Der Globalismus, wie wir ihn noch bis zum Ausbruch der COVID-19 Pandemie kannten, wird in zehn Jahren der Vergangenheit angehören. Zu diesem Ergebnis kommt die „Global Automotive Executive Survey“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, bei der Top-Manager und Kunden befragt wurden. Die Studie sagt voraus, dass im Jahr 2030 nur noch jedes 20. Auto in Europa gebaut wird.
Wie geht es mit der Automobilindustrie weiter? Wird sich in zehn Jahren alles um China drehen? Welche Autos werden gebaut? Ist die Elektromobilität wirklich die Zukunft? Um diese Fragen zu klären, haben die Wirtschaftsprüfer von KPMG weltweit 1.154 Manager und mehr als 2.000 Autokäufer aus 30 Ländern befragt. Alle Manager hatten im weiteren Sinne etwas mit der Mobilitätsbranche zu tun: 25 Prozent waren bei einem Autobauer angestellt und 21 Prozent bei einem Zulieferer. Die meisten der Befragten kamen aus Nord-Amerika (27 Prozent), China (23 Prozent) und Europa (22 Prozent). Damit sind also die wichtigsten Automobilregionen abgedeckt.
Nach Ansicht der Top-Manager spielt Europa im Jahr 2030 als Produktionsstandort nur noch eine Nebenrolle: 76 Prozent gehen davon aus, dass nur noch fünf Prozent der Automobile in Europa gebaut werden. Damit geht eine weitere Aufsplittung der Märkte einher. Das eine Auto, das sich überall gut verkauft, wird es nicht mehr geben. Zu unterschiedlich werden die regionalen Anforderungen sein. Der Grund für diese Diversifikation sind aber nicht auseinander driftende Kundenwünsche, sondern nach Ansicht der befragten Manager der wachsende Einfluss der Industriepolitik und die Rohstoffverfügbarkeit.
Diese beiden Faktoren bestimmen laut der „Global Automotive Executive Survey“ in Zukunft die Technologieagenda, nach der sich der Automobilhersteller richten müssen, um im Geschäft zu bleiben. Darüber herrscht bei den befragten Managern große Einigkeit: 83 Prozent der Entscheider sehen die Industriepolitik und Regularien, die je nach Region unterschiedlich sind und die durch Steueranreize und Subventionen forcierte Antriebsform beeinflussen, als einen wichtigen Punkt an, den es zu beachten gilt. Taucht man etwas tiefer in die Umfrage ein, verfestigt sich dieser Trend. In Indien und der ASEAN-Region stimmen 92 Prozent dieser These zu. In China sind es immer noch 90 Prozent. Dagegen sind es in Europa nur 73 Prozent. Logisch: Wer eine funktionierende Batteriefertigung inklusive der dazugehörigen Rohstoffe hat, wird die reine batterieelektrische Mobilität forcieren, andere Regionen werden auf Hybrid-Antriebe oder eventuell sogar auf die Brennstoffzelle setzen. Zudem sind 73 Prozent der Top-Manager der Ansicht, dass Rohmaterialien die bevorzugte Antriebstechnologie eines Landes beeinflussen.
Die Mehrheit der Executives geht zum ersten Mal, seitdem die KPMG-Studie durchgeführt wird, davon aus, dass in zehn Jahren nicht mehr der Verbrennungsmotor das Rückgrat der Individualmobilität sein wird: 25 Prozent werden einen konventionellen Antrieb haben, 27 Prozent einen batterieelektrischen Antrieb, während die Brennstoffzelle 23 Prozent und die PHEVs je 25 Prozent des Marktes ausmachen werden. Das KPMG Automotive Institute geht davon aus, dass die Elektromobile aufgrund der staatlichen Fördermaßnahmen noch einen weiteren Verkaufsschub erhalten werden.
„Dass China die Subventionen und Steuervergünstigungen für Automobile mit elektrifizierten Antrieben auslaufen lässt, ist kein Anzeichen, dass sich China aus diesem Markt verabschiedet oder sich auf alternative Antriebe konzentriert. Vielmehr ist diese Maßnahme ein klares Signal, dass China in die nächste Phase der langfristig angelegten Strategie eintritt, bei der nationale Automobilhersteller entstehen sollen, die qualitativ hochwertige Produkte anbieten“, fasst KPMG-Autoexpertin Angelika Huber-Strasser zusammen. Damit sollen die Autobauer aus dem Reich der Mitte fit für das große Ziel „aus China für die Welt“ gemacht werden. Zudem haben die Strategen in Peking auch erkannt, dass nicht nur eine Antriebsform das alleinig selig machende Mittel Mobilität ist.
Zumal nicht jeder der Ansicht ist, dass man in Zukunft rein elektrisch unterwegs ist. Die in der Studie befragten Kunden nannten den Preis, die Ladestruktur und die Reichweite als die beiden häufigsten Gründe, warum vor dem Kauf eines reinrassigen Elektroautos zurückschreckten. Fast 70 Prozent der in diesem Fall 981 befragten Manager sagen ein Scheitern der reinen Elektromobilität aufgrund der fehlenden Infrastruktur beziehungsweise die Herausforderung, diese zu installieren, voraus. Bemerkenswert ist, dass die Skepsis gegenüber dem Vorjahr um 14 Prozent gestiegen ist. „Unsere Studie geht davon aus, dass eine negative Erfahrung im Hinblick auf die einfache Bezahlung über geeignete Systeme, das einfache Laden des Fahrzeugs sowie eine uneingeschränkte Verfügbarkeit der Mobilitätsleistung sich höchst negativ auf den Brand und damit auf die Kaufentscheidung auswirken wird“, fasst Angelika Huber-Strasser zusammen.
Ähnlich groß wie bei der Ladeinfrastruktur ist die Skepsis der Manager, was das autonome Fahren angeht: 77 Prozent gehen davon aus, dass der Mischverkehr aus autonomen Fahrzeugen und „normalen“ Vehikeln zu Sicherheitsproblemen und daraus resultierenden Haftungsansprüchen führen wird. Zudem ist sich die Mehrheit der Kunden auch einig, dass vollautonome Autos noch eine ganze Ecke entfernt sind.
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