und die Skepsis der Menschen wächst.
Mit dem autonomen Fahren bei Automobilen ist es wie mit so manchen Dingen im Leben. Die Hoffnungen und Ambitionen sind groß, doch dann erweist sich das Unterfangen komplizierter als gedacht. Audi ließ den A8 2017 mit stolzgeschwellter Brust über Autobahnen rollen und demonstrierte das autonome Fahren der Stufe drei, doch die Einführung stockte; nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Grundlage. BMW versprach beim iX ab 2021 automatisiertes Fahren der Stufe drei und tritt jetzt auf die Bremse. Aktuell ist mehr als Level zwei drin. Ähnlich bei Mercedes. Die neue S-Klasse beherrscht auf Autobahnen das selbsttätige Fahren der Stufe drei – jedoch zunächst nur in Deutschland und nur bis 60 km/h, aber erst ab nächstem Herbst. Auch hier man muss der Gesetzgeber den Rahmen setzen. Auf die Nachfrage, wie es denn mit baulich getrennten Fahrbahnen wie etwa Stadtautobahnen aussehe, da bei diesen Straßen das System doch genauso funktionieren müsse, antwortet der schwäbische Autobauer Folgendes: „Gemäß der Zertifizierungsvorgaben ist das Level drei für den Betrieb auf autobahnähnliche Straßen beschränkt. Zur Markteinführung werden wir den Drive Pilot in Deutschland zunächst ausschließlich auf Autobahnen freigeben. Im Einklang mit den gültigen Zertifizierungsrichtlinien behalten wir uns eine sukzessive Ausweitung des Streckennetzes auf autobahnähnliche Bundesstraßen vor.“ Optimistisch klingt anders.
Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) ergießt sich ebenfalls in vollmundigen Ankündigungen. „Deutschland wird international die Nummer eins beim autonomen Fahren. Als erstes Land weltweit holen wir autonome Fahrzeuge aus den Forschungslaboren auf die Straße – und zwar im Regelbetrieb“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.“ Laut den Experten von „The Autonomous“ wollte das Ministerium nach der Sommerpause die gesetzlichen Parameter für das autonome Fahren Level vier nach der Sommerpause festzurren. Davon ist man offenbar immer noch weit entfernt. „Der Referentenentwurf des BMVI befindet sich zurzeit in der Ressortabstimmung“, heißt es aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur auf Nachfrage einsilbig. Auf der Homepage des BMVI ist man auskunftsfreudiger: „Mit dem neuen Gesetz zum autonomen Fahren wollen wir den Rechtsrahmen schaffen, damit autonome Kraftfahrzeuge (Stufe fünf) in festgelegten Betriebsbereichen im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb fahren können – und das bundesweit.“ Jetzt also sogar Level fünf, das wird spannend.
Wann der Autofahrer guten Gewissens die Kontrolle über sein Fahrzeug abgeben kann und führerlose Robotaxis durch die Städte touren, steht noch in den Sternen. Manche halten selbst das Jahr 2030 für das Erreichen der Stufe fünf zu optimistisch. Eine Studie des Prognos Institutes geht davon aus, dass erst nach 2040 in größerer Zahl Autos auf dem Markt sind, die völlig autonom agieren, also auch im urbanen Verkehrsdschungel keinen Piloten mehr benötigen. Das wäre dann tatsächlich das autonome Fahren in Vollendung, also der Stufe fünf.
Doch das ist weit weg und die Skepsis wächst. „Hype um Level fünf ebbt ab“ ist auf der Website IAA.de zu lesen. „Entscheidend für die Akzeptanz beim Verbraucher – und damit schlussendlich für die Nachfrage nach selbstfahrenden Autos – ist das Thema Sicherheit“, stellen die Analysten der Unternehmensberatung Deloitte in einer Studie fest. Der Untersuchung zufolge herrscht bei den Konsumenten nach wie vor eine große Skepsis gegenüber der neuen Technologie vor: In Deutschland, Japan, Korea und den USA bewertet knapp die Hälfte der Befragten (jeweils zwischen 44 und 48 Prozent) die Technologie als nicht sicher.
Die Vorsicht gegenüber den selbststätig agierenden Vehikeln wächst auch in technikaffinen Regionen wie China. Denn dort ist der Studie von 25 Prozent im vergangenen Jahr auf 35 Prozent gestiegen. Dennoch sind im Reich der Mitte die Vorbehalte gegenüber dem autonomen Fahren am geringsten. Ein ganz anderes Bild ergibt sich in Indien. Dort haben 58 Prozent der Autofahrer Sicherheitsbedenken. Das sind zehn Prozent mehr als bei der letzten Studie und damit der weltweite Topwert. Die „TÜV Mobility Studie 2020“ legt die Lupe auf Deutschland. Tatsächlich würden nur sieben Prozent sich komplett auf das Automobil verlassen, einen teilweisen Kontrollverlust akzeptieren 34 Prozent und 26 Prozent trauen dem System nur unterstützende Fähigkeiten zu. Also genau das, was die Systeme im Fahrzeug aktuell schon praktizieren. Da passt es ins Bild, dass 49 Prozent der Befragten nicht glauben, dass ein System mit künstlicher Intelligenz besser Auto fährt als ein Mensch.
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